33. Wie Ingotrude zu Childebert ging
In diesen Tagen begab sich Jngotrude,(4) die das Kloster im Vorhofe des heiligen Martinus gegründet hatte, zum Könige, um ihre Tochter zu verklagen. In diesem Kloster lebte auch Bertheflede, weiland König Chariberts Tochter; als nun jene S. 53 das Kloster verließ, begab sie sich in das Gebiet von Le Mans. Denn sie war der Schlemmerei und dem Schlafe sehr ergeben und kümmerte sich wenig um den Gottesdienst.
Die Händel aber, die Jngotrude mit ihrer Tochter hatte, muß ich doch von Anfang an erzählen. Vor Jahren, als Jngotrude das Nonnenkloster im Vorhofe des heiligen Martinus, von dem eben die Rede war, gegründet hatte, ließ sie ihrer Tochter sagen: „Verlasse deinen Mann und komme zu mir, daß ich dich zur Äbtissin der Schar mache, die ich hier versammelt habe." Jene hörte auf den Rat, den ihr die Leichtfertigkeit gab, und kam mit ihrem Manne nach Tours, dann begab sie sich in das Kloster ihrer Mutter und sagte zu ihrem Manne: „Kehre nun heim und sorge für unsren Hausstand und unsere Kinder, denn ich werde mit dir nicht wieder zurückziehen. Der wird das Reich Gottes nicht sehen, der sich in der Ehe bindet." Der Mann aber kam zu mir und berichtete mir alles, was er von seinem Weibe vernommen hatte. Da begab ich mich in das Kloster und las ihnen die Vorschriften des Concils von Nicäa(1) vor, in denen es heißt: „Wenn eine Frau ihren Mann verläßt und eine Ehe verschmäht, in der sie glücklich gelebt hat, weil sie behauptet, wer sich in der Ehe bindet, könne nicht der himmlischen Herrlichkeit teilhaftig werden, so soll sie verflucht sein." Als Berthegunde(2) dies vernahm, geriet sie in Furcht, sie möchte von den Bischöfen des Herrn von der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen werden, verließ das Kloster und kehrte mit ihrem Manne heim. Nach Verlauf aber von drei bis vier Jahren schickte ihre Mutter abermals zu ihr und bat sie zu ihr zu kommen. Und jene lud in Abwesenheit ihres Mannes von ihrer und seiner Habe auf ein Schiff, nahm einen ihrer Söhne mit sich und fuhr nach Tours. Da die Mutter S. 54 sie aber angesichts der Unnachgiebigkeit ihres Mannes nicht bei sich behalten konnte, da sie sonst eine Klage zu gewärtigen gehabt hätte, die durch ihr trugvolles Benehmen verschuldet gewesen wäre,(1) so schickte sie die Tochter zu deren Bruder, ihrem Sohne Bischof Berthramn von Bordeaux. Als nun ihr Mann die Sache verfolgte, sagte Berthramn: „Du hast sie ohne den Willen ihrer Eltern geheiratet, deshalb kann sie nicht als dein Weib gelten." Es waren aber ungefähr schon dreißig Jahre, seit sie sich verheiratet hatten. Ihr Mann kam darauf noch öfters nach der Stadt Bordeaux, aber der Bischof wollte sie ihm nicht ausliefern. Als nun König Gunthramn, wie wir im vorigen Buche erzählt haben, nach der Stadt Orleans kam,(2) erhob der Mann gegen den Bischof laut seine Beschwerden und sprach: „Du hast mir mein Weib samt ihrer Dienerschaft genommen, und treibst, was sich für einen Bischof nicht schickt, selbst mit ihren Mägden und sie mit deinen Dienern schmähliche Unzucht." Da geriet der König in Zorn und zwang den Bischof zu versprechen, er wolle sie ihrem Manne zurückgeben. „Sie ist meine Verwandte," sagte er, „und hat sie Übles im Hause ihres Mannes erlitten, so werde ich es rächen; ist dies nicht der Fall, warum wird dann dem Manne alle mögliche Niedertracht angetan und ihm sein Weib genommen?" Darauf gab Bischof Berthramn ihm sein Versprechen und sagte: „Meine Schwester kam zu mir nach langen Jahren, und ich habe sie aus Liebe und Zuneigung so lange bei mir behalten, als sie es wünschte. Jetzt aber hat sie mich verlassen. Möge er sie nun S. 55 suchen und bringen, wohin er will, ich werde ihm nicht im Wege sein." So sprach er und sandte im geheimen Boten an sie, die ihr sagen sollten, sie solle den Schleier nehmen, eine öffentliche Buße auf sich nehmen(1) und nach der Kirche des heiligen Martinus gehen, was sie auch unverzüglich tat. Darauf erschien ihr Mann, von vielen Leuten begleitet, um sie von der heiligen Stätte mit Gewalt fortzuführen. Sie hatte aber Nonnentracht angenommen, behauptete, sie habe eine öffentliche Buße auf sich genommen und wollte Ihrem Manne nicht folgen. Inzwischen starb zu Bordeaux Bischof Berthramn; da ging sie in sich und sprach: „Wehe mir, daß ich dem Rat meiner schlimmen Mutter gefolgt bin. Siehe, mein Bruder ist tot, von meinem Manne bin ich verlassen, von meinen Söhnen getrennt. Wohin soll ich Unglückliche nun mich wenden, oder was soll ich tun?" Darauf faßte sie den Entschluß, sich nach Poitiers zu begeben; die Mutter wollte sie zwar bei sich behalten, war aber dazu nicht imstande. Seitdem entsprang nun zwischen ihnen bittere Feindschaft, und sie begaben sich öfters zum Könige, indem, was die eine als das Eigentum ihres Vaters in Anspruch nahm, die andere als das ihres Mannes verlangte.(2) Berthegunde brachte auch eine Schenkung ihres Bruders Berthramn vor und sprach: „Dies und das hat mein Bruder mir geschenkt." Aber ihre Mutter wollte die Schenkung nicht anerkennen und alles selbst an sich reißen. Sie schickte deshalb Leute ab, welche das S. 56 Haus ihrer Tochter erbrechen und ihr alle ihre Sachen samt der Schenkung nehmen sollten. Sie wußte sich in der Folge dessen selbst schuldig bekennen, da sie auf die Klage der Tochter genötigt wurde, ihr manche von den Sachen zurückzustellen. Als nun ich und mein Amtsbruder, Bischof Marovech(1) wiederholentlich durch königliche Briefe aufgefordert worden waren, den Frieden zwischen ihnen herzustellen, und Berthegunde nach Tours kam und vor Gericht erschien, brachten wir sie auch, so weit uns dies möglich war, dazu sich an das Recht zu halten, die Mutter aber konnte zu keiner Nachgiebigkeit bewogen werden. Vielmehr begab sie sich im heftigsten Zorne zum Könige, um ihre Tochter von ihrem väterlichen Erbe auszuschließen. Und als sie vor dem Könige in Abwesenheit ihrer Tochter ihre Sache vorgebracht hatte, fiel das Urteil dahin aus: den vierten Teil habe sie ihrer Tochter zurückzuerstatten, die drei ändern aber sollte sie mit ihren Enkeln, die sie von einem ändern Sohne hatte, erhalten. In dieser Sache wurde der Priester Theuthar, der, früher König Sigiberts Referendar,(2) kürzlich erst in den geistlichen Stand getreten war und die Priesterweihe erhalten hatte, abgesandt und erschien, um nach dem Willen des Königs die Teilung vorzunehmen. Aber die Tochter wollte sich nicht fügen; es unterblieb deshalb die Teilung und das Ärgernis nahm kein Ende(3)
