Erster Artikel. Das Bedürfnis aller Kreaturen, von Gott im Sein erhalten zu werden.
a) Ein derartiges Bedürfnis scheint in solcher Allgemeinheit nicht behauptet werden zu können. Denn: I. Was unfähig ist, nicht zu sein, bedarf nicht einer es im Sein bewahrenden Kraft; wie ein Ding, das sich nicht entfernen kann, keiner Kraft bedarf, die es festhält. Nun giebt es aber Kreaturen, welche ihrer Natur nach unfähig sind, nicht zu sein; sie können nicht nicht sein. Das wird bewiesen. Was mit dem Wesen eines Dinges verbunden ist, das ist notwendig da; und das Gegenteil davon kann nicht da sein; wie z. B. es notwendig ist, daß die Zweizahl eine gleiche und unmöglich, daß sie eine ungleiche sei. Nun folgt aber das Sein an und für sich der Wesensform, denn jegliches Ding hat demgemäß thatsächliches Sein, daß es eine Wesensform hat. Es giebt jedoch Kreaturen, die nur Wesensformen sind, wie die Engel; es giebt andere, wenn auch stoffliche Wesen, in denen kein Vermögen existiert für eine andere Wesensform als jene, die sie haben, wie die Himmelskörper. Derartige Kreaturen also sind ihrer Natur nach notwendig und können nicht nicht sein. Denn das Vermögen, nicht zu sein, kann seine Grundlage haben weder in der Wesensform, der ja an und für sich ohne weiteres das Sein folgt; noch im Stoffe, der seine Form nicht verlieren kann, da er kein Vermögen hat für eine andere Form. Also besteht in diesen Kreaturen wenigstens, von ihrer Natur aus, kein Vermögen nicht zu sein. Also bedürfen zum mindesten sie keiner das Sein erhaltenden und bewahrenden Kraft. II. Hört der Einfluß des Baumeisters auf, so bleibt doch das Haus; nach dem Einwirken des Feuers bleibt das Wasser noch eine Zeit lang warm; und so bei vielen geschöpflichen Ursachen. Gott aber ist eine bei weitem machtigere Ursache. Also kann Er seiner Kreatur es mitteilen, daß sie im Sein beharrt, wenn auch seine einwirkende Kraft sich zurückgezogen hat. III. Nichts was Zwang einschließt kann einem Dinge begegnen, ohne daß eine wirkende Ursache dafür bestände. Zum Nichts aber streben, das ist unnatürlich und schließt Zwang ein für jede Kreatur; da jede Kreatur gemäß ihrer Natur danach strebt, zu sein. Also keine Kreatur kann zum Nichts sinken, außer wenn eine Ursache von außen zur Auflösung treibt. Keine Ursache aber kann darauf einwirken, daß die Himmelskörper oder die Engelsubstanzen sich auflösen. Also diese Kreaturen können nicht zum Nichts streben, auch wenn die wirkende Kraft Gottes sich zurückzieht. IV. Wenn Gott die Dinge im Sein bewahrt, so kann dies nur vermittelst einer Thätigkeit geschehen. Jeglicher Thätigkeit aber folgt eine Wirkung. Der bewahrenden Thätigkeit Gottes also muß in den Kreaturen irgend etwas als gewirkt entsprechen. Das scheint aber nicht. Denn diese Kraft, welche das Sein bewahren soll, giebt nicht das Sein; da, was schon da ist, nicht gegeben zu werden braucht; sie fügt auch nichts zum kreatürlichen Sein hinzu, sonst würde die Kreatur entweder nicht in jedem Augenblicke fortfahren zu sein oder es würde zum Sein der Kreatur fortwährend etwas hinzugefügt; was unzukömmlich ist. Auf der anderen Seite heißt es Hebr. 1.: „Der da Alles trägt mit dem Worte seiner Kraft.“
b) Ich antworte: Sowohl nach der Vernunft wie nach dem Glauben muß man sagen, daß Gott alle Dinge im Sein erhalte. Er wird nämlich etwas in doppelter Weise von einem anderen bewahrt oder erhalten: 1. mittelbar oder indirekt. So sagt man von jenem, er bewahre ein Ding, der da verhütet, daß es verdirbt oder vergeht; z. B. wenn jemand ein Kind behütet, daß es nicht ins Feuer falle, bewahrt er es. Auf diese Weise bewahrt Gott viele Dinge im Sein, aber nicht alle. Denn es giebt Dinge, wie die Engel und die Himmelskörper, denen keine verderbenden Ursachen gegenüberstehen und die deshalb vor denselben auch nicht bewahrt zu werden brauchen. Dann wird 2. ein Wesen direkt und unmittelbar bewahrt; wann nämlich das, was bewahrt wird, so vom Bewahrenden abhängt, daß es ohne den letzteren gar nicht sein kann. Und nach dieser Seite hin bedürfen alle Kreaturen dessen, daß sie von Gott im Sein erhalten werden. Denn das Sein jeder beliebigen Kreatur hängt von Gott ab, so zwar, daß letztere auch nicht für einen Augenblick bestehen, sondern zu Nichts werden müßte; wenn Gott sie nicht im Sein bewahrte, wie Gregor der Große sagt. (16. moral. cap. 16.) Und das kann folgendermaßen deutlich gemacht werden. Jede Wirkung nämlich hängt ab von ihrer Ursache, soweit diese als Ursache einwirkt. Dabei ist jedoch zu erwägen, daß manche Ursache nur insoweit Ursache ist als die Wirkung im Werden sich befindet; und nicht an und für sich insoweit die Wirkung Sein hat. Das sehen wir sowohl in der Natur wie in der Kunst. Denn der Baumeister ist Ursache des Hauses, insoweit dieses wird; nicht genau genommen, soweit es ist. Es ist nämlich offenbar, daß das Sein des Hauses der Form des Hauses folgt; diese Form aber ist die Zusammensetzung und die Ordnung, und diese Form hängt ab von der natürlichen Kraft gewisser Dinge. Denn wie der Koch die Speise dadurch zubereitet, daß er eine Naturkraft gebraucht, das Feuer; so macht der Baumeister das Haus dadurch, daß er Steine, Holz, Kalk u. dgl. gebraucht, Dinge also, die da ihrer eigenen Natur nach eine solche Ordnung und eine solche Zusammensetzung tragen können. Von den Naturen dieser Dinge hängt das Sein des Hauses ab; vom Baumeister und seiner Thätigkeit das Werden desselben. Dieselbe Erwägung können wir in der Natur machen. Denn wenn eine wirkende Ursache nicht die Ursache der Wesensform als einer solchen ist, so wird sie auch für sich allein nicht die Ursache des Seins bilden, welches einer solchen Form folgt; sondern sie wird die Ursache dafür sein, daß ein Ding wird. Nun ist es aber offenbar, daß, wenn zwei Dinge ein und derselben Gattung angehören, das eine im anderen und für sich die Gattungsform keineswegs verursachen kann; da ja in diesem Falle es auch die Ursache der eigenen Form wäre, gilt doch ein und dasselbe Verursachen beiden; und somit würde es zugleich sich selbst das Sein verleihen, also es wäre, bevor es sein würde (es wäre nämlich als Ursache und zugleich wäre es nicht, insoweit es als Wirkung betrachtet wirb). Wohl aber kann das eine innerhalb derselben Gattung die Ursache des anderen sein, soweit die Wesensform im Stoffe ist, also soweit dieser bestimmte Stoff die bestimmte Form erlangt; und das heißt Ursache sein, daß etwas wird. So zeugt der eine Mensch den anderen und das eine Feuer das andere; nicht als ob die Wesensform „Mensch“, „Feuer“ als etwas Gewirktes dem Einwirken des einzelnen Menschen und des einzelnen Feuers an und für sich entspräche, da würde ja der Mensch, das Feuer sich selbst erzeugen, insofern es als wirkendes ein und dieselbe Wesensform hat wie das erzeugte; — das also nicht. Aber der einzelne Mensch, das einzelne Feuer wirkt dahin, daß der bestimmte einzelne Stoff vorbereitet wird, um dann von anderen mit diesen verbundenen höheren Ursachen die allgemeine Wesensform selber zu erhalten. Daß der Stoff somit etwas bestimmtes wird, kommt vom Menschen, vom Feuer, das Werden also; nicht aber, daß er etwas in Wirklichkeit ist, das Sein; — ein erhöhtes Vermögen ist die unmittelbare Folge des einzelnen Einwirkens, nicht das wirkliche Sein selbst. Wenn deshalb die der Natur des Einwirkenden angemessene Wirkung geeignet oder vermögend erscheint, gemäß dem erhaltenen Eindrucke dieselbe Wesensform (aber von anderer Seite her) zu empfangen wie sie der Einwirkende in sich hat, dann hängt im allgemeinen das Werden vom Einwirkenden ab, nicht das Sein selber. Ist aber die Wirkung nicht vermögend oder geeignet, das gleiche dem Wesen nach zu sein wie die Ursache, wie das z. B. bei allen Himmelskörpern der Fall ist, die da durch ihre bloße Bewegung Ursache sind für die Zusammensetzung der niedrigen Körper, mit denen sie im Wesen nicht übereinkommen; so kann einer derartigen Ursache an und für sich die Wesensform als solche folgen und nicht bloß gemäß dem, daß der Stoff sie erlangt und dadurch etwas wird. Und deshalb ist eine solche Form Ursache des Seins und nicht bloß des Werdens. Sowie nun also das Werden eines Dinges nicht sich weiter vollziehen kann, wenn die Thätigkeit aufhört, welche das Werden verursacht; so kann auch das Sein nicht bleiben, wenn die Thätigkeit aufhört, welche die Ursache bildet nicht bloß für das Werden, sondern auch für das Sein. Und hier liegt der Grund, weshalb das Wasser noch warm bleibt, wenn der Einfluß des Feuers bereits aufgehört hat; die Luft aber bleibt auch nicht mehr einen Augenblick erleuchtet, wenn der Einfluß der Sonne aufhört. Denn das Wasser ist ein Stoff, welcher die Thätigkeit des Feuers so aufnimmt, daß es selber geeignet oder vermögend wird, in der Weise warm zu sein, wie das Feuer es ist; also das gleiche Wesen zu haben wie die wirkende Ursache. Wenn es sonach im diesbezüglichen Werden nicht behindert wird, d. h. wenn das Feuer fortfährt einzuwirken, so wird das Wasser dann immer die Wärme behalten. Nimmt es aber nur unvollkommen teil an der Wärme, d. h. an der Form des Feuers, gemäß einem gewissen Beginne nämlich, so hört das weitere Warmwerden mit der Entziehung der wirkenden Kraft des Feuers wohl auf, aber die mitgeteilte Wärme bleibt einige Zeit, da sie ja dieselbe Natur hat wie die Wärme des Feuers, weil, wenn auch in schwacher Weise, es das Princip in sich hat, daran Anteil nehmen lassen. Die Luft aber ist in keiner Weise geeignet, das Licht gemäß demselben Wesen in sich aufzunehmen wie es in der Sonne ist; daß sie nämlich die Wesensform der Sonne als des Princips des Lichts in sich aufnehme. Weil deshalb das Licht keine Wurzel hat in der Luft selber, deshalb hört es im Augenblicke auf, wenn die Sonne aufhört zu wirken. So nun verhält sich jede Kreatur zu Gott, wie die Luft zur Sonne, die erleuchtet. Denn wie die Sonne kraft ihres Wesens leuchtend ist, die Luft aber leuchtend wird; nur insoweit sie das Licht von der Sonne mitgeteilt erhält, nicht aber zur Natur oder zum Wesen der Sonne wird, so ist Gott allein kraft seines Wesens wirkliches Sein. Jede Kreatur aber ist etwas nur insoweit, als sie von Gott Sein mitgeteilt erhält, und niemals wird ihr Wesen selber Sein. Und deshalb sagt Augustin (4. sup. Gen. ad litt. 12.): „Wenn die Kraft Gottes sich einmal von der Leitung der Dinge, die geschaffen sind, zurückziehen würde, so würde zugleich all ihre Form und Natur zusammenfallen“ und (l. c. 8. c. 12.): „Wie die Luft durch die Gegenwart der Sonne leuchtend wird, so wird der Mensch durch die Gegenwart Gottes in sich selber erleuchtet; und er wird im Augenblicke dunkel, da Gott sich entfernt.“
c) I. Das Sein folgt an und für sich allerdings der kreatürlichen Form, vorausgesetzt nämlich den Einfluß Gottes; wie das Licht dem Durchscheinenden der Luft folgt, vorausgesetzt den Einfluß des Lichtes. Das Vermögen also für das Nichtsein in den Engeln und in den Himmelskörpern ist vielmehr in Gott, der seine wirkende Kraft den Kreaturen entziehen kann, wie in der Form oder im Stoffe solcher Kreaturen. II. Gott kann keiner Kreatur mitteilen, daß sie ohne seine wirkende Kraft im Sein verbleibe; wie Er es keiner mitteilen kann, daß sie sei ohne seine Ursächlichkeit. Insoweit nämlich bedarf etwas, um im Sein zu verbleiben, der bewahrenden Kraft Gottes, inwieweit das Sein der Wirkung abhängt von der Ursache des Seins. Es besteht also keine Analogie mit jener wirkenden Ursache, der an und für sich bloß ein Werden folgt und nicht ein Sein. III. Der Einwurf betrifft jenes Bewahren, welches im Entfernen des verderbenden Einflusses besteht; ein solches Bewahren haben manche Wesen nicht nötig. (Vgl. oben über das indirekte Bewahren.) IV. Das Bewahren von seiten Gottes verursacht kein neues Sein und ist keine neue Thätigkeit. Es ist ein und dieselbe Thätigkeit wie jene, von der das Sein kommt; und diese Thätigkeit ist ohne Bewegung und Zeitdauer. Ähnlich ist die Ursache davon, daß die Luft erleuchtet bleibt, der eine fortgesetzte Einfluß der Sonne.
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