II. 4.
Wenn ich nun im Hinblick auf dein Leben und deinen Charakter glaube, daß du dies nicht in verstellter Weise oder in trügerischer Absicht gesagt hast, um wieviel mehr muß da meine Ansicht richtig sein, daß S. 293 dieselbe Gesinnung auch aus den Worten des Apostels Paulus über Petrus und Barnabas spreche: „Da ich sah, daß sie nicht gerade nach der Wahrheit des Evangeliums wandelten, so sprach ich zu Petrus vor allen: Wenn du, da du doch ein Jude bist, nach Weise der Heiden und nicht nach Weise der Juden lebst, warum zwingst du die Heiden, nach Weise der Juden zu leben?“1 Wem darf ich noch in Wort und Schrift trauen, wenn sogar der Apostel seine Kinder täuschte, für die er aufs neue Geburtsschmerzen litt, bis in ihnen Christus, das heißt die Wahrheit, gebildet wurde? Er weist sie eingangs daraufhin: „Was ich euch aber schreibe, sehet, vor Gott: ich lüge nicht“2, und soll dann doch ihnen nicht der Wahrheit gemäß geschrieben, sondern mit irgendeiner klugen Heuchelei fälschlich gesagt haben, er habe gesehen, daß Petrus und Barnabas nicht gerade nach der Wahrheit des Evangeliums wandelten, und er habe dem Petrus ins Angesicht Widerstand geleistet3 wegen keiner geringeren Sache, als weil er die Heidenchristen zwinge, nach Weise der Juden zu leben?
