Dreiundvierzigstes Kapitel. Die Sendung der drei göttlichen Personen. Überleitung.
„Wenn jemand mir dient, so wird ihn mein Vater ehren, der im Himmel ist.“ (Ioh. 12, 16.) Wie dienen wir Christo? „Wie die Augen der Magd auf die Hände ihrer Herrin gerichtet sind, so seien unsere Augen auf den Herrn gerichtet, bis Er Sich unser erbarme.“ (Ps. 122.) Dann dient der Knecht wahrhaft seinem Herrn, wenn das Wort des Herrn den einzig bestimmenden Grund seiner einzelnen Handlungen bildet. Kann der Knecht auf die Frage, warum er gerade dies thue und nichts Anderes, gerade hier sei und nicht dort, einfach antworten, weil so mein Herr es will und sucht er nicht nach anderen LX. Gründen, so ist er wahrhaft in dem, was er thut, der folgsame Knecht seines Herrn. So lehrte uns Christus durch sein Beispiel. „Meine Speise ist es, den Willen meines himmlischen Vaters zu thun.“ Zur Herrschaft über die ganze Erde war Er berufen; — und arm lag Er in der Krippe. Noch ärmer war Er in seinem übrigen Leben: „Die Vögel haben ihre Nester, die Füchse ihre Höhlen; aber der Menschensohn hat nicht, wohin Er das Haupt legen soll.“ Nackt hing Er am Kreuze. Mit Weisheit sollte Er die durstende Menschenseele anfüllen; — und gleich einem Thoren ward Er verspottet. Der Urheber neuen, reichen Lebens sollte Er sein; — und der schimpfliche Kreuzestod beendete seine irdische Laufbahn. Da war kein anderer Grund, um solche Armut freiwillig zu übernehmen, solcher Thorheit sich auszusetzen und all seine Macht dahin zu benutzen, daß Er seine Seele, sein Leben einsetzte; wie jener, der in den Worten liegt: „Was mein Vater will, das thue ich immer.“ Deshalb wird uns der Vater selber ehren, wenn wir seinem Eingeborenen in ähnlicher Weise dienen; wenn wir im einzelnen nicht handeln, wie die im Geschöpflichen liegenden und offenbaren Gründe einladen, sondern Ihn, den Herrn, sein Beispiel, sein Wort als den allein genügenden Grund dafür ansehen, daß wir dies thun und nicht jenes, hier sind und nicht dort. Denn durch den Herrn spricht der Vater. „Er hat seinen eingeborenen Sohn dahingegeben. Er hat Ihn auf die Erde gesandt, damit jeder, der an Ihn glaubt, nicht zu Grunde gehe, sondern das ewige Leben habe.“ Und der Sohn hat kraft des Vaters „den heiligen Geist gesandt, damit wir wieder Ihn, den Sohn selber, lieben, sein Wort halten“ und „daß der Vater uns liebe und so der Vater, der Sohn und der heilige Geist zu uns komme und Wohnung in uns nehme.“ Daß doch die heilige Wissenschaft alle jene Mittelwesen zwischen Gott und dem Geschöpfe verwerfe, welche nichts Schöpferisches und nichts Geschöpfliches an sich haben oder besser halb Gott halb Kreatur, halb Fisch halb Fleisch sind. Nur einen Mittler hat unsere Seele zu Gott. Und dieser eine, der glorreiche und in Ewigkeit gebenedeite Erlöser, ist deshalb gerade unser wahrer Mittler, weil Er uns nach allen Seiten hin zeigt, wir seien von uns aus nichts; nur Gottes Bestimmung, nur Gottes Einwirken bringe uns Sein, Leben, Seligkeit. Gerade weil die heilige göttliche Wissenschaft anderen Mittelwesen nicht selten einen Platz einräumt, wie z. B. einem zwitterhaften Mittelwissen, welches vermitteln soll zwischen der geschöpflichen freien Thätigkeit und der schöpferischen Einwirkung, gerät sie in Schwierigkeiten, Zweifel, Widersprüche, welche am Ende aus der Theologie nur eine Menge abstrakter Formeln und Einteilungen machen und sie dem vollen praktischen Leben entziehen. Aus ihnen rettet schließlich kein anderer Ausweg, wie der volle Verzicht auf all diese wesenlosen Schatten. Zwischen Gott und dem Nichts vermittelt nur die göttliche Macht und Güte; zwischen der Thatsächlichkeit Gottes und dem wahrhaft frei geschöpflichen Wirken vermittelt nur das Geschenk der Liebe, der heilige Geist. Und daß nichts Anderes da vermittelt, das zeigt der Tod Jesu; und deshalb ist Jesus unser sichtbarer Mittler. Zu diesen wesenlosen Schatten, welche vermitteln sollen und doch nur verfinstern, gehört auch die „vermittelnde“ Annahme, die menschliche Natur sei erst in sich selber erhöht worden, damit sie überhaupt fähig werde, Gott wie Er ist zu schauen. Wir haben bereits im zwölften Kapitel darauf hingewiesen, wie Thomas keine sogenannte „Übernatur“ kennt, sondern nur „Übernatürliches“; nicht eine Erhebung des Menschen, als ob seine Substanz erhoben worden wäre, sondern weil seiner Natur Mittel, nämlich Vermögen und Eigenschaften gegeben worden sind, um das „natürliche“ Verlangen der Vernunft, kraft dessen sie den letzten Grund zu schauen begehrt, kraft der Gnade zu erfüllen. Nicht auf einer Übernatur baut sich die Gnade auf, nicht auf einer bloßen Annahme der Vernunft; sondern die Natur, wie sie Gott gebildet, mit ihrer Vernunft, mit ihrem von allen beschränkten Gütern losgelösten freien Willen, wird durch die Gnade mit dem Dreieinigen verbunden und vermittelst der menschlichen Natur dann die ganze sichtbare Natur. Also ist die Gnade ein natürliches Geschenk Gottes? Die menschliche Natur verlangt sie, um ihrem Zwecke nachzustreben? Muß Gott sie geben als Urheber der Natur; weil Er doch nicht die Natur lassen kann, ohne ihr die Mittel zu verleihen zur Erreichung ihres natürlichen Zweckes?! Weit entfernt! Wie wenig doch der Mensch sich damit befreunden kann, daß er aus dem Nichts ist und daß er sein Nichts immerdar mit sich herumträgt! Gerade die menschliche Natur ist es — und das geben alle zu — unter allen sichtbaren Kreaturen, die von sich aus, von ihrer Natur aus auf keinen einzelnen bestimmten Zweck hin gerichtet ist. Gerade „sie schaut nach oben und nach unten, nach rechts und links; und siehe da: Nirgends findet sie Hilfe“. Nirgends begegnet ihr ein einzelnes Wesen, in deren Besitz sie notwendig ihre endliche „Vollendung“ fände. Sie kann ja ihre Vollendung nur erhalten gemäß der Vernunft. Diese Vernunft aber ist wesentlich Forschen nach dem Grunde. Vom Einzelnen, vom Wirklichen nun als solchen, was allein vollenden kann, kennt sie keinen Grund. Nur soweit das Allgemeine, Indifferente reicht, erfaßt die Vernunft Gründe. Die menschliche Natur besagt es eben ihrem Wesen nach; daß sie von sich aus ihre endliche Vollendung gar nicht fordern kann. Sie hat kraft ihrer Vernunft das natürliche Verlangen, den Grund von allem zu erkennen und ist erst dann ruhig, wenn der ausreichende Grund von etwas ihr klar ist. Gerade aber darauf, vom Einzelnen als Einzelnen, also vom schließlich Maßgebenden, den ausreichenden Grund zu wissen, hat sie als geschöpfliche, hat sie der Natur nach keinen Anspruch. Sie hat also auf ihre schließliche Ruhe und Seligkeit eben kraft ihrer Natur gar keinen Anspruch. So hoch die menschliche Natur steigen mag, immer behält sie auf diesem Pilgerwege die Fähigkeit zu fallen. Und sie fällt thatsächlich mit Notwendigkeit von ihrer Vollendung ab, wenn der „Herr nicht mit seiner Hand sie stützt“; sowie jedes Sein ohne den Beistand Gottes zum Nichts fällt. Hat deshalb der Mensch nach seiner Natur keinen Endzweck? Gewiß hat er einen und zwar hat er gerade kraft seiner Natur, die zu keinem beschränkten einzelnen Gute im Bereiche der Natur in notwendiger Beziehung steht, aus sich heraus einen über alle Natur erhabenen. Und da als über alle Natur erhaben nur der Dreieinige dasteht, so ist notwendig mit der menschlichen Natur der Dreieinige als einzig möglicher Zweck gegeben. Aber ebenso notwendig besagt die menschliche Natur, daß sie weder diesen ihren Zweck aus sich heraus erkennen noch ihn wollen kann. Sie kann ihn nicht erkennen; denn dieser Zweck ist die einzelne Wirklichkeit dem Wesen nach, d. h. die einzelne Wirklichkeit, die in sich allein ihren Grund, ihr Princip hat. Die natürliche Vernunft aber weist es von sich ab, vom Einzelnen als Einzelnem den Grund zu erkennen. Sie erkennt das Einzelne nur kraft der Sinne, also insoweit als etwas Grundloses; und deshalb erkennt sie es vernünftigerweise nur insoweit das Einzelne im allgemeinen Wesen seinen Grund hat, d. h. sein kann und nicht sein kann; nicht aber insoweit es einen Grund hat, infolge dessen es so ist, daß es zugleich nicht nicht sein kann. Der natürliche Wille weißt es ebenso von sich ab, den Endzweck der menschlichen Natur von sich aus zu wollen. Denn er kann nur bestimmt wollen, je nachdem die Vernunft erkennt; er kann nur wollen so, daß er zugleich auch nicht oder Anderes wollen kann. Ist mit der Thatsache, daß Gott eine Natur geschaffen, die nur Er als Dreieiniger schließlich beglücken kann, nun auch für den Dreieinigen die Verpflichtung gegeben, die menschliche Natur mit ihrem Zwecke zu verbinden? Dem widersteht die menschliche Natur selber. Dadurch daß sie mit Notwendigkeit in keinem beschränkten, in keinem natürlichen Gute ihren vollbefriedigenden Abschluß findet, trägt sie wohl in sich die Möglichkeit, in nichts Geschöpflichem zu ruhen, somit über sich selber erhoben zu werden. Aber sie hat nichts Positives in sich, um diese Möglichkeit von sich aus nach dem Dreieinigen hin zu richten; und somit von sich her diese Erhebung über sich selber hinaus zu veranlassen. Gott bleibt vollständig frei der menschlichen Natur gegenüber; und zwar eben liegt dies in der menschlichen Natur. Gerade daß in die menschliche Natur ein gewisses Etwas (was dies ist, können auch die Freunde der so verstandenen „Übernatur“ nicht bestimmen) gelegt worden sein soll, wonach sie über sich selbst als Natur eine Erhebung zum übernatürlichen Zwecke hin trüge, wonach sie also zuerst als Natur gegründet und dann zur „Übernatur“ erhoben wäre; — gerade dies steht der Freiheit Gottes und der Freiheit des Menschen schroff gegenüber. Denn dieses Etwas muß doch eben ein Positives sein; sonst diente es zu nichts. Dann aber liegt es positiv in jedem Menschen, daß er zum letzten Zwecke hinbezogen ist; und es geschieht ihm unrecht, wenn dafür nicht die nötigen Mittel gegeben werden; gerade so wie dem Steine an sich unrecht geschieht, wenn er nach oben geworfen wird. Ein Zwang wäre es für die menschliche Natur, infolge der in sie selber niedergelegten Erhebung, wenn ihr die Gnade nicht gegeben würde; denn sie neigt dann aus sich heraus, abgesehen im einzelnen Menschen vom Willen Gottes, ohne weiteres positiv zum übernatürlichen Zwecke. Es kann doch die so gewollte Erhebung nicht in die Absicht Gottes allein gelegt werden, daß Er zuerst die Natur gewollt hätte und darauf die Erhebung derselben zur Übernatur. Dies würde nichts Anderes bedeuten, wie eine Zusammensetzung und Veränderlichkeit in Gott, während doch, wenn auch in seinen Werken Veränderung ist, in Ihm stets der eine, reine, thatsächliche Ratschluß besteht. Daß aber auch thatsächlich mit dieser „Übernatur“ ein solcher positiver Anspruch auf den letzten Zweck, den Besitz des Dreieinigen, ausgesprochen werden soll; daß also damit die volle souveräne Freiheit Gottes in Sich selber gestört wird; geben auch die Freunde derselben, freilich nicht mit ausdrücklichen Worten, zu. Denn wozu bedürfen sie der Annahme einer solchen in die Menschennatur gelegten „Erhebung“? Gott soll vermittelst der „Mittel-Wissenschaft“ in den menschlichen Vermögen sehen, wozu diese sich von sich aus mit Rücksicht auf den Endzweck positiv in einzelnen Fällen bestimmen Werden und danach seine Entschließungen einrichten! Wir verwerfen alle diese Vermittlungen zwischen Gott und seinem Geschöpfe als der Ehre und der Güte Gottes zuwider und dem Besten, der Freiheit des Geschöpfes entgegen. Wir erkennen nur eine Vermittlung an zwischen Gott und dem Geschöpfe: Das Einwirken Gottes, durch welches das Geschöpf, je wie es beschaffen sein soll, Wesen, Sein, Thätigkeit, Freiheit, Selbständigkeit eben deshalb zu eigen bekommt, weil es von sich aus durchaus nichts ist und nichts bleibt. Wir sagen mit dem Engel der Schule ganz formell: „Denn obgleich der Mensch kraft seiner Natur zum letzten Endzwecke Beziehung hat (naturaliter inclinetur ad finem ultimum); so kann er diesen Endzweck nicht erreichen kraft der Natur, sondern allein durch die Gnade (non tamen potest consequi illum naturaliter, sed solum per gratiam); und zwar auf Grund der über alles hervorragenden Erhabenheit dieses Endzweckes“ (et hoc est propter eminentiam illius finis. In lib. Boëtii de Trinitate; qu. 6, »rt. 4, ad 5.). Man soll nur mit Thomas das wahrhafte Nichts der Kreatur anerkennen; und man wird nicht notwendig haben, auf Grund unhaltbarer Annahmen denselben „weiterzuführen“, d. h. zu verwerfen. Ist damit, daß die Natur des Menschen selber in der angegebenen Weise zum Zwecke hinneigt, insofern sie nämlich in nichts Beschränktem ihre Vollendung finden kann, eine Notwendigkeit für Gott gegeben, ihr sowie Er sie gemacht, nun auch in jedem Falle die Vollendung zu verleihen, respektive die Mittel dazu? Es ist bereits gesagt worden, die Natur des Menschen selber und in ihr alle Natur schließt dies aus. In keinem einzelnen Menschen ist etwas, was den Allmächtigen bestimmen könnte, ihm die Gnade, die Seligkeit zu geben; eben daß ein solches Moment in keinem Menschen liegt, das sagt die Natur. Nur jene Notwendigkeit besteht in Gott, vermittelst deren Er, vorausgesetzt daß Er einmal eine Pflanze will, ihr auch eine Wurzel, Fortpflanzungskraft, Leben geben muß; denn Er kann nicht eine Pflanze wollen und ihr die Natur der Pflanze verweigern. Nur also vorausgesetzt, daß Gott einen einzelnen Menschen ewig selig machen will; muß Er ihm die Gnade als Mittel dazu geben. Für keinen Menschen aber hat Gott notwendig zu wollen, daß er seine Herrlichkeit schaue. Ist damit der Mensch schlimmer gestellt, als die anderen Geschöpfe, die da, sich selbst überlassen, ihre Zweckrichtung mit Notwendigkeit verfolgen? Wie soll dies der Fall sein, wenn die Liebe selber sich mit dem Menschen beschäftigt? Kommt nicht alles Wohl und alles Sein von der göttlichen Liebe? Der Mensch unterscheidet sich nur dadurch seiner Natur nach von den anderen Geschöpfen, daß er offen bleibt für die Hand des Schöpfers, für die Hand dessen, der ihm bereits seine Natur und sein Sein gegeben. Wie soll ihm aus dieser reichen Hand etwas Anderes zukommen als Wohl, als Gut, als Herrlichkeit. Seine Natur dankt er bereits der göttlichen Liebe, jene Natur, die ihn erhebt über alles Sichtbare und ihn zum Könige der Schöpfung macht; — wie wird diese Natur nicht erst thätig sein, wenn ihr Meister selber sie erfüllt! Gott ist überall der Schöpfer. Er ist überall der Meister. Er ist von jeder Kreatur der Endzweck und dieVollendung. Aber während die übrigen Kreaturen in der stofflichen Welt sich in der Weise gegenseitig vollenden, daß kraft der Allmacht die eine in der anderen ihren Zweck und ihren bethätigenden Grund findet, will die menschliche Natur aus reiner, überreicher Liebe Er, unser Gott, selber unmittelbar von ihrem eigenen Innern aus leiten und beseligen. Oder ist jenes Kunstwerk schlimmer daran, welches seiner ganzen Anlage nach von keinem Gehilfen, sondern nur vom Meister selbst vollendet werden kann; welches so für seine Vollendung auf die Liebe des Meisters allein zu seinem Werke angewiesen ist? Wird es aus äußeren Gründen auf dem Wege zur Vollendung liegen gelassen; dann ist es allerdings häßlicher, wie die minderwertigen, welche der Gehilfe vollenden konnte. Aber an dieser Vernachlässigung wird niemals der Künstler schuld haben, der sein Werk liebt wie kein anderer. Der Mensch soll nur nicht auf sich selber hören, nicht sich selber in erster Stelle leiten wollen. Er soll auf Christum sehen, der, „was Er gehört hatte, lehrte“ und „was Ihm der Vater aufgetragen, immer that“. Der Mensch soll für alles Einzelne, was geschieht und was ihm selber begegnet, in Gott allein den ausreichenden Grund sehen. Er soll seine Thätigkeit nur nach Gottes Gebot einrichten und erst auf Grund von Gottes Gebot nach anderen Ursachen forschen und sich richten; — und seine Natur wird sich in Gott, durch Gott, zu Gott hin vollenden. Der Vater sendet den heiligen Geist in das Herz; daß es nun kraft desselben Christum liebe und Ihm diene. Der heilige Geist führt das Herz nach dem ewigen Worte; — und der Vater selber wohnt dann im Herzen. Was heißt denn „Senden“ anderes, als das Vermögen der menschlichen Natur erhöhen? Was heißt es anderes, daß der „Geist“ gesandt wird, als daß nun das Vermögen des Menschen fähig gemacht wird, aus „Liebe“ allein, aus Liebe Gottes allein zu wirken? Was heißt es anderes, das Wort senden, als daß die Vernunft durch die Liebe von ihrem Innern aus erleuchtet werde, um im Lichte des Glaubens allein zu wandeln und nicht mehr im Lichte der Natur; um unter der alleinigen Leitung des „Wortes“ zu erkennen und demgemäß zu leiten? Nicht die heiligen Personen verlassen ihren Platz in der Dreieinigkeit, um in der Kreatur zu wohnen. Sie erheben vielmehr zu Sich selber die Vermögen der Natur, daß diese nun unmittelbar von ihnen in ihrer Thätigkeit geleitet werden. Der Vater wird nicht gesandt; weil eben alle Erhebung der natürlichen Vermögen dazu dient, zu Ihm und in Ihm zum Urprincip alles Seins zu gelangen; zu schauen, wie in diesem Urprincip, dem göttlichen Wesen, die drei Personen in gegenseitiger Beziehung stehen und wie von selbem nach außen die Kreaturen gewirkt werden; — weil die Natur selber als Urprincip im Menschen und im Engel nicht erhoben wird, sondern als einmal gelegte feste Grundlage bleibt. Welch' wunderbarer Abschluß nun in der menschlichen Natur! Aus dem Nichts ist sie geworden, um etwas zu sein. Soweit sie ist, soweit sie Vermögen hat, soweit alle Kreaturen es verneinen, ihr Endzweck zu sein; — ist sie dem Wesen Gottes ähnlich und gelangt zur Kenntnis des Wesens Gottes als des wirkenden Princips der Kreaturen. Soll sie thätig sein gemäß ihrem letzten Endzwecke, soll sie ihren Endzweck erreichen; dann werden ihre Vermögen, es wird ihre Kraft erhoben über alle Kreatur, daß alle Kreaturen auch thatsächlich ein Nichts für sie werden und daß sie es in ihr selbst verneinen, sie endgültig bestimmen und bethätigen zu können. Der heilige Geist wird dann in ihr unmittelbar das bewegende anstoßgebende Princip für die verdienstvolle Thätigkeit; Er erhebt ihren Willen. Das Wort leuchtet im Glauben in ihr; es erhebt ihre Vernunft. Vom Vater strömt die Offenbarung seiner Liebe und verbindet die innerste Natur selber mit dem Endzwecke. Das Nichts der Kreatur in der verdienstvollen Thätigkeit des Menschen führt zu den drei Personen als dem unmittelbar allbestimmenden Grunde des Wirkens in der Seele. Und wozu dient dieses Innewohnen der drei Personen? Dazu daß die Seele einmal künftig schaue den Grund alles Seins, der dem Wesen nach alles aus dem Nichts gezogen, für alles im Einzelnen maßgebend ist, allein der Grund wahrer Thätigkeit und wahren Seins sein kann: — daß sie schaue, mit ähnlicher Sicherheit, ähnlich wie sie jetzt mit den Sinnen schaut, daß in der göttlichen inneren Thätigkeit, gemäß der die drei Personen zu einander in Beziehung stehen respektive hervorgehen, der unmittelbare Grund ist für alle frei vernünftige Thätigkeit und vermittelst deren der Grund für alles geschöpfliche Sein und Wirken. Das ist die Ehre, von der Christus spricht: „Wer mir dient, den wird mein Vater ehren, der im Himmel ist.“ „Durch die sichtbare Sendung Christi in diese Welt,“ sagt Augustin (4. de Trin. 20.), „sind wir befähigt worden, der unsichtbaren Sendung des heiligen Geistes und des Wortes teilhaftig zu werden und so in der Welt zu sein und doch nicht aus der Welt.“ Der Tod des menschgewordenen Eingeborenen ist das sichtbare Nichts der geschöpflichen Wirklichkeit geworden, die so gern sein will, was sie nicht ist; die so gern den vernünftigen Willen von sich allein aus bestimmen will, trotzdem sie gar keinen Grund dafür, daß sie einzelne Wirklichkeit ist, in sich besitzt. Aus dem Tode Christi, der nicht nur das Nichts der geschopflichen Wirklichkeit zeigt, sondern die Kraft in sich schließt, uns über alle sichtbare und unsichtbare Natur zu erheben, fließt jene Liebe, von welcher der Heiland spricht: „Wenn jemand mich liebt und meine Worte hält, den wird der Vater lieben und wir werden kommen und in Ihm Wohnung nehmen.“ Die vernünftige Natur führt zuvörderst zum Nichts; und deshalb kann, erst wenn das Nichts der Kreatur die Seele füllt, der lebenspendende Geist sie zur Lebensfülle hin bewegen. Nun ist das Thor weit geöffnet für den Ausgang alles kreatürlichen Seins und Wirkens aus der Dreieinigkeit bis zum letzten Zwecke hin. Nachdem Thomas noch die Sendung der hochheiligen Personen behandelt haben wird, wird er hinabsteigen und die Früchte ernten seiner mühevollen Darlegung dessen, was Gott angeht.
