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Warum sollte ich aber nicht behaupten, daß jene alttestamentlichen Zeremoniengesetze weder gut seien, da sie nicht die Menschen rechtfertigen, sondern nur vorbildliche Bedeutung für die Gnade hatten, noch auch böse, da sie von Gott gegeben waren und sich für jene Zeit und jene Menschen eigneten? Für mich spricht der Ausspruch des Propheten, in dem Gott sagt, er habe jenem Volke Vorschriften gegeben, die nicht gut waren1. Denn offenbar muß es so erklärt werden, daß Gott sie nicht böse nennt, sondern nur nicht gut, das heißt nicht so beschaffen, daß die Menschen durch sie gut werden oder ohne sie gar nicht gut sein konnten. Möchtest du doch die Güte und Freundlichkeit haben, mich zu belehren, ob irgendein frommer Morgenländer, wenn er nach Rom kommt, am Sabbate, den Ostervorabend ausgenommen, nur verstellter Weise fastete! Erklären wir diese Übung für böse, so verdammen wir nicht nur die römische Kirche, sondern auch viele Kirchen in ihrer Nachbarschaft und selbst in größerer Entfernung, wo diese Sitte besteht und man an ihr festhält. Sind wir aber der Ansicht, es sei etwas Böses, am Sabbate nicht zu fasten, mit wie großem Frevelsinn müssen wir dann gegen so viele Kirchen des Morgenlandes und gegen den weit größeren Teil des christlichen Erdkreises Anklage erheben? Dürfte nicht diese Ansicht die zutreffendste sein, eine solche Übung für eine Art Mittelding zu erklären, das jedoch für jene ganz nützlich ist, die diese Übung nicht aus Heuchelei, sondern mit geziemender Rücksicht auf ihre Umgebung und den bestehenden Gebrauch vollziehen? Und doch lesen wir nicht in den kanonischen Büchern, daß den Christen dies geboten sei. S. 301 Wieviel weniger dürfte ich wagen, etwas böse zu nennen, was auch nach christlichem Glauben unleugbar Gott befohlen hat, obwohl er uns sagt2, daß wir nicht hierdurch gerechtfertigt werden, sondern durch die Gnade Gottes in unserem Herrn Jesus Christus!
