7.
Es ist nicht glaublich, sagst du, daß Paulus an Petrus getadelt habe, was Paulus selbst getan hatte. Ich frage jetzt nicht, was er getan, sondern was er geschrieben hat. Darum handelt es sich vor allem bei der vorliegenden Frage, daß die Wahrhaftigkeit der Heiligen Schrift — die nicht von beliebigen Personen, sondern von den Aposteln selbst zur Begründung unseres Glaubens aufgezeichnet wurde und deshalb als Glaubensregel das höchste Ansehen genießt — in jeder Hinsicht unzweifelhaft und sicher feststehe. Hat aber Petrus nur getan, was er tun mußte, so hat Paulus lügenhaft erklärt, er habe ihn nicht gerade nach der Wahrheit des Evangeliums wandeln sehen; denn wer tut, was er tun muß, handelt gerade. Wer also sagt, er habe nicht gerade gehandelt, der sagt von ihm eine Lüge, weil er weiß, daß er so handeln mußte. Wenn aber Paulus die S. 295 Wahrheit geschrieben hat, so ist es wahr, daß Petrus damals nicht gerade nach der Wahrheit des Evangeliums wandelte. Er tat also, was er nicht tun durfte. Und wenn auch Paulus selbst etwas Ähnliches getan haben sollte, so will ich doch lieber glauben, er habe, obwohl selbst in diesem Punkte zurechtgewiesen, dennoch die Zurechtweisung seines Mitapostels nicht unterlassen können, als daß er lügenhafter Weise etwas in seinem Brief geschrieben habe. Und dies würde ich von jedem seiner Briefe annehmen; um wieviel mehr noch von jenem, in dem er im voraus sagt: „Was ich aber euch schreibe, sehet, vor Gott: ich lüge nicht!“1
Gal. 1, 20. ↩
