Einundsechszigstes Kapitel. Über die Erschaffung der Engel. Überleitung.
„Weise ist Er durch sein Herz; und stark durch seine Macht; wer wird Ihm widerstehen?“ (Job 9.) So sagen wir wahrhaft mit dem heiligen Dulder. Fern davon daß die Kreaturen Gott widerstehen, drängen sie nach Ihm mehr als nach sich selbst. Er hat einer jeden in seiner Weisheit ihren Platz angewiesen. Er hat einer jeden alles gegeben, was dazu notwendig war, den bezeichneten Platz auszufüllen. „Er nennt sie alle insgesamt,“ wie geliebte Gegenstände, „mit ihrem Namen.“ Und damit noch nicht genug! Das Beste hat Er Sich vorbehalten. „Durch sein Herz ist Er weise; und durch seine eigene Macht ist Er stark.“ Wo ist das Sein, welches weise wäre aus Liebe? Zu Thoren macht die Geschöpfe oft die Liebe. Aber bei Gott ist eben die Liebe die Quelle aller Weisheit. In der Liebe besteht bei Gott alle Weisheit. Aus ihr heraus baut sich auf der Plan des All. Jeglicher Teil desselben, so wie er ist, hat seinen bestimmten Zweck infolge der Liebe. Die Liebe ist der Kitt, welcher das eine mit dem anderen verbindet. Und alles zusammen strömt kraft seiner Natur wieder aus die Liebe. Halten wir daran fest, wenn sich uns nun bald die größte Gottlosigkeit vorstellen wird. Der höchste Engel, der dem Bilde nach das Universum in sich trägt, der es an höchster Stelle nach Gott leitet; er liebt seiner Natur nach Gott mehr als sich selbst; und in ihm liebt das All Gott mehr als sich selbst. „Gott meines Herzens,“ so strömt es aus der gesamten Kreatur heraus; nur nach Gott hin strebt alle Kreatur kraft ihrer innersten Natur. Und der Herr? „Er ist weise durch sein Herz,“ sapiens corde est. Die Liebe Gottes nimmt in sich auf die Liebe der Kreatur. In Ihm allein findet alle Kreatur jenes Herz, in dem sie ausruhen kann. Da findet sie Liebe, unerschöpfliche Liebe. „Denn Er ist stark durch seine eigene Macht.“ Gott schaut auf nichts als auf seine Liebe, auf seinen Willen, um die glanzvollsten Geschöpfe hervorzubringen. Und Er schaut wieder auf nichts als auf seine Liebe, auf seinen Willen, um die niedrigsten Geschöpfe herzustellen. Jedes Geschöpf findet in Ihm seine Heimat. Das niedrigste wird in Gottes Liebe vollendet; denn durch Gottes Liebe werden alle Geschöpfe mit ihm, dem niedrigsten, eins; sie werden, wie Thomas sagt, „sein eigen.“ Und die glanzvollsten Geschöpfe sind in allem ihrem Glanze nichts, wenn die Liebe Gottes nicht ihre Freude ist und wenn sie nicht in der Liebe Gottes alle anderen Geschöpfe ehren und hochachten, mögen diese auch viel tiefer als sie stehen. „Mit Ehren sollen wir uns gegenseitig zuvorkommen,“ ermahnt der Apostel. „Eingeweide der Liebe“ sollen wir haben, ermahnt Paulus. „Jeder soll den anderen für seinen Oberen erachten.“ Dies gilt von der ganzen Schöpfung. Nur durch die Liebe ist jedes Geschöpf. Nur durch die Liebe hat es seinen bestimmten Platz und seine bestimmte Macht. Nur in der Liebe darf es sein Heil und seine Ehre suchen. Das sagt jedem Geschöpfe seine Natur; keines hat etwas mitgebracht, weder der höchste Engel, noch der geringste Staub. Von allem gilt ohne Ausnahme; ebenso von jedem Geschöpfe wie von allen Fähigkeiten in den Geschöpfen und von aller ihrer Thätigkeit, vom Fallen des Steines sowohl wie vom freien Entschlüsse: „Weise ist Er durch sein Herz; stark durch seine eigene Macht; wer wird Ihm widerstehen.“ Der heilige Thomas vergegenwärtigt uns dies jetzt noch eigens; indem er auseinandersetzt, wo die Engel ihren Ursprung haben.
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