2.
Du bittest oder vielmehr du befiehlst mit dem Rechte der Liebe, wir möchten auf dem Gefilde der Schrift spielen, ohne uns gegenseitig Schmerz zu bereiten1. Was nun mich betrifft, so möchte ich lieber im Ernste als im Spiel eine so wichtige Sache behandeln. Ich gestehe, ich erbitte mir etwas Größeres von deinem Wohlwollen, deinen Kräften, deiner so umsichtigen Gelehrsamkeit, deiner ruhigen, gereiften, emsigen und scharfsinnigen Sorgfalt. Denn der Heilige Geist hat es dir nicht nur verliehen, sondern er befiehlt es dir, bei großen und schwierigen Fragen nicht jene zu unterstützen, die aus dem Gefilde der Schrift gleichsam spielen wollen, sondern jene, die ihre Berge besteigen. Hast du aber wegen der Heiterkeit, die bei einem Streite unter guten Freunden herrschen soll, den Ausdruck „wir sollten spielen“ gebraucht, ohne Rücksicht darauf, ob der Gegenstand unseres Gespräches klar und einfach oder dunkel und schwierig sei, so gib mir bitte an, auf welche Weise wir dies fertig bringen könnten. Überlege doch: es könnte uns etwas auffallen, was uns aus Mangel an Achtsamkeit oder wenigstens infolge zu langsamer Fassungskraft nicht eingehen will; wenn wir nun unsere Ansicht dagegen geltend machten und hierbei bisweilen mit rücksichtsloser Freimütigkeit sprächen, so könnten wir in den Verdacht knabenhafter Prahlsucht geraten, gleich als ob wir durch einen Angriff auf berühmte Männer unserem Namen einen Klang verschaffen wollten. Wenn aber wegen des Zwanges der Widerlegung ein hartes Wort gefallen ist und wir dann, um es erträglich zu machen, verbindliche Bemerkungen darauf folgen lassen, so möge dies nicht so ausgelegt werden, als kämpften wir mit honigbestrichenem Schwerte. Außerdem wüßten wir kein Mittel, um diese beiden Fehler oder wenigstens ihren Schein zu fliehen, als daß wir im S. 292 Disput mit dem gelehrteren Freunde alles billigen müßten, was er nur sagt, so daß es dann nicht einmal der Untersuchung halber erlaubt wäre, im geringsten anderer Meinung zu sein.
Brief 81 Schluß: In scripturarum, si placet, campo sine nostro invicem dolore ludamus. ↩
