23. Wie die Kost eines Mönches beschaffen sein soll.
Man muß also nicht bloß eine Kost wählen, welche die Gluth der brennenden Begierlichkeit dämpft oder weniger entflammt, sondern eine solche, die auch leicht zu bereiten ist und neben dem Vortheil des zweckmäßigen Genusses auch den der Wohlfeilheit bietet und endlich der gemeinsamen Lebensweise der Brüder entspricht. Denn dreifach ist die Natur der Gaumenlust: erstens dringt sie darauf, der bestimmten Essensstunde vorzugreifen; zweitens findet sie nur Lust an dem Vollpfropfen des Magens und an der Uebersättigung mit jedweder Speise; drittens setzt sie ihr Vergnügen in feinere und schmackhaftere Mahlzeiten. Deßhalb muß auch der Mönch gegen dieselbe eine dreifache Wachsamkeit üben: nämlich erstens die festgesetzte Zeit abwarten, die ihn vom Fasten erlöst; zweitens dem Verlangen nach Sättigung nicht nachgeben; drittens mit allen beliebigen, auch geringeren Speisen vorlieb nehmen. Was man sich aber neben dem gewohnten und allgemeinen Gebrauche herausnimmt, brandmarkt eine sehr alte Ueberlieferung der Väter als von der Krankheit der Eitelkeit, Ruhmsucht und Prahlerei angefressen, und noch nie haben wir erfahren, daß Solche, die sich, wie uns bekannt, ein glänzendes Verdienst in der Wissenschaft und Schärfe des Urtheils erworben haben, oder welche die Gnade Christi Allen als überaus glänzende Lichter zur Nachahmung hingestellt hat, daß Diese sich den Genuß des Brodes, das bei ihnen billig und leicht zu haben ist, versagt hätten. Und niemals haben wir gesehen, daß Einer von Denen, die von dieser Regel abgingen, den Genuß des Brodes unterließen und dem von Gemüse oder Obst sich ergaben, unter die besonders Tugendhaften gezählt worden sei, geschweige denn die Tugend der Klugheit oder Wissenschaft S. 119 erlangt habe. Denn nach der Väter Ansicht soll der Mönch nicht nach Speisen verlangen, welche die übrigen nicht gewohnt sind. Hierdurch wird nur sein Wandel gleichsam in’s Freie vor Aller Augen ausgestellt als ein eitler und nichtiger, und er selbst stirbt an der Krankheit der Ruhmsucht dahin. Ja, die Väter gingen noch weiter und behaupteten, nicht einmal die allgemeine Züchtigung vermittelst Fasten dürfe der Einzelne leichthin zur Schau tragen, sondern soviel es möglich sei, müsse man sie bedecken und verbergen. Man hielt es aber für rathsamer, einem besuchenden Bruder mehr die Tugend der Nächstenliebe entgegenzubringen, als die Strenge der Enthaltsamkeit und den Ernst des täglich gefaßten Vorsatzes zu offenbaren. Denn man war nicht so sehr auf das bedacht, was unser Wille und Nutzen verlangt, als bemüht, dem Ankömmling Dasjenige vor Augen zu stellen, was seine Ruhe oder Schwachheit erheischt, und führte Dieß alles mit freundlicher Miene aus.
