Zweiter Artikel. Das Dasein Gottes ist beweisbar.
a) Dies scheint falsch zu sein: I. weil es ein Glaubensartikel ist, daß Gott existiere; und somit wird jeglicher Beweis davon nicht nur überflüssig, sonbern unmöglich. Denn jeder Beweis bewirkt ein Wissen, läßt also das Bewiesene schauen; „der Glaube aber hat zum Gegenstande das nicht Erscheinende, also nicht zu Schauende,“ wie Paulus sagt (Hebr. 11.); II. weil weder ein Beweis a priori noch a posteriori möglich ist; nicht a priori, weil das „Wesen“ Gottes uns unbekannt ist, also daraus keineswegs das „Dasein“ erschlossen werden kann; — nicht a posteriori, weil zwischen Gott und den Geschöpfen gar keine Proportion besteht, denn Gott ist unendlich, das Geschöpf aber endlich; zwischen Endlichem und Unendlichem ist aber keine Proportion vorhanden, so daß etwa aus dem ersteren das letztere erschlossen werden könnte. Auf der anderen Seite sagt Paulus (Röm. 1.): „Das Unsichtbare Gottes wird durch das, was geschaffen worden ist, als existierend der Vernunft erschlossen.“ Dies wäre aber unrichtig, wenn die Geschöpfe nicht einmal das allererste, was überhaupt an Gott erkannt werden kann, nämlich sein Dasein darthäten.
b) Ich antworte, daß es eine doppelte Art Beweisführung giebt; nämlich eine a priori, welche vom propter quid eines Seins, also von der Kenntnis seines inneren Wesens ausgeht; und eine andere a posteriori, oder eine demonstratio quia, welche von dem ausgeht, was für uns klarer und deshalb früher ist; nämlich von den Wirkungen eines Seins. Denn wenn in einem Falle die Wirkung für uns klarer und bekannter vorliegt, als die wirkende Ursache derselben, so gehen wir von der Wirkung her zur Kenntnis der betreffenden Ursache vor. Aus jeder Wirkung aber wird vorausgesetzt daß die Wirkung uns bekannter sei als die Existenz dieser Ursache, bewiesen, daß eine eigene Ursache dafür existiert, und zwar aus dem Grunde, weil die Wirkungen von der Ursache abhängen und somit ist einmal eine Wirkung da, die Ursache davon vorher existieren muß. Also ist Gottes Dasein für uns erweisbar durch die Wirkungen, da sein Wesen uns unbekannt ist und somit ein Beweis a priori von vornherein ausgeschlossen erscheint.
c) I. Auf den ersten Einwand ist einfach zu erwidern, daß Gottes Dasein und anderes Derartige, wo die menschliche Vernunft zur Kenntnisnahme genügt, wie Rom. I. sagt, gar kein Glaubensartikel ist, sondern eine Voraussetzung für den Glauben, ein praeambulum fidei. So nämlich setzt der Glaube die natürliche Kenntnis voraus, wie der Einfluß der Gnade die Natur und im allgemeinen die Vollendung das zu Vollendende, das nämlich, was der Vervollkommnung untersteht. Nichts aber hindert es zudem, daß dasjenige, was an sich beweisbar ist und demnach Gegenstand des eigentlichen Wissens oder Schauens, zugleich von gewissen Menschen als Gegenstand des Glaubens betrachtet werde, welche nämlich den wissenschaftlichen Beweis nicht zu fassen vermögen. II. Daß ein Beweis a priori hier der Natur der Sache nach nicht statthaben kann, ist bereits gesagt. Bei den Beweisen a posteriori oder aus den Wirkungen aber dient als Beweisgrund nicht zwar das innere Wesen; anstatt des Wesens oder der Begriffsbestimmung jedoch die Wirkung, wenn es gilt zu beweisen, daß die Ursache Existenz habe. Denn um zu beweisen, daß etwas existiere, muß ich zuvörderst als Beweismittel gebrauchen, was der Name bezeichnet; da ich erst erkennen muß, nach wessen Existenz überhaupt gefragt wird, ehe ich nachforsche, was für ein inneres Wesen es besitze. Namen aber werden Gott beigelegt aus dem, was Er gewirkt, wie später noch ausführlich gezeigt werden wird (Kap. 10). Also genügt es, um aus den Wirkungen das Dasein Gottes zu beweisen, daß ich als das Bekanntere, aus dem ich durch logischen Schluß das wenige Bekannte erschließe, daß ich somit als allgemeineren Beweisgrund nehme, was der Name Gott bezeichnet. Die Proportion aber der Ursache mit der Wirkung ist hier gar nicht verlangt, da ich nicht aus dem Grade der Vollkommenheit der letzteren das innere Wesen der Ursache erkennen will; sondern nur deren Existenz. Dazu genügt jedoch eine einzige wie auch immer beschaffene Ursache.
