Zweiter Artikel. Wegen der Güte Gottes sind die körperlichen Dinge geschaffen.
a) Dem steht gegenüber: I. Sap. 1. 14.: „Gott hat alles erschaffen, damit es sei.“ Also damit die Dinge eigenes Sein haben, sind sie geschaffen. II. Das Gute trägt die Natur des Zweckes. Wo also ein höheres Gut ist, das muß der Zweck dessen sein, was ein minderes Gut ist. Nun steht aber im Charakter des Guten die geistige Natur höher wie die körperliche. Also ist letztere wegen der geistigen Natur da und nicht wegen der göttlichen Güte. III. Mit der Gerechtigkeit verträgt es sich nicht, Ungleiches zu geben, außer jenen Dingen, die schon an sich ungleich sind. Vor aller Ungleichheit also, die von Gott kommt, besteht eine Ungleichheit, welche nicht in Ihm ihren Ursprung hat. Eine solche Ungleichheit aber kann keine andere sein wie jene, welche aus den verschiedenen freien Willensbewegungen entsteht. Somit folgt alle Ungleichheit aus den verschiedenen freien Willensakten. Die körperlichen Kreaturen aber stehen entsprechend den geistigen auf ungleicher Stufe. Demnach sind die körperlichen Kreaturen gemacht auf Grund der verschiedenen freien Willensbewegungen der geistigen. Auf der anderen Seite steht Prov. 16, 4.: „Alles hat der Herr wegen Seiner selbst gemacht.“
b) Ich antworte, daß Origenes (2 Periarch. cap. 1. et 9.) annahm, die körperlichen Kreaturen habe Gott von vornherein nicht beabsichtigt, sondern nur zur Strafe der sündigen geistigen Kreatur hervorgebracht. Gott hätte im Anfange nur die geistigen Naturen gemacht und zwar alle einander gleich. Von diesen nun hätten einige kraft ihrer Freiheit sich zu Gott gewandt und je nach der Kraft ihres freien Willensaktes einen verschiedenen Grad der Seligkeit erlangt, während sie alle insgesamt jedoch in der Einfachheit ihrer Natur verblieben; andere seien von Gott abgefallen und je nach dem Grade des Abfalles zur Strafe an verschiedene körperliche Naturen gebunden worden. Diese Annahme jedoch ist vollauf irrig; und zwar aus folgenden Gründen: 1. Sie widerspricht der Schrift, welche nach der Hervorbringung einer jeden Gattung körperlicher Naturen hinzufügt: „Gott sah, daß sie gut war;“ womit offenbar gesagt wird, jegliches sei deshalb gemacht, weil es gut ist daß es sei. Origenes aber meint, die körperliche Natur sei nicht gemacht, weil es ein Gut ist, daß sie sei; sondern damit sie zur Bestrafung der Sünder diene. 2. Es würde folgen, daß die Teile des Universum nicht einer leitenden Absicht entspringen, sondern durch den Zufall gemacht und in Harmonie zusammengefügt sind. Denn besteht die Sonne deshalb, damit die Sünde einer geistigen Substanz gestraft würde, so müßten, falls mehrere Geister in derselben Weise gesündigt hätten, mehrere Sonnen sein. Dasselbe würde für den Mond u. dgl. gelten. Das sind aber durch und durch Unzuträglichkeiten. Diesen Irrtum also verlassen wir und berücksichtigen, daß aus allen Teilen der Welt das All gebildet wird wie das Ganze aus seinen Teilen. Wenn wir aber für ein Ganzes und für jeden Teil desselben einen Zweck angeben wollen, so finden wir z. B. beim Menschen
a) daß jeglicher Teil zu einem besonderen Zwecke da ist, wie das Auge zum Sehen;
b) daß der minder edle Teil da ist wegen des hervorragenderen wie die Sinne wegen der Vernunft, die Lunge wegen des Herzens;
c) daß alle Teile da sind wegen der Vollendung des Ganzen, denn was der Stoff ist für die Substanz und ihre Wesensform, das sind die Teile für die Vollendung des Ganzen;
d) daß noch weiter der ganze Mensch da ist um eines außerhalb liegenden Zweckes willen, nämlich daß er an Gott sich freue. So nun verhält es sich auch im ganzen All. Jede Kreatur hat einen besonderen Zweck und eine eigene Vollendung. Die minder edlen Kreaturen sind wegen der hervorragenderen da; wie diejenigen, welche unter dem Menschen sind, wegen des Menschen bestehen. Jede einzelne Kreatur aber dient der Vollendung des Ganzen. Das All jedoch mit seinen einzelnen Teilen ist hingeordnet zu Gott wie zu seinem Zwecke, insofern darin eine Ähnlichkeit mit der göttlichen Güte zur Ehre Gottes hervorstrahlt. Zudem haben die vernünftigen Kreaturen noch dazu in eigener Weise Gott zum Endzwecke; denn sie können Ihn mit ihrer Thätigkeit erreichen in Liebe und Erkenntnis. Und so ist offenbar die göttliche Güte der Zweck des Körperlichen.
c) I. Dadurch selber daß eine Kreatur Sein hat, stellt sie die göttliche Güte dar. II. Der nächste Zweck schließt den letzten nicht aus. Daß also die körperliche Natur gewissermaßen wegen der geistigen gemacht ist, schließt nicht aus, daß sie wegen der göttlichen Güte gemacht worden. III. Die Gleichheit ist nichts Charakteristisches der Gerechtigkeit, wenn es sich um die erste Bildung der Dinge handelt; sondern nur in dem Falle wenn es gilt, gleichen Verdiensten gleichen Lohn zu geben. So nämlich setzt der Baumeister die Steine derselben Gattung in die verschiedenen Teile des Gebäudes ein ohne Ungerechtigkeit; indem er nicht auf die Verschiedenheit Rücksicht nimmt, die in den Steinen vorhergegangen ist, sondern nur auf die Vollendung des Bauwerkes, die damit allein besteht, daß an verschiedenen Stellen die Steine eingesetzt werden. Ähnlich hat der Herr von Anfang an, damit das Ganze vollendet sei, verschiedene und einander ungleiche Kreaturen nach seiner Weisheit ohne Ungerechtigkeit gebildet, obgleich Er keinerlei Ungleichheit in den Verdiensten voraussetzte.
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