Dreiundfünfstigstes Kapitel. Über die Bewegung der Engel von Ort zu Ort. Überleitung.
„Beweiset, ob ihr im Glauben seid;“ ruft Paulus den Korinthern (I. cap. 13.) zu. Wie beweisen die heiligen Engel, daß Gott in ihnen ist? Sie wirken. Nur weil der reine Geist wirkt, ist er in einem Orte. Derjenige hat wahrhaft geistige Tugenden, der nach denselben wirkt. „Demütig ist nur jener,“ sagt Bernardus, „welcher Demütigungen liebt.“ „Die Liebe wirkt immer Großes, wo sie ist,“ schreibt Gregor der Große; „wirkt sie nicht, so ist sie nicht vorhanden.“ Hast du Bußgesinnung, so beweise sie durch Werke; nicht durch unfruchtbare Seufzer und Thränen. Der Engel ist nur an dem Orte, wo er wirkt. Willst du ihm nachahmen, durch ihn zu Gott getragen werden, so mußt du nur deshalb an einem Orte sein, damit du da wirkest, den Willen Gottes da wirkest, durch deine Existenz daselbst die Bestimmung Gottes ehrst. Der Glaube selbst ist nur eine Tugendlarve, wenn er nicht durch die Liebe wirkt. „Nicht der da sagt, Herr, Herr, wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters thut.“ „Mit ihrer Zunge haben sie ihm gelogen,“ sagt der Prophet; „denn ihr Herz war nicht aufrichtig mit Gott.“ „Aus deinen Werken,“ ermahnt der Apostel, „zeige mir deinen Glauben.“ Die Engel selbst aber laden uns durch ihre zärtliche Liebe zu uns dazu ein, daß wir ihnen vertrauen, ihnen folgen. Diese heiligen Geister sind kraft der Erhabenheit ihrer Natur fern vom Stoffe; — und siehe da; ihre Liebe, oder wie Thomas so schön sagt, „ihr Verlangen, mit uns vertraulichen Umgang zu haben, führt sie dazu, Körper anzunehmen;“ damit sie uns mehr Vertrauen einflößen und den von Gott gewollten Dienst der Liebe unserem Heile gegenüber erfüllen. So oft sind die heiligen Engel den Menschen sichtbar geworden, haben mit denselben gesprochen, gegessen, sie geleitet, ihnen gelehrt, Gott in allem zu preisen! Anstatt daß die Liebe, mit welcher die ewige Weisheit „den Samen Abrahams ergriff“ und sich somit entschloß, die Mensch-, nicht aber die Engelnatur anzunehmen, diese „Morgensterne in ihrem Lobgesange Gottes“ gestört oder verdrossen hätte, kommen sie allsogleich und thun dasselbe, soweit nur immer es ihrer Natur zukommt. Sie nehmen Körper an wenigstens als Mittel, uns unserer Natur angemessen die barmherzigen Absichten der ewigen Liebe zu enthüllen und uns aus der Niedrigkeit des Staubes heraus zu erziehen zu unendlich großer Herrlichkeit; denn das gebührt dem ewigen Worte allein, wirklicher Mensch zu werden und dabei wirklicher Gott zu bleiben. „Erblicken muß man,“ sagt treffend Bernardus (5. de Cons. 4.) „und anstaunen in den Engeln und Erzengeln die Wahrheit und die wirkliche Ausführung jenes Wortes, daß Er für uns Sorge trägt, der da nicht abläßt, uns zu erfreuen durch die Besuche solcher und so großer Mächte, uns zu belehren durch das, was sie offenbaren, uns aufzurichten durch ihren Trost und durch ihren Eifer uns anzuspornen.“ Die Liebe der Engel zieht sie zur Erde! Möge uns die Dankbarkeit zu ihnen hinaufziehen, daß wir ihre Herrlichkeit betrachten und wir, wie Bernardus sagt, „unter Verzichtleistung auf alle jene Neigungen, durch die wir fürchten, was wir nicht sollen; lieben, was sich nicht gebührt; betrübt sind, worüber es sich nicht der Mühe lohnt; uns freuen daran, was eitel ist; mit den Flügeln der Liebe zum Herrn und dem einzigen Gute der Engel emporsteigen!“ Freilich „ist es gut und nützlich,“ wie Augustin sagt (I. de Trin. cap. 10.), „daß ich mich erinnere der Schwäche meiner Kräfte, damit wir nicht weiter vorangehen als es mit Sicherheit möglich ist. Denn in welcher Weise dies alles die Engel thun, das können wir mit der Schärfe unserer geistigen Augen nicht durchdringen, mit dem Vertrauen auf die eigene Vernunft nicht erklären, mit fortschreitenden Wissen nicht begreifen.“ Aber das will auch nicht der engelgleiche Lehrer; und wir wollen es nicht mit ihm: den inneren Glanz der heiligen Engel nämlich durchdringen und die Gründe, warum sie dies und nicht jenes thun, erklären; was den einen Engel von dem anderen auf Grund der inneren Natur der ganzen Gattung nach scheidet, das wissen wollen wir nicht. Den Glanz jedoch, den die heiligen Engel über die Schöpfung ausgießen und der von da gleichsam in unserem Geiste abgestrahlt wird, den will der Engel der Schule uns zeigen; wie er im vorigen Traktat uns hat Trost finden lassen an jenem Lichte, worin die Geschöpfe unter dem Geheimnisse der Dreieinigkeit glänzen. Die Wirkungen der Engel führt uns der Aquinate vor; und aus diesen Wirkungen lernen wir kennen, wie unberechenbar groß für unser Auge sein muß die innere Herrlichkeit, welche ihnen Gott gegeben. Aus dem, was die Engel wirken, sollen wir lernen, wie wir unter ihrem Schutze und Beistande zu wirken haben, damit die Ermahnung des Apostels an uns nicht vergeblich sei: „Beweiset, ob ihr im Glauben seid.“
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