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Während sie aber in solcher Stimmung sind und solches im Herzen Redenken, ergreift sie eine plötzliche und unerwartete Aufregung. Denn auf Befehl (Josephs) kam der Hausverwalter mit einer nicht geringen Schar von Dienern herangesprengt und gab ihnen (schon von ferne) durch Handbewegungen ein Zeichen, dass sie halten sollen. Ganz atemlos vom Laufen sprach er: „Nun habt ihr die früher gegen euch erhobenen Beschuldigungen besiegelt; Gutes mit Bösem vergeltend habt ihr wieder denselben Weg des Verbrechens eingeschlagen; nachdem ihr das Geld für das Getreide entwendet habt, begeht ihr jetzt einen noch grösseren Frevel; denn böse Tat geht immer weiter, wenn sie unbestraft geblieben ist. Den schönsten und kostbarsten Becher meines Herrn, aus dem er euch zutrank, habt ihr gestohlen, ihr so dankbaren, ihr so friedlichen Menschen, die ihr nicht einmal das Wort „Kundschafterei" kennen wollt, die ihr doppeltes Geld zum Ersatz für das frühere gebracht habt, vermutlich als schlaue Lockspeise, um grössere Beute zu gewinnen. Aber nicht immer kommt die Schlechtigkeit gut fort, wenn sie sich auch noch so schlau verbirgt, einmal wird sie doch ertappt". Über solche Rede waren sie ganz starr, Schmerz und Furcht, die beiden schlimmsten Übel, überfielen sie so plötzlich, dass sie nicht den Mund zu öffnen imstande waren; denn das Hereinbrechen unerwarteten Unglücks macht auch redegewandte Menschen sprachlos. Um aber nicht den Schein zu erwecken, dass sie schwiegen, weil sie sich in ihrem Gewissen schuldig fühlten, rafften sie sich aus der Erstarrung auf und sagten: „Wie sollen wir uns verteidigen und bei wem? Du, der Ankläger, sollst auch unser Richter sein, und du müsstest auch, wenn andere uns beschuldigen, unser Anwalt sein nach allem, was du über uns erfahren hast. Oder haben wir nicht das in den Säcken damals gefundene Geld, ohne dass einer es verlangte, wiedergebracht, um es abzuliefern? Jetzt aber sollen wir unsern Charakter so geändert haben, dass wir dem Gastgeber mit Schädigungen und Diebstählen (seine Güte) vergelten? Allein solches ist weder geschehen noch würde es uns je in den Sinn kommen. Wer von uns Brüdern im Besitz des Bechers betroffen wird, soll sterben; den Tod beantragen wir als Strafe für das Verbrechen, falls es wirklich geschehen ist, aus vielen Gründen: erstens weil Habsucht und das Begehren fremden Eigentums eines der grössten Verbrechen ist, zweitens weil der Versuch, die Wohltäter zu schädigen, eine Ruchlosigkeit ist, und drittens weil es die grösste Schmach ist, wenn Menschen, die auf ihre edle Abstammung stolz sind, das Ansehen ihrer Vorfahren durch strafwürdige Handlungen zu vernichten sich erdreisten. Wenn einer von uns gestohlen hat, ist er aller dieser Verbrechen schuldig, er hat mehrfach den Tod verdient, und soll sterben".
