Erster Artikel. Das Bild Gottes ist im Menschen.
a) Das scheint nicht. Denn: I. Isaias (40, 18.): „Wem wollt ihr Gott ähnlich machen oder welches Bild soll Ihn darstellen?“ II. Nur der Eingeborene ist Gottes Bild; wie Koloss. 1, 15. es heißt: „Der das Bild Gottes ist, der Erstgeborene aller Kreatur.“ III. Hilarius (de syn. 1.) sagt: „Ein Bild ist die noch weiter bestimmbare Form dessen, nach dem es geformt ist;“ und später: „Ein Bild ist die in sich einige und ununterschiedene Ähnlichkeit eines Dinges und giebt demgemäß etwas Anderes in entsprechender Gleichheit wieder.“ Gott aber und dem Menschen ist keine weiter bestimmbare Form gemeinsam; und ebenso ist keinerlei Gleichheit zwischen Gott und dem Menschen. Also ist im Menschen kein Bild Gottes. Auf der anderen Seite steht die Genesis 1, 26.
b) Ich antworte, daß, wie Augustin sagt (83. Qq. qu. 74), wo ein Bild ist, da auch Ähnlichkeit sich finde; wo aber Ähnlichkeit, da ist nicht allsobald auch ein Bild. Daraus geht hervor, daß die Ähnlichkeit zur Natur des Bildes gehört; und daß das „Bild“ etwas zur Ähnlichkeit hinzufügt, nämlich die Eigentümlichkeit daß von einem anderen aus dasselbe eingeprägt worden. Denn „Bild“ wird etwas genannt aus dem Grunde, weil es auf die Ähnlichkeit von etwas Anderem sich richtet weil es und von diesem ausgeht, dem es ähnlich ist. Deshalb mag ein Ei immerhin dem anderen Ei ähnlich und sogar gleich sein; es ist kein Bild des anderen, weil es nicht von diesem ausgegangen ist. Gleichheit aber gehört nicht zur Natur des Bildes; „denn,“ sagt Augustin, „wo ein Bild ist, da ist nicht damit zugleich Gleichheit gegeben, wie das offenbar ist bei demjenigen, dessen Bild der Spiegel wiederstrahlt.“ Jedoch zum Wesen eines vollkommenen Bildes gehört Gleichheit, denn im vollkommenen Bilde fehlt nichts, was dem innewohnt, von dem es ausgeht. Offenbar nun besteht im Menschen eine Ähnlichkeit mit Gott; und diese Ähnlichkeit leitet sich von Gott ab als von der Exemplaridee. Da jedoch das Urbild das nach ihm Gebildete unendlich überragt, so ist diese Ähnlichkeit keine Gleichheit. Und deshalb ist im Menschen ein unvollkommenes Bild Gottes. Das drückt auch die Schrift aus, wenn sie sagt, der Mensch sei nach dem Bilde Gottes gemacht, nämlich zum Bilde Gottes hin; wie zu etwas Entferntem hin.
c) 1. Der Prophet spricht von körperlichen Bildern, die der Mensch herstellt. Deshalb sagt er: „Welches Bild werdet ihr Ihm machen?“ Das geistige Bild im Menschen aber hat Gott selber eingezeichnet. II. Das vollkommene Bild Gottes ist der Eingeborene. Er wird deshalb schlechthin „das Bild“ genannt und nicht von Ihm gesagt „nach dem Bilde“. Der Mensch aber ist gemäß der Ähnlichkeit mit Gott ein Bild Gottes; und wegen der Unvollkommenheit, die ihn begleitet, ist er „nach dem Bilde Gottes“ nur. Und weil die vollkommene Ähnlichkeit mit Gott die Einheit in der Natur in sich einschließt; deshalb ist das Bild Gottes im Eingeborenen wie das Bild des Königs im Sohne, der mit diesem die gleiche Natur hat. Im Menschen aber ist das Bild Gottes wie in einer fremden Natur; etwa wie das Bild des Königs auf der Silbermünze. (Vgl. Aug. de decem cordis cap. 6.) III. Da das Eine dasselbe ist wie das Sein, insoweit dieses ungeteilt ist, so wird in eben dem Sinne eine Form „bestimmbar“ genannt, in welchem sie Einheit hat. Einheit aber wird von etwas ausgesagt nicht nur der Zahl oder der Gattung oder der Seinsart nach, sondern auch gemäß einem gewissen Verhältnisse oder einer gewissen Analogie; und so ist eine Einheit oder etwas Übereinkommendes zwischen Gott und der Kreatur. Was aber Hilarius von der Gleichheit sagt, das gilt vom vollkommenen Bilde Gottes.
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