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Als aber der König erfuhr, dass Josephs Vater noch lebe und die Familie zahlreich sei, forderte er sie (Josephs Brüder) auf, mit ihrer ganzen Familie auszuwandern, und versprach ihnen, wenn sie kommen würden, den fruchtbarsten Teil Ägyptens zu schenken. Er gibt den Brüdern auch Lastwagen und Reisewagen und eine Anzahl Lasttiere, die mit den Lebensmitteln beladen wurden, und genügende Dienerschaft, um den Vater sicher zu geleiten. Als sie aber bei ihm angekommen waren und die unglaublichen und unverhofften Dinge von dem Bruder erzählten, hörte er nicht sehr aufmerksam zu; denn wenn auch die Sprechenden glaubwürdig waren, so liess es doch das Ungewöhnliche der Sache nicht zu, ihnen leichthin Glauben zu schenken. Als der Greis aber die für solche Zeit allzu reichlichen Vorräte an Lebensmitteln sah, die mit den Erzählungen von Josephs Glück im Einklang standen, da pries er Gott, dass er ihm den verloren geglaubten Teil seines Hauses wiederschenkte. Die Freude darüber erzeugte aber auch sogleich die Besorgnis in seiner Seele wegen der Abwendung von den väterlichen Sitten (In der Bibel (1 Mos. 45,28) steht nichts von einer derartigen Besorgnis Jakobs. Philo will auf diese Weise die Worte „fürchte dich nicht nach Ägypten hinabzuziehen" (1 Mos. 46,3) erklären.); denn er wusste, dass die Jugend von Natur leicht strauchelt, und dass in der Fremde grössere Freiheit zu sündigen gegeben ist, besonders im Lande Ägypten, das in seiner Verblendung den wahren Gott verkennt und aus vergänglichen und sterblichen Dingen sich Götter bildet; er bedachte auch, dass Reichtum und Ruhm auf kleine Geister schädlich wirken, und dass er, allein gelassen und guter Lehrer beraubt, da keiner aus dem väterlichen Hause, der ihn zurechtweisen konnte, mit ihm ausgezogen war, leicht zur Annahme fremder Sitten geneigt sein konnte. Als nun der, welcher allein in die unsichtbare Seele zu schauen vermag, ihn in solcher Stimmung sah, hatte er Erbarmen mit ihm und erschien ihm nachts im Schlafe und sagte: „Fürchte nichts wegen der Reise nach Ägypten; ich selbst werde dir auf dem Wege vorangehen und dir die Reise sicher und angenehm machen; ich werde dir auch den heissgeliebten Sohn wiedergehen, der einstmals vor vielen Jahren tot geglaubt wurde und der jetzt nicht nur lebend, sondern auch als Beherrscher eines so grossen Landes wiedererscheint". Da wurde Jakob von guter Hoffnung erfüllt und betrieb freudig in aller Frühe die Abreise. Als der Sohn vernahm — denn Späher und Wegweiser berichteten ihm alles —, dass der Vater nicht mehr weit von der Grenze entfernt sei, ging er ihm rasch entgegen; und als sie bei der sogenannten Heroenstadt (Die Septuaginta übersetzt 1 Mos. 46,29 HnVG (nach Gosen) durch kαθ' Ηρώων πόλιν. Auch Josephus Alt. II § 184 folgt hier der Septuaginta.) sich trafen, fielen sie sich in die Arme, lehnten jeder den Kopf auf die Schulter des andern und benetzten ihre Kleider mit Tränen; so hielten sie sich in langer Umarmung und konnten nur mit Mühe ein Ende finden; dann eilten sie zusammen zur Residenz. Als der König den Greis erblickte, war er über sein ehrwürdiges Aussehen erstaunt und begrüsste ihn mit aller Achtung und Ehrerbietung wie seinen eigenen Vater, nicht wie den eines Untergebenen; und nach den der Sitte entsprechenden ausnehmend freundlichen Begrüssungen schenkt er ihm ein fruchtbares und sehr ertragreiches Stück Land; und da er erfährt, dass seine Söhne Viehzüchter seien, deren Habe grösstenteils in Viehherden bestehe, setzt er sie zu Hütern seiner eigenen Herden ein und übergibt seine Ziegen-, Rinder- und Schafherden und alle andern ihrer Obhut.
