21.
Was bedeuten aber, ich bitte dich, deine Worte: „Nicht heuchlerisch, wie unsere Vorfahren geglaubt haben“?1Verstehst du etwa das darunter, was ich eine Dienstlüge2 nenne, so daß diese dispensatio gleichsam in der Kunst besteht, mit Anstand zu lügen? Eine andere Erklärung finde ich nicht, außer der Ausdruck dispensative müsste gebraucht sein, um die Lüge nicht als Lüge erscheinen zu lassen. Wenn dies ungereimt ist, warum sagst du denn nicht geradezu, dass die Dienstlüge sich verteidigen lasse? Oder ist dir dieser Name nur anstößig, weil das Wort officium in den kirchlichen Büchern nicht eben gebräuchlich ist? Allein dieser Umstand hat unseren Ambrosius nicht abgehalten, einige höchst nützliche und lehrreiche Bücher „de officiis“ zu betiteln. Oder ist etwa einer Schuld zu zeihen, wer dienstlich lügt, hingegen zu loben, wer es aus Zweckmäßigkeitsgründen tut? Ich bitte dich, wer dieser Ansicht ist, der lüge, in welcher Weise es ihm gut scheint. Denn das ist doch eine große Frage, ob ein guter Mensch und gar ein guter Christ je einmal lügen dürfe, da ihm gesagt ist: „In eurem Munde sei: Ja, ja, nein, nein“3.Und er hört auch mit gläubigem Herzen das Wort: „Du wirst die vertilgen, die Lügen reden“4.
