Zweiter Artikel. Das Licht ist kein Körper.
a) Dagegen sagt: I. Augustin: „Das Licht hat unter den Körpern den Vorrang.“ (3. de lib. arbitr. c. 5.) II. Aristoteles schreibt (5. Topic. c. 2.): „Das Licht ist eine dem Feuer untergeordnete Gattung.“ Das Feuer aber ist ein Körper. Also ist dies auch das Licht. IIl. Getragen werden, gebrochen werden, zurückgeworfen werden sind Prädikate, die so recht eigentlich von Körpern gebraucht sind. Sie werden aber auch vom Lichte ausgesagt oder vom Lichtstrahl. Denn, wie Dionysius sagt (3. de div. nom.), werden die verschiedenen Lichtstrahlen verbunden und getrennt; was ebenfalls nur von etwas Körperlichem gelten kann. Auf der anderen Seite können zwei Körper nicht zugleich am selben Orte sein. Die Luft aber ist dies zugleich mit dem Lichte. Also ist das Licht kein Körper.
b) Ich antworte; es ist völlig unmöglich, daß das Licht ein Körper sei und zwar aus drei Gründen: 1. Mit Rücksicht auf den Ort. Denn der Ort des einen Körpers ist verschieden von dem des anderen; und gemäß der Natur ist es nicht möglich, daß zwei Körper zugleich am selben Orte sind, wie auch immer die Körper beschaffen seien. Denn was in sich zusammenhängt, erfordert einen dementsprechenden Unterschied in seiner Lage. Das Licht aber ist zugleich mit jeder Art Körper. 2. Auf Grund der Bewegung. Wäre das Licht ein Körper, so würde die Erhellung eine Bewegung sein von Ort zu Ort. Eine solche Bewegung kann aber nicht im Augenblicke sein; denn was bewegt wird, kommt zuerst zur Mitte und dann zum Endpunkte. Das Licht aber erhellt im Augenblicke. Es kann auch nicht gesagt werden, daß die Bewegung in einer äußerst kurzen, kaum wahrzunehmenden Zeit geschieht. Denn dies hätte Sinn, wenn es sich um eine der Ausdehnung nach geringe Bewegung handelte. Hier aber ist der erhellte Raum ungemein groß. Denn gleich daß die Sonne in einem Punkte aufgegangen ist, beleuchtet sie die ganze Erdhälfte bis zum gerade entgegengesetzten Punkte. Ferner hat jeder Körper eine bestimmte, seiner Natur entsprechende Bewegung. Die Bewegung des Lichtes aber ist nach allen Seiten; sie ist ebenso gut im Kreise wie in der geraden Linie. Also ist die Erhellung keine Bewegung eines Körpers von Ort zu Ort. 3) Mit Rücksicht auf das Entstehen und Vergehen. Denn wenn das Licht ein Körper wäre, so würde, wenn die Luft infolge der bestimmten Form und der Einwirkung des Leuchtenden dunkel wird, daraus folgen, der Körper des Lichtes sei vergangen und verdorben und sein Stoff hätte eine andere bestimmende Form angenommen. Dann müßte man aber auch sagen, die Finsternis sei ein Körper. Es kann auch gar nicht gezeigt werden, aus welchem Stoffe denn ein so großer Körper täglich entstehe. Denn lächerlich ist es zu sagen, daß das Vergehen und die Auflösung des Lichtes nur eine Folge der Abwesenheit des Lichtkörpers sei. Sollte aber auch wirklich jemand meinen, das Licht vergehe nicht, sondern es komme mit der Sonne und gehe wieder mit der Sonne; was soll er dann dazu sagen, daß durch einen dazwischengestellten Körper das ganze Haus dunkel wird, trotzdem die Kerze brennt; jedenfalls wird das sonst im ganzen Zimmer ausgegossene Licht nicht um die Kerze herum gesammelt. Denn da, in der nächsten Nähe der brennenden Kerze, ist es nicht heller wie es vorher war, als das Licht noch im ganzen Zimmer alles erhellte. Alles dies ist nicht nur der Vernunft, sondern auch der sinnlichen Wahrnehmung zuwider. Also ist das Licht kein Körper.
c) I. Augustin spricht vom Lichte, insofern ein Körper thatsächlich leuchtet; nämlich anstatt des Feuers, des höchsten der Elemente, setzt er es. II. Aristoteles nimmt Licht für das Feuer in dessen eigentümlichen Stoffe; wie das Feuer im Luftstoffe Flamme genannt wird, im Erdstoffe Kohle. Jedoch spricht Aristoteles in den logischen Büchern nach dem, was in der Meinung anderer wahrscheinlich ist. Deshalb haben da seine Beispiele nicht viel Wert. III. Jene Eigenschaften werden dem Lichte figürlich zugeschrieben. Denn weil die Bewegung von Ort zu Ort naturgemäß die erste und die Grundlage aller stofflichen Veränderungen ist, so bedienen wir uns dieses Wortes „Bewegung“ und ähnlicher Ausdrücke für alle Veränderungen; wie ja auch der Name „Entfernung“ vom Orte her zur Bezeichnung jedes Gegensatzes benützt wird.
