21. Von der Mildtätigkeit und Herzensgüte des Königs
Der König aber, wie wir schon erwähnten, war groß im Almosengeben, willig zum Gebet und Fasten. Es wurde dazumal bekannt, daß Marseille von der Drüsenpest(2) schwer heimgesucht wurde,und diese Krankheit sich schnell bis zu einem Dorfe, mit Namen Octavus(3) im Gebiet von Lyon, ausgebreitet hatte. Deshalb bedachte der König, gleichwie ein guter Priester, die Mittel, durch welche die Leiden des sündigen Volkes geheilt werden könnten, und befahl allem Volk, sich in der Kirche zu versammeln und mit der größten Andacht Bittgebete abzuhalten; er gebot allen, nichts andres als Gerstenbrot und reines Wasser zu genießen und unablässig bei den Vigilien zugegen zu sein. Und dies wurde auch damals gehalten. Drei Tage hindurch, während seine Almosen noch reichlicher flössen als gewöhnlich, bangte er so im Gebet für sein Volk, daß man ihn damals nicht für einen König allein, S. 40 sondern für einen Bischof des Herrn hätte halten können. Er setzte alle seine Hoffnung auf das Erbarmen des Herrn und warf die Gedanken, die in ihm aufstiegen, auf Gott, von dem sie, wie er von ganzem Herzen glaubte, zu einem guten Ende hinausgeführt werden würden.
Es erzählten(1) auch die Gläubigen allgemein, daß ein Weib, dessen Sohn vom viertägigen Fieber geplagt wurde und auf seinem Bette schwer darniederlag, sich in dem Gedränge des Volks dem König von hinten genähert und heimlich einige Fransen von seinem Königsmantel abgerissen habe; die habe sie dann in Wasser gelegt, ihrem Sohne davon zu trinken gegeben und sofort, als er seinen Durst gestillt, sei er geheilt worden. Ich meinerseits setze hierein keinen Zweifel, da ich öfters gehört habe, wie böse Geister in Besessenen seinen Namen anriefen und, da seine Wunderkraft sie erkannte, ihre Freveltaten gestanden.
