Hundertsechstes Kapitel. Die verursachende, bestimmende Kraft der Engel. Überleitung.
„Das Haus meiner Majestät will ich verherrlichen: den Ort meiner Füße will ich preisen.“ (Is. 60.) Majestät hast du, 0 Mensch. Zum Herrschen bist du geboren. Das Diadem königlicher Würde schmückt deine Stirn. Majestät heißt Macht. Die Macht des Menschen erstreckt sich auf die ganze sichtbare Natur; und was sich in derselben seiner unmittelbaren Leitung entzieht, das ist ihm zum Dienste vorhanden. „Die Sonne, der Mond und die Sterne sollen sein dem Menschen zu Zeichen und Zeiten.“ Majestät heißt Wissen. Bis auf das Wesen der Dinge schaut der Mensch und macht es zur Richtschnur seines Wirkens. Bis in die unendlichen Fernen der gewaltigen Sterngebilde dringt der scharfe Blick seines Geistes; da mißt und wägt, rechnet und prüft er. Seine eigene Seele weiß er aufzufassen und sich Rechenschaft zu geben von dem, was er thut. Den Fußstapfen der erhabenen reinen Geistnatur folgt er und Gottes Vollkommenheiten selber sind ihm nicht fremd. Majestät heißt Herrschaft. Und fürwahr der Mensch ist Herr des Kostbarsten; er ist Herr seiner eigenen vernünftigen Handlungen und alles dessen, was darauf folgt. Den Fluch kann er wählen oder den Segen, das Laster oder die Tugend, Himmel oder Hölle. Eine ganze Welt mag sich erheben gegen den freien Entschluß eines Menschen; sie kann ihn nicht beugen. Laurentius wird im Feuer geröstet, Bartholomäus geschunden, Paulus bis aufs Blut gegeißelt; aber die Majestät ihrer Freiheit bleibt unberührt. Die Qualen vergehen und der Herrschergeist strahlt nur in noch höherem Glänze. Das ist Majestät, die wohl würdig wäre, von einem Propheten verherrlicht zu werden. Aber sieh' trotzdem, wie unstät diese Majestät ist, welche unserer Natur innewohnt! Soll sie höheren, andauernden Preises wert sein, dann muß sie feststehen, muß ein „Haus“ haben, aus dem keine Leidenschaft und Schwäche sie vertreiben kann. Einmal war es so. Da war auf diese Majestät der menschlichen Natur das Siegel der Bestandigkeit geprägt. Wohnen sollte der Mensch im Paradiese; nicht bloß hie und da sich dessen Herrlichkeiten anschauen. Aber dieses „Haus“ hat der Mensch verloren und zwar durch seine eigenste Schuld. Schmachvoll ist er herausgejagt worden aus dem Garten der Wonne. Sein „irdisches Haus“ aber ist über die Maßen elend; nur zum Seufzen giebt es Veranlassung. Der Mensch will so häufig sich selber ein „Haus“ bauen, wo er der Majestät seiner Würde sich freuen könnte. Er meint, viel Geld könne ihm diesen Frieden bringen; — hohe Ehren, große Wissenschaft, Befriedigung seiner sinnlichen Neigungen vermöchten den inneren Reichtum seiner Natur nach außen zu verkünden und zu festigen. Aber schau; wenn er gerade meint, etwas erreicht zu haben; da entflieht ihm, was er schon zu haben wähnte, wie ein Traumgebilde dem Erwachenden und er muß mit dem Propheten sagen: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, dann bauen die Bauleute vergebens.“ Nicht auf Felsen hatte er sein Haus gestützt „und es kam Sturm und Wind und Regen und das Haus war mit einem Male fort“. Nicht ein solches „Haus“ meint der Prophet unter jenem, das er verherrlichen will. Er meint jenes, von dem Paulus spricht (2. Kor. 5.): „Denn wenn unser irdisches Haus, wo wir gegenwärtig wohnen, aufgelöst wird, dann müssen wir einen Bau von Gott her haben, ein Haus nicht von Menschenhänden gemacht, ein ewiges im Himmel ... Und der in uns es bewirkt, daß wir zu diesem Hause gelangen, das ist Gott selber.“ Das Einwirken Gottes in uns ist das feste Fundament hier auf Erden für jenes preiswürdige Haus unserer wahren Majestät; jenes feste Fundament ist es, welches der Heiland mit den Worten kennzeichnet: „Er hat sein Haus gebaut auf einen Felsen; und Regen strömte herab und die Flüsse stiegen und der Sturmwind heulte und alle Elemente verbanden sich, um zu wüten gegen das Haus; — aber es fiel nicht zusammen, denn es war gebaut auf dem Felsen.“ Das ist jenes herrliche Fundament, auf welchem unsere Füße stehen und das da ganz und gar der majestätischen Herrlichkeit unserer ewigen Wohnung entspricht: „Und den Ort will ich verherrlichen.“ Es ist dem großen heiligen Aquinaten eigen, bei entscheidenden Fragen in einigen wenigen Worten so recht kraftvoll die Sachlage zu kennzeichnen: „Das Vermögen ist wegen der Form da, die Form wegen der Thätigkeit; die Dinge in der Welt also wären unnütz, sie wären vielmehr gar nicht, wenn sie keine Thätigkeit hätten.“ Der Marmor ist da, heißt dies beispielsweise, wegen des Bildhauers, der Bildhauer ist da, um thätig zu sein. Und die Thätigkeit? Doch gehen wir mehr ins Einzelne, um so recht die großen Kraftzüge des Engels der Schule zu verstehen. Was ist Stoff an sich? Vermögen, etwas zu werden. Was ist Substanz? Vermögen, auf einer bestimmten Seinsstufe Sein zu haben. Was ist Person oder Subjekt? Vermögen, ein Einzelding zu sein. Was ist Ausdehnung? Vermögen im Raume zu sein. Was ist Körper? Vermögen für den Umfang nach drei Richtungen. Was ist Vernunft? Vermögen. Was ist Wille? Vermögen. Überall im Geschöpflichen Vermögen! „Das Vermögen aber ist da um der Form willen und die Form um der Thätigkeit willen.“ Die reinste Thätigkeit aber, d. h. die Thätigkeit dem Wesen nach ist Gott. Sowie Thomas vorher alles geschöpfliche Wesen und Vermögen als Princip des Wirkens auf Gott zurückgeführt hat als auf den Urquell, in Verbindung mit welchem und kraft dessen allein etwas Vermögen ist oder hat; so führt er jetzt alle Thätigkeit selber auf Gott als auf den Urquell derselben zurück. Die Kreaturen sind lhrem Wesen nach nur vermögend, um thatsächlich zu sein. Warum sind sie aber vermögend? Damit sie thätig sein können. Und warum sind sie nur da, um thätig zu sein? Weil sie von jenem Sein kommen, das da seinem Wesen nach reinste Thätigkeit ist, das deshalb auch Alles, was von ihm ausgeht, seiner Natur nach dazu beruft, thätig zu sein und so widerzustrahlen je in besonderer Weise die reinste Thätigkeit. Je näher die Kreaturen Gott sind, desto thätiger sind sie und desto mehr bleibt ihre Thätigkeit in ihnen selbst; wie Gott ja stets Er selbst, sein eigenes Sein bleibt. Thomas geht noch weiter. Er grenzt ganz genau die Gott eigene Thätigkeit ab von der kreatürlichen. Worauf geht die kreatürliche Thätigkeit? Auf das Werden. Worauf geht die Wirksamkeit Gottes? Auf das Sein. Das Werden aber hat das Sein sowohl zur Voraussetzung wie zum Schlußpunkt. Die Thätigkeit Gottes liegt allem kreatürlichen und zwar jedem einzelnen Thätigsein zu Grunde und ist dessen Endpunkt. Der erste Artikel des 104. Kapitels ist einer der folgenschwersten der ganzen Summa. „Das Sein des Hauses,“ so veranschaulicht da Thomas, „hängt ab von den Steinen, dem Holze und ähnlichen Materialien; das Werden des Hauses hängt ab vom Baumeister.“ Ein ähnliches Verhältnis besteht zwischen den natürlichen Ursachen und Gott. Jene haben zur unmittelbaren Folge das Werden; auf Grund der göttlichen Einwirkung allein hat etwas Sein. Wie aber der Baumeister, damit das Haus werde, angewiesen ist auf die in Wirklichkeit bestehenden Materialien, so ist jede Ursache im Bereiche der Natur angewiesen auf bereits bestehende Vermögen. Das also ist die erste Wirkung Gottes, daß Vermögen bestehen, die weiterer Thätigkeit zur Voraussetzung dienen. Je allgemeiner und in sich unbestimmter diese Vermögen sind, desto unmittelbarer entspringen sie Gottes Wirksamkeit, der die Unendlichkeit selber ist, und bilden so die Grundlage, welche weiteren geschöpflichen Kreisen als Voraussetzung für ihre Wirksamkeit dient. Der Blick des Engels der Schule umschließt hier das ganze Sein. Ein „wahres preiswürdiges Haus der Majestät“ thut sich vor uns auf und ist „ein herrlicher Ort, worauf unsere Füße ruhen können“. Worauf erstreckt sich zuerst Gottes innerlichste Thätigkeit? Er zeugt den Sohn; und Vater und Sohn hauchen den heiligen Geist. Hier ist kein Unterschied zwischen Werden und Sein. Hier ist reinste, einigste Thatsächlichkeit. Der erste Abschluß der Thätigkeit Gottes ist nicht nur in der einen selben göttlichen Natur; sondern der Sohn und der heilige Geist sind die eine göttliche Natur mit dem Vater. Ein weiterer Abschluß göttlicher Thätigkeit ist das allgemeine Vermögen, etwas zu sein; das aber von sich aus nichts Thatsächliches ist. Da ist von einer Einheit des Wesens oder der Natur mit Gott nicht mehr die Rede, sondern nur von der wirkenden göttlichen Kraft. Jedoch soll dieses Geschöpfliche durch seine Thätigkeit Gott ähnlich werden und an der „Majestät der göttlichen Wohnung“ mehr und mehr teilnehmen. Und wie geschieht das? In zweifacher Art sind die Geschöpfe thätig. Die höheren Geschöpfe ähneln in ihrer verursachenden Kraft der wirkenden Kraft Gottes, die nach außen sich richtet. Sie haben mehr allgemeine Kraft; und ihre Wirlungen kommen im Wesen nicht mit dem Wesen dieser höheren Geschöpfe überein. Der Engel erzeugt keinen Engel. Je tiefer die reinen Geister aber stehen, desto mehr bereiten sie vermittelst der Bewegung das allgemeine Wesen des Stoffes vor für das einzelne wirkliche Bestehen. Keiner jedoch bringt direkt ein stoffliches Einzelwesen dem Sein nach hervor. Ein „Werden“ ist das Ergebnis ihrer Kraft. Diese ihre verursachende Kraft findet ihre Ergänzung innerhalb des Bereiches der Natur in der Ursächlichkeit der niedrigen stofflichen Dinge. Und diese Art Ursächlichkeit ist ähnlich jener wie der Vater das Princip des Sohnes und des heiligen Geistes ist. Der Mensch erzeugt den Menschen, Feuer erzeugt Feuer; nicht zwar in derselben einzelnen Natur, jedoch in der Gemeinsamkeit der wesentlichen Gattungsart. Gegenseitig ergänzen sich nun diese beiden geschöpflichen Arten von Ursächlichkeiten; die eine ist abhängig von der anderen. Der einzelne Mensch erzeugt den einzelnen Menschen; aber nicht daß er die Gattung „Mensch“ hervorbrächte, würde er doch dann die Ursache seiner selbst bilden. Der Stoff, der vor ihm liegt, muß bereits durch die allgemeineren höheren Ursachen vorbereitet sein, um die allgemeine Gattung „Mensch“ zu tragen. Der einzelne Mensch vollendet nur diese Vorbereitung, dieses Werden, indem er macht, daß dieser einzelne bestimmt vorliegende Stoff diese bestimmte einzelne Wesensform erhält; daß ein einzelner Mensch unter ganz bestimmten Zeit- und Ortsverhältnissen im Werden ist. Der Engel aber kann wieder seinerseits für sich allein nichts Stoffliches im einzelnen bewirken. „Er prägt nicht die Form direkt ein,“ sagte oben Thomas, „denn der Stoff ist nicht in seiner Gewalt, er hat den Stoff nicht gemacht; sondern er benützt den vorliegenden Samen“ d. h. das Erzeugnis der niederen stofflichen Ursachen und der zweiten Art Ursächlichkeit oder im Beginne der Welt das Ergebnis der Erschaffung. Beide Ursächlichkeiten haben einander notwendig; sie greifen beständig ineinander. Aber noch weit mehr haben beide notwendig die Kraft Gottes, welche von der einen, der höheren Art, sozusagen in der umfassenden Gewalt und Allmacht ihrer Ursächlichteit dargestellt wird, von der anderen in der Lieblichkeit und in der verbindenden Güte derselben. Keine von beiden kann wirken ohne die Voraussetzung, daß ein Vermögen bereits existiert; keine von beiden kann auf die andere wirken, ohne daß das Wirken Gottes vorausgegangen wäre; denn sie sind sich ihrer ganzen Natur nach gegenseitig fremd. Mensch! Siehe, wo deine wahre Majestät ist; schau', woher du dein Eigentum zu schöpfen hast. Oder kann etwas wirken um eines Mangels willen? Nein; nur um einer Vollendung willen. Alle Vollendung aber, alles Gute ist Gott. Also das Gute und schließlich in irgend einer Weise Gott selber regt deine Thätigkeit immerdar in dir an. Du magst dich hinwenden, wohin du willst; Er bleibt immer dein Endzweck, mit deinem Willen oder gegen deinen Willen. Oder hat etwas die Kraft zu wirken rein aus sich selbst? Unmöglich. Kraft haben rein aus sich selbst heißt eben so viel als Sein haben aus sich selbst; — und was aus sich selber ist, das kann nicht mehr Vermögen sein für das Sein, hat es doch die Quelle des Seins und der Kraft in sich. Du magst wollen oder nicht. Gott ist zuerst in dir, ehe du wirkest und verleiht in jedem einzelnen Falle durch sein Wirken erst dir selber Kraft, ebenfalls zu wirken. Und die Richtschnur, die leitende Form deines Wirkens? Gott hat wieder als Form und Schönheit dem Wesen nach alle Form in sich; nach der in Gott bestehenden Form wirkt Er selbst zuerst, und wirken dann die Geschöpfe. Siehst du, o Mensch, den Quell deines Eigentums; siehst du wie fest und wie dir eigen das Fundament ist, auf dem deine Füße stehen; das Fundament, auf dem sich das ewige „Haus“ der Herrlichkeit erheben soll. Erblicke in Gott alle Quelle deines Wirkens; und dieses Wirken wird im selben Grade dein eigenes sein, wie Gott Er selbst, wie Gott Sein, wie Er sein eigenes Sein ist und somit auch zu eigen geben kann. Tief steht die dir wesentlich zukommende Ursächlichkeit an Macht unter aller verursachenden Kraft der Geister; aber sie treibt dich in ganz besonderer Weise zur Liebe, zur Einheit, zur Verbindung und so treibt sie dich in ganz eigener Weise zu Gott. In ihr schließest du ein, falls Gott in dir das Fundament ist, alle Ergebnisse der verursachenden Kraft der Geister; sie dienen mit ihrer Gewalt dir, sie bereiten das Ergebnis deines Wirkens vor, und du vollendest unter Gott ihr Wirken. Gehen wir mehr ins Einzelne. Gott ist in seiner wirkenden Kraft die Grundlage aller rein stofflichen Wirksamkeit. Denn alle stoffliche Wirksamkeit ist auf dem Lichte begründet. „Die letzte Erscheinung des Stoffes,“ sagt Faraday als Vertreter der modernen Wissenschaft, „muß die des reinen Lichtes sein.“ „Im Bereiche des Körperlichen ist die erste Ursache aller Erzeugung das Licht,“ sagt Thomas. „Das Licht vermittelt jede sinnliche Auffassungng, im Gesichtssinne jedoch unmittelbar und allein und ohne irgend welche Voraussetzung;“ so Thomas. „Das reine Licht“ wird, eben weil es ein unmittelbares Ergebnis der wirkenden Kraft Gottes, weil es die Harmonie des stofflichen Weltalls ist in dessen Thätigsein, niemals „erfahrungsmäßig nachzuweisen“ sein, wie Faraday meint. Das Licht hat für sich eben kein wirkliches Sein; sondern ist erst dann thatsächlich, wenn es auf etwas erleuchtend fällt. Es ist die Voraussetzung für alles stoffliche Thätigsein und kann somit in seiner Reinheit von nichts Stofflichem erreicht werden. Mit dem Lichte beginnt die dem reinen Stoffe eigene Thätigkeit nach außen, jene nämlich, die ihren Endpunkt niemals in sich selber besitzen kann, sondern ihn außerhalb hat. Das „reine Licht“ sowie auch das reine Lichtbild im Auge ist mehr Vermögen, stofflich zu sein als wnklich stoffliches Sein. Deshalb nennt Thomas den Einfluß des Lichtes auf das Auge einen „geistigen“ und „nicht mit einem natürlichen“ vermischten. Nicht als ob das Licht in dem Sinne etwas Geistiges sei, daß es in sich selbst zurückkehrte und in sich den Endpunkt der Thätigkeit hätte, also sich selbst erleuchtete, wie der Geist sich selbst und seine Thätigkeit versteht. Nein; aber das Licht ist in dem Sinne geistig, daß das Lichtbild als solches außen und das Lichtbild im Auge, soweit es Lichtbild ist, eine einzige Form, durchaus eins ist. Das könnte aber nicht sein, wenn das Licht an sich stoffliche Wirklichkeit wäre; eine solche könnte nicht zugleich da und zugleich dort sein. Das Licht ist vielmehr an sich rein Vermögen, welches einerseits, immer das eine Vermögen bleibend, im Gegenstande einzelne Wirklichkeit findet, auf den es strahlt, und andererseits im Auge; gleichwie die eine Gattungsform „Mensch“ draußen den Grund für das Menschsein bildet und innen den Grund für das diesbezügliche Erkennen; wie sie in Petrus ein und dieselbe ist als in Paulus und Johannes. Das Licht ist nur kein selbständiges Wesen, sonst wäre es ein Geist; es ist jene Eigenschaft, vermöge deren alles Körperliche eine Einheit im Thätigsein bildet, und deshalb nennt es Thomas „geistig“. Die Verbindung und Vermittlung ist das Licht zwischen den verschiedenen selbständigen stofflichen Substanzen, soweit es auf die Thätigkeit ankommt, zwischen Körper und Geist; unmittelbare Wirkung dessen, der Leib und Geist gleichmäßig geschaffen und alles Thätigsein in seiner Hand hat und der nun durch das Licht alles Sichtbare lenkt. Deshalb sagt Thomas stets mit solcher Sicherheit: „Das Licht ist im Augenblicke überall; es hat keine Bewegung der Zeit nach.“ Denn Bewegung der Zeit nach kann nur etwas Körperliches haben, was von sich aus Wirklichkeit hat. Das Licht aber ist erst wirklich, wenn es auf einen Körper fällt; also auf etwas, was nicht es selbst ist. Hat die neuere Wissenschaft eine Zeit nachgewiesen in der Bewegung des Lichtes; so hat sie nicht das Licht an sich in seiner reinen Natur berücksichtigt, sondern insoweit es auf Körperliches fällt und dieses Körperliche Zeit braucht, es widerzustrahlen. Mit dem Lichte, dem Mittelpunkte aller körperlichen Thätigkeit, fängt die wirkende Kraft Gottes an, alles Stoffliche und durch das Stoffliche hindurch, was ja in der Vernunft seinem ganzen Wesen nach und nicht bloß als eine Erscheinung oder Eigenschaft widerstrahlt, alles Geistige zu Sich zurückzuführen und alles Thätigsein dem ersten Ursprünge und Quell nach in höchster Einheit in sich zu vereinigen. Im Lichte hält Gott, die reine Wirklichkeit, ein Vermögen fest, welches überall die treibende Kraft in den stofflichen Veränderungen selber ist und das da den sichtbaren Gegenstand mit der sinnlichen Wahrnehmung vereint. Durch das Licht beherrscht und vereinigt die wirkende Kraft Gottes alle Thätigkeit des Stofflichen selber und ihre Verbindung mit den Sinnen. Von den Sinnen löst dann los ein weiteres Vermögen als unmittelbares Ergebnis der wirkenden Kraft Gottes die Wesenheiten der Dinge. „Gott giebt,“ sagte oben Thomas, „das Vernunftvermögen und die es bethätigende Erkenntnisform.“ Ein Schritt weiter zur Einheit im Thätigsein. Nicht bloß Erscheinungen werden hier verbunden und nicht bloße Veränderungen im Stoffe bilden eine Einheit mit dem Erkennen; sondern die Wesensform selber, welche der innerste maßgebende Grund im stofflichen Sein ist, wird eine Einheit mit dem Vernunftvermögen. „Gemäß der Form,“ sagte oben Thomas, „die Gott in seinem Wesen einschließt, bewirkt Er, daß außen das stoffliche Ding Sein hat und daß innen die Vernunft zum thatsächlichen Erkennen in bestimmtester Weise befähigt wird. Der Mensch kann so nach dem maßgebenden Grunde der Dinge selber thätig sein.“ Die wirkende Kraft Gottes will aber noch weiter „das Zerstreute sammeln“ durch Verleihung angemessener Thätigkeit. Wo bleiben die einzelnen Wirklichkeiten? Der Sinn vereinigt sie wohl in sich, aber als vergängliche, also ohne ihren ausreichenden, innerlich feststehenden Grund zu erfassen; und dabei immer gemäß einem beschränkten Vermögen, immer gemäß „geistigen“ Eindruckes. Dte Vernunft erkennt sie wohl, aber wieder nicht im einzelnen ihren Grund, sondern nur im allgemeinen gemäß ihren mehr oder minder gemeinsamen Wesenheiten; und somit sind sie auch in ihr nicht vereinigt als durchaus feststehende. Nur gemäß den allgemeinen Ursachen vereinigt sie die Vernunft in sich; mit diesen wird sie eins. Da kommt der Wille zu Hilfe. In ihm werden die einzelnen wirklichen Güter vereinigt durch die Liebe. Und wie werden sie da thatsächlich feststehende und somit wahrer Einheit fähig sein? Der Wille liebt sie einzig, weil sie den Charakter des einen wesentlichen Guten tragen; nicht aber weil sie dieses oder jenes besonderes Gut sind. Sowie aber alles einzelne Sein als wirkliches feststeht im Guten, so vereinigt sie der Wille in sich als bleibende d. h. gemäß jenem Momente, nach dem allein sie feststehen, bleiben. Und der Grund, weshalb der Wille sie als etwas Gutes liebt und nicht wegen dieser oder jener Äußerlichkeiten, ist im Willen wieder die eine göttliche Kraft, „welche dem Willensvermögen es 1. verleiht, daß es als Vermögen auf alles Gute, also eben auf das Gute an sich gerichtet ist, und welche 2. dieses Vermögen zu einem besonderen einzelnen Gute hinneigt,“ wie Thomas sagt. So wird durch die wirkende Kraft Gottes in den Dingen Alles geeinigt: Wesen, Wirklichkeit, Erscheinung, Veränderlichkeit, Stoff, Geist. Alles wird im Sein getragen von der wirkenden Kraft Gottes; und Alles wird durch entsprechende Vermögen in Thätigkeit gesetzt; so aber, daß auch in der Thätigkeit dieser Vermögen zu Grunde liegt die wirkende einigende Kraft Gottes. Wohin anders nun kann diese Kraft führen als zu Sich selbst; in ihr innerstes Geheimnis; dahin wo sie selber wohnt und thront: zu jener innigst verbundenen Dreiheit, wo der Abschluß der thätigen Kraft Gottes rein sie selber, wo das Princip der thätigen Kraft Gottes wieder sie, die eine, selbe ist; wo also jede Thätigkeit in sich selbst ihren Abschluß findet, wo kein Sein scheidet das Princip vom Erzeugten, das Ausgehende vom Ausgangspunkte, wo alle irgend welche Ähnlichkeit im Vermögen ihre abschließende Fülle finden muß. Da, meine Seele, da ist unzerreißbare Festigkeit, die von keinem Mangel bedroht wird. Da ist kein Gegensatz, sondern heiliger Frieden. Da ist wahre Macht, wo keine Abhängigkeit mehr ist. Da ist wahres Wissen, wo Wissen das gewisse, feste Einzelsein ist. Da ist wahre Herrschaft, wo für alles der Grund besteht. Da ist kein Wechsel, keine Zeit, sondern Ewigkeit. Das ist deine Majestät, denn du kannst sie in seliger Anschauung besitzen. Mögen auf dem Fundamente, worauf sich unzerstörbar das Haus der Ewigkeit erhebt, deine Füße, die Füße deines Verlangens, deiner Liebe beständig ruhen. Dann kannst du, meine Seele, freudig und ruhig, sagen mit dem Propheten: „Das Haus meiner Majestät will ich verherrlichen; Den Ort meiner Füße will ich preisen.“ Thomas setzt jetzt auf Grund dieser Thätigkeit Gottes die Thätigkeit der Kreaturen auseinander: zuerst die der Engel, dann die der stofflichen Kreaturen und schließlich die des Menschen. Zuerst wird betrachtet: wie die Engel auf rein geistige Kreaturen Einfluß haben; dann wie sie die Körper bewegen und endlich wie den Menschen. Es seien also zuvörderst erörtert: das Erleuchten und Sprechen der Engel; ihr Verhältnis zu einander und ihr Unterschied in böse und gute.
