41. Von dem Blutvergießen in der Kirche des heil. Hilarius
Indessen begab sich Bischof Gundegisil von Bordeaux,(1) weil er der Bischof der Mutterkirche dieser Stadt war, mit den Bischöfen Nicasius von Angouleme(2) Saffarius von Perigueux und Marovech von Poitiers selbst zu der Kirche des Helligen Hilarius, setzte die Jungfrauen zur Rede und wollte sie wieder in das Kloster zurückbringen. Da sie aber mit großer Hartnäckigkeit sich weigerten und er mit den andren Bischöfen in Gemäßheit des oben angeführten Briefes den Bann über sie aussprach, erhob sich jene Schar von Unsinnigen, deren wir vorhin gedachten, und fiel über die Bischöfe in der Kirche des heiligen Hilarius selbst mit solcher Gewalttätigkeit her, daß sie zu Boden geschlagen wurden und sich kaum wieder erheben konnten; auch die Diakonen und die andren Geistlichen liefen mit Blut bespritzt und mit zerschlagenen Köpfen aus der Kirche. Ein solcher Schrecken befiel die Bischöfe — und das war des Teufels Werk, wie ich glaube —, daß sie, als sie die heilige Stätte verließen, sich, ohne einander nur Lebewohl zu sagen, nach der Heimat aufmachten, jeder auf dem ersten besten Wege. Bei diesem Unfall war auch ein Diakon des Bischofs Syagrius von Autun(3) zugegen, mit Namen Desiderius, der suchte sich nicht einmal eine S. 73 Furt in dem Flusse Clain auf, sondern stürzte sich blind hinein, als er an das Ufer kam; aber sein Pferd schwamm, und so gelangte er an eine ebene Stelle am andren Ufer.
Hierauf bestellte Chrodechilde Verwalter, bemächtigte sich der Güter des Klosters und nötigte alle seine Dienstleute, deren sie habhaft werden konnte, mit Schlägen und Streichen, sich ihr zu unterwerfen. Sie drohte, wenn es ihr gelänge, in das Kloster zu kommen, so würde sie die Äbtissin von der Mauer Herabstürzen. Als dies König Childebert vernahm, erließ er sofort eine Verfügung und trug dem Grafen Macco(1) auf, daß er diesem Handel mit aller Macht ein Ende machen sollte.
Gundegisil erließ aber, da er mit den andren Bischöfen abgezogen war, nachdem er jene, wie erzählt, mit dem Bann belegt hatte, in seinem Namen und im Namen seiner Brüder, die dort zugegen waren, ein Schreiben an die Bischöfe, die sich dazumal beim Könige Gunthramn versammelt hatten, und erhielt von ihnen darauf folgende Antwort:
Wortlaut des Schreibens.
„An die immerdar hochverehrten und ihres apostolischen Sitzes überaus würdigen Herrn Gundegisil, Nicasius und Saffarius, die Bischöfe Ätherius, Syagrius, Aunachar, Hesychius, Agroecula, Urbicus, Felix, Veranus, Felix der Andre und Berthramn(2)
Den Brief eurer Heiligkeit haben wir mit ebenso großer Freude über euer Wohlergehen, von dem die Botschaft uns meldete, empfangen, wie wir andererseits mit nicht geringer Bekümmernis erfüllt werden durch die Beleidigung, die ihr nach eurem Berichte erlitten habt, da durch dieselbe sowohl die Regel übertreten wie alle Achtung gegen die Kirche außer Augen gesetzt ist. Da ihr uns aber meldet, daß die Nonnen, welche vom Teufel verführt das Kloster der Radegunde seligen Andenkens verlassen haben, weder eurer Ermahnung haben Gehör schenken noch in die Schranken des Klosters zurückkehren wollen, das sie verlassen haben, überdies die Kirche des heiligen Hilarius durch die euch und euren Dienern widerfahrene Mißhandlung beschimpft haben, und ihr sie deshalb von der Gnade der Kirchengemeinschaft auszuschließen für gut befunden habt, so erkennen wir, da ihr deswegen unsere Niedrigkeit habt um Rat angehen wollen, ausdrücklich an, daß ihr die Bestimmungen der Kirchengesetze durchaus zu Rate gezogen habt und die Strenge der Regel bestimmt, daß diejenigen, welche bei solchen Übertretungen gefunden werden, nicht nur mit dem Banne, sondern auch mit gebührenden Bußübungen bestraft Werden sollen. Und indem wir euch deshalb unsere Verehrung bezeugen und euch die Gefühle unserer heißesten Liebe ausdrücken, erklären wir, daß wir einmütiglich dem beistimmen, was ihr beschlossen habt, und es dabei sein Bewenden habe, bis wir auf der Synode, zu der wir uns am 1. November zusammenfinden werden, in gemeinschaftlicher Beratung beschließen werden, wie die Verwegenheit solcher Personen durch Strafen gezügelt werden könne, auf daß hinfort niemand mehr in einen solchen Fehltritt verfalle und in seinem Übermut ähnliches zu unternehmen wage.
Da uns jedoch der Apostel Paulus durch sein Wort unablässig ermahnt, daß wir alle Übeltäter zu rechter Zeit oder zur Unzeit mit aller Geduld und Lehre ermahnen sollen(1) und da er bekennt, daß die Gottseligkeit zu allen Dingen nütze sei(2) so bitten wir euch, nicht müde zu werden, im Gebet die Barmherzigkeit des Herrn anzuflehen, daß der Geist der Zerknirschung S. 75 diese Jungfrauen ergreifen möge, daß sie das, was sie gefehlt haben, durch gebührende Buße wieder gutmachen und in ihr Kloster zurückkehren, nachdem ihre Seelen, die fast verloren waren, durch Christi Gnade und eure Predigt wiedergewonnen sind, auf daß sich der, der das eine verlorne Schaf auf seine Schultern nahm und in den Stall zurückbrachte, auch über ihre Rückkehr freuen möge wie über einen Zuwachs seiner Herde(1) Auch bitten wir euch insbesondere, daß ihr für uns euer Gebet und eure Fürbitte unablässig einlegt, worauf wir uns verlassen.
Ich der Sünder Ätherius, ganz euer eigen, grüße euch.
Ich euer dienstwilliger Heshchius grüße euch ehrerbietigst.
Ich Syagrius grüße euch in Liebe ehrerbietigst.
Ich der Sünder Urbicus grüße euch in Freundschaft ehrfurchtsvoll.
Ich der Bischof Veranus grüße euch in Verehrung ehrerbietigst.
Ich euer Diener Felix grüße euch ehrerbietigst.
Ich Felix grüße euch in Demut und Liebe.
Ich Bischof Berthramn grüße euch in Demut und Ergebenheit."(2)
