11.
Um die übernommene Aufgabe zu erfüllen (251,10), wollten wir die Frage der Gesetzesvorschriften auch an dieser Stelle nicht mit Schweigen übergehen, haben sie aber in grösstmöglicher Kürze abgehandelt. Im übrigen füllten detaillierte und minutiöse Untersuchungen darüber eine Vielzahl von umfangreichen Büchern, die nichts anderes ergaben, als dass in diesen Vorschriften Christus prophezeit wurde. So ergibt sich, dass all diese Gesetzesvorschriften aus dem Alten Testament, die eurer Meinung nach von den Christen nicht eingehalten werden, weil Christus sie aufgehoben habe, in Wirklichkeit von den Christen nicht eingehalten werden, weil Christus sie vollendet hat. Denn die Einhaltung solcher modellbildhafter Vorschriften stellte ja nichts anderes dar als eine Ankündigung Christi. Warum sollte es also seltsam sein, warum widersinnig, warum nicht vielmehr völlig passend und folgerichtig, wenn es nach seiner Ankunft mit all dem ein Ende hatte, was dazu diente, seine Ankunft anzukündigen? Man darf daher die Tatsache, dass jene Modellbilder künftiger Wirklichkeit – deren Beobachtung dazu diente, den kommenden Christus anzukündigen –, nach dem Kommen Christi nicht mehr beobachtet wurden, keineswegs so deuten, dass Christus nicht gekommen ist, sie zu vollenden (cf. Mt. 5,17); richtig ist der umgekehrte Schluss, dass sie weiterhin beobachtet würden, wenn Christus nicht gekommen wäre, sie zu vollenden. Es ist aber unmöglich, Menschen in irgendeiner Religionsgemeinschaft – gleichgültig ob sie auf Wahrheit oder Täuschung beruht – zu vereinen, wenn diese Menschen nicht durch irgendein Siegel oder sichtbares Heilssymbol, das allen gemeinsam ist, zusammengehalten werden. Die Bedeutung dieser Heilssymbole ist unbeschreibbar gross, und ihre Missachtung ist deshalb ein Frevel gegen die Religion. Etwas zu missachten, ohne das Gottgläubigkeit unmöglich ist, ist nämlich in sich eine Gottlosigkeit.
