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Wenn aber Herodes dem Neugeborenen nach dem Leben trachtete1, so ist dies nicht wunderbar, mag S. 84 auch der Jude bei Celsus die Wahrheit dieser Tatsache bezweifeln. Denn die Bosheit ist eine gewisse blinde Macht, sie hält sich für stärker als das Schicksal und will es bezwingen. Das war auch bei Herodes der Fall, er war des Glaubens, dass ein König der Juden geboren sei, und faßte trotzdem einen Entschluß, der diesem Glauben widersprach; er übersah, dass das Kind entweder in jedem Fall ein König sei und zum Throne gelangen würde, oder dass es nicht König sein würde, und seine Ermordung also unnötig wäre. Er wollte ihn nun töten in seiner Bosheit von Gedanken beherrscht und geleitet, die sich widersprachen und von dem blinden und argen Teufel angetrieben, der dem Heiland bereits von Anfang an nachstellte, da er sich sagte, dass dieser etwas Großes sei und sein würde. Ein „Engel“, der die Abfolge der Ereignisse beobachtete, gab nun, wenn Celsus dies auch nicht glauben will dem Joseph die Weisung, er solle mit dem Kind und dessen Mutter „nach Ägypten fliehen“2. Herodes aber ließ „alle Kinder in Bethlehem und in der nächsten Umgebung dieser Stadt ermorden“,in der Meinung, er werde so auch den neugeborenen König der Juden mit umbringen.3 Er sah ja die Macht nicht, die rastlos über jenen wacht, die des Schutzes und der Erhaltung für das Heil der Menschheit würdig sind.
Unter diesen allen war aber Jesus der erste und größte an Ehre und Würde, berufen, ein König zu sein, jedoch nicht so, wie Herodes es meinte, sondern wie es sich für einen gebührte, den Gott mit dem Königtum betraute, um den vom Könige Regierten Gutes zu tun, ein König, der sozusagen keine mittelmäßige und gleichgültige Wohltätigkeit gegen seine Untertanen üben, sondern sie durch wahrhaft göttliche Gesetze erziehen und gewinnen sollte. Dessen war sich auch Jesus bewusst; deshalb sagte er, er sei kein König in dem Sinne, wie der große Haufe es erwartete und wies auf den außerordentlichen Charakter seines Reiches mit den Worten hin: „Wäre mein Reich von dieser Welt, so würden wohl meine Diener kämpfen, dass ich den S. 85 Juden nicht ausgeliefert würde; nun aber ist mein Reich nicht von dieser Welt“4. Wenn Celsus dies beachtet hätte, so würde er nicht sagen: „ Wenn (dies aber Herodes tat), damit du nicht herangewachsen in seiner Stadt König wärst, warum bist du, nachdem du herangewachsen warst, nicht König, sondern bettelst so unmännlich, du, der Sohn Gottes, und versteckst dich aus Furcht und ziehst in Jammer und Elend herum?“ Aber es ist nicht „unmännlich“ den Gefahren nach Heilsveranstaltung auszuweichen und sich ihnen nicht auszusetzen, nicht aus Furcht die dem Tode, sondern in der Absicht, den Menschen durch ein längeres Leben Gutes zu erweisen, bis die geeignete Stunde gekommen war, dass der, welcher menschliche Natur angenommen hatte, den Tod eines Menschen starb, der ein großes Heil für die Menschen bedeutete. Dies ist klar für jeden, der erkannt hat, dass Jesus für die Menschen gestorben ist. Hierüber haben wir, so gut wir es konnten, bereits oben5 gesprochen.
