Erster Artikel. Die Herrschaft über die Tiere.
a) Adam scheint keine Herrschaft über die Tiere besessen zu haben. Denn: I. Augustinus (9. sup. Gen. ad litt. 14.) sagt: „Durch den Dienst der Engel sind die Tiere zu Adam geführt worden, daß er ihnen Namen auflege.“ Diese Dienstleistung der Engel aber wäre unnütz gewesen, wenn Adam selber den Tieren hätte gebieten können. II. Viele Tierarten sind anderen entgegengesetzt; wie das Schaf z. B. dem Wolfe. Diese werden also nicht unter einer einzigen Herrschaft stehen. III. Hieronymus schreibt (ap. Bedam Hexaëm.; glossa.): „Vor der Sünde gab Gott dem Menschen, welcher der Tiere nicht bedürfte, die Herrschaft über dieselben; denn Er wußte vorher, daß nach der Sünde der Mensch den Beistand der Tiere brauchen würde.“ Also hatte er vor der Sünde wenigstens nicht den praktischen Gebrauch und die Ausübung derHerrschaft. IV. Dem Herrn ist es eigen, zu gebieten. Man gebietet aber nur jenem, der Vernunft hat. Auf der anderen Seite steht Gen. 1, 26.: „Er soll herrschen über die Fische des Meeres, über die Vögel des Himmels und die Tiere des Feldes.“
b) Ich antworte; der Ungehorsam seitens jener Wesen, welche der Natur nach dem Menschen unterworfen sind, rührt von der Sünde her und ist eine Strafe derselben. Also vor der Sünde bestand dieser Ungehorsam nicht. Alle Tiere sind nun der Natur nach dem Menschen untergeben. Das erscheint aus drei Erwägungen: 1. Wie im Entstehen der Dinge ein Fortgang ist vom Unvollkommenen zum Vollkommenen (denn der Stoff oder das Vermögen an sich ist wegen der Form; und die weniger vollkommene Wesensform ist wegen der mehr vollkommenen), so verhält es sich auch mit dem Gebrauche der Dinge. Denn das Unvollkommenere ist da zum Gebrauche des Vollkommeneren. Die Pflanzen gebrauchen die Erde zu ihrer Nahrung; der Pflanzen wieder bedienen sich die Tiere und der Mensch seinerseits gebraucht Pflanzen und Tiere. Deshalb sagt Aristoteles (1. Po!it. cap. 5.): „Das Jagen auf die Tiere des Waldes ist gerecht und der Natur angemessen; denn dadurch nimmt der Mensch in Anspruch, was ihm natürlicherweise zukommt und ihm zugehört.“ 2. Die Vorsehung Gottes leitet immer die unvollkommeneren Geschöpfe durch die vollkommeneren. Da also der Mensch unter den sinnbegabten Wesen kraft des Bildes Gottes, das er trägt, den Vorrang hat; so sind in höchst passender Weise seiner Leitung die Tiere unterworfen. 3. Die Eigentümlichkeit des Menschen und der Tiere beweist dies ebenfalls. Denn in den Tieren findet sich kraft ihrer Schätzungskraft eine gewisse Teilnahme an der Klugheit für einzelne besondere Thätigkeiten; im Menschen aber besteht die Klugheit im allgemeinen, die da ist der Grund für alles Wirken und Handeln. Was aber nur in beschränkter Weise teilnimmt an einer Vollkommenheit, ist immer dem untergeben, worin diese selbe Vollkommenheit ohne Beschränktheit ihrem allgemeinen Wesen nach existiert.
c) I. Die höhere Gewalt kann rücksichtlich der Untergebenen Manches, was die niedrige nicht kann. Die Gewalt der Engel ist aber höher wie die des Menschen. Also manche Wirkung in den Tieren kann von den Engeln herrühren, welche nicht der Mensch hervorbringen kann. II. Manche sagen, die Tiere, welche jetzt wild sind und andere erwürgen, wären damals zahm gewesen nicht nur gegenüber dem Menschen, sondern auch gegenüber den Tieren. Das aber ist durchaus unvernünftig. Denn die Natur der Tiere ist durch die Sünde des Menschen nicht geändert, so daß die Tiere, welche jetzt Fleisch fressen, damals dies nicht gethan hätten. Es wäre damals also ebenso der Natur nach Streit gewesen zwischen einzelnenTierarten, wie dies jetzt ist. Und wie sie deshalb nicht der Leitung Gottes entzogen werden, so waren sie damals nicht auf Grund dieses Gegensatzes der Vernunft des Menschen als der leitenden Richtschnur entzogen. Der Mensch hätte eben die Vorsehung Gottes in sichtbarer Weise ausgeführt; wie das jetzt noch erscheint, denn den Falken giebt der Mensch Hühner zur Nahrung. III. Im Stande der Unschuld bedurften die Menschen der Tiere 1. nicht zur Nahrung, denn sie aßen von den Früchten des Paradieses; 2. nicht zur Kleidung, denn sie waren nackt und schämten sich nicht, da nichts in ihnen die ungeordnete Begierde entflammte; 3. nicht als Transportmittel, denn sie waren selber stark. Sie bedurften derselben nur, damit die Erfahrung ihnen bestätigte, was sie von der Natur der Tiere bereits wußten. Und das ist dadurch ausgedrückt, daß zu Adam die Tiere geführt wurden, damit er ihnen Namen auflege, welche ihre innere Natur bezeichnen. IV. Alle Tiere besitzen in ihrer natürlichen Schätzungskraft eine gewisse Teilnahme an der Vernunft und an der Klugheit; und daher kommt es, daß die Bienen der Königin folgen, die Kraniche ihrem Führer. In dieser Weise nun wären die Tiere von ihnen selbst aus dem Menschen gefolgt; wie wir dies jetzt bei einigen Haustieren fehen.
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