Vierter Artikel. Die Wesensformen der Körper sind nicht von den Engeln.
a) Dagegen spricht: I. Boëtius, der da sagt (I. de Trin.): „Von den stofflosen Formen kommen die Formen, die im Stoffe bestimmend vorhanden sind.“ Die ersteren Formen aber sind die geistigen Substanzen, die letzteren die Körper. Also kommen die Körperformen von den Engeln. II. Was nur teilnimmt an etwas läßt sich auf das zurückführen, was dieses selbe dem Wesen nach ist. Die geistigen Substanzen aber sind ihrem Wesen nach Wesensformen; die körperlichen nehmen bloß an diesen Formen teil. Also leiten sie sich ab von den geistigen Substanzen. III. Die geistigen Substanzen haben mehr verursachende Kraft, wie die Himmelskörper. Die letzteren aber verursachen Formen in diesen niedrigeren Dingen, weshalb sie als die Ursache des Entstehens und Vergehens bezeichnet werden. Auf der anderen Seite sagt Augustin (3. de Trin. 8.): „Wir dürfen nicht meinen, daß den Engeln auf ihren Wink dieser körperliche Stoff folgt; dies thut er vielmehr nur Gott gegenüber.“ Der Stoff aber folgt jener Ursache auf ihren Wink, von der er seine Wesensform erhält. Also ist letztere von Gott und nicht von den Engeln.
b) Ich antworte; es war die Meinung mancher, daß alle Körperformen sich von den geistigen Substanzen ableiten, die wir Engel nennen. 1. Plato nämlich nahm an, daß die sinnlich wahrnehmbaren Formen von den geistigen Formen kommen durch einfache Teilnahme an denselben. Er meinte, es gäbe z. B. einen Menschen, der stofflos für sich bestände; und ebenso ein Pferd u. dgl.; und daraus leiteten sich vermittelst eines Eindrucks auf den Stoff die einzelnen stofflichen Menschen, Pferde u. dgl. ab. Und gemäß diesen Formen nahmen die Platoniker die Ordnung in den geistigen Substanzen an; wie z. B. es sei eine vom Stoffe getrennte Substanz „Pferd“, die da Ursache aller Pferde ist; und darüber eine eben solche Substanz „Leben“, die sie das Für-sich-leben nannten, von der alles Lebendige käme; und so sei dann ein „Für-sich-sein“, was alles Sein verursache. 2. Avicenna behauptete, die Formen der körperlichen Dinge existierten gar nicht an und für sich, sondern nur in der Vernunft. Von den Formen aber, die in der Vernunft der stofflosen Verstandeskräfte existieren, die wir Engel, Avicenna Intelligenzen nennt, sollen dann alle Formen kommen, welche im körperlichen Stoffe sind, wie von den Formen im Geiste des Künstlers die Formen der Kunstwerke ausgehen. Damit scheint zusammenzufallen, was einzelne moderne Häretiker annehmen, die da meinen, Gott sei wohl der Erschaffer von allem; aber der körperliche Stoff sei vom Teufel gebildet und in verschiedene Formen gebracht. Alle diese Meinungen gehen aus ein und derselben Wurzel hervor. Diese Autoren forschten nach der Ursache dieser Formen im Stoffe, als ob dieselben für sich selbst, um ein eigenes Für-sich-bestehen zu haben, hervorgebracht würden. Dagegen beweist Aristoteles, daß im eigentlichen Sinne das Zusammengesetzte verursacht wird. Die Wesensformen der vergänglichen Dinge aber haben das an sich, daß sie bisweilen sind und bisweilen nicht sind, ohne daß sie selber ein Entstehen oder Vergehen hätten; sondern sie entstehen und vergehen mit den zusammengesetzten Dingen. Denn die Formen haben für sich kein eigenes Sein, vielmehr haben nur die zusammengesetzten Dinge vermittelst dieser Formen Sein; so nämlich kommt einem Dinge das Werden zu, wie ihm das Sein zukommt. Und deshalb, da jede Ursache etwas ihr Ähnliches hervorbringt, darf man als nach der Ursache der körperlichen Formen nicht nach einer beschränkten stofflosen Wesensform suchen; sondern nach einem Zusammengesetzten, wie z. B. dieses Feuer von diesem Feuer erzeugt wird. So also werden die körperlichen Wesensformen erzeugt; nicht als ob sie der Ausfluß irgend einer für sich bestehenden stofflosen Form wären, sondern weil der Stoff von seiten einer zusammengesetzten wirkenden Ursache aus dem Vermögen zu etwas in die Thatsächlichkeit hinübergeführt worden ist. Weil aber diese zusammengesetzte wirkende Ursache, die da eben ein Körper ist, den Anstoß zur Bewegung erhält von einer geschaffenen geistigen Substanz, wie Augustin sagt (3. de Tri n. c. 4. et 5.), so folgt des weiteren, daß wohl die körperlichen Formen von den geistigen Substanzen sich ableiten; jedoch nicht als ob sie ein Ausfluß der letzteren wären, sondern weil diese zu den entsprechenden Formen hinbewegen. Und noch weiter werden auf Gott selbst als auf die erste Ursache die Ideen der Engelvernunft zurückgeführt, die da gewisse maßgebende Seinsgründe sind für die Formen des Körperlichen. Nun ist aber in der ersten Hervorbringung der Dinge nicht die Rede davon, daß da ein bereits bestehendes Vermögen in die Thatsächlichkeit hinübergeführt würde. Und deshalb sind die Formen des Körperlichen, welche in dieser ersten Hervorbringung die Körper hatten, unmittelbar von Gott hervorgebracht, dem allein der Stoff als seiner eigentlichen Ursache auf den bloßen Wink hin gehorcht. Deshalb sagt Moses bei den einzelnen Werken immer: „Es sprach Gott;“ „Es werde.“ Damit wird ausgedrückt, wie die Dinge gebildet worden sind durch das Wort Gottes, von dem nach Augustin (tract. I. in Joan.; I. sup. Gen. ad litt. 4.) herrührt alle Form und alles Zusammenfügen und alle Eintracht unter den Teilen.
c) I. Boëtius versteht unter den stofflosen Formen die Exemplarideen im göttlichen Geiste, wie Paulus sagt (Hebr. 11, 3.): „Durch den Glauben sind wir überzeugt, die zeitliche Entwicklung seien angepaßt dem Worte Gottes, daß aus dem Unsichtbaren das Sichtbare würde.“ Versteht Boëtius die Engel unter diesen Formen, so wird erwidert, daß von ihnen die stofflichen Formen kommen nicht als ein Ausfluß, sondern vermittelst dem Anstoße zur Bewegung. II. Die dem Stoffe mitgeteilten Formen werden auf die Ideen im Engelgeiste zurückgeführt, denen gemäß die Engel den Anstoß zur Bewegung geben; und weiter auf die Exemplaridee in Gott, von denen auch die Anfänge und gleichsam der Same zu diesen Formen kommen. III. Die Himmelskörper verursachen durch Bewegung.
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