9.
Beachte, ich bitte dich, die eigenen Worte des Jakobus: „Du siehst, Bruder, wie viele Tausende in Judäa sind, die an Christus geglaubt haben; alle diese sind Eiferer für das Gesetz. Sie haben aber von dir gehört, daß du allen Juden, die unter den Heiden leben, die Lostrennung von Moses lehrest und sagest, sie sollen ihre Söhne nicht beschneiden und nicht nach hergebrachter Weise leben. Was ist also zu tun? Gewiß wird das Volk sich zusammenscharen; denn es hat von deiner Ankunft gehört. Tue also, was wir dir sagen! Es sind bei uns vier Männer, die ein Gelübde auf sich haben; nimm sie zu dir und heilige dich mit ihnen und trage für sie die Kosten, damit sie ihr Haar scheren können, und es wird jedermann als falsch bekennen, was man über dich ausgesagt hat. Aber folge ihnen und beachte auch selbst die Gesetze! Was aber diejenigen betrifft, die von den Heiden zum Glauben gekommen sind, so haben wir befohlen und geurteilt, daß sie hiervon nur beachten sollten die Enthaltung vom Opferfleische, vom Blute und von der Unzucht“1. Ich meine, es ist ganz deutlich, aus welchem Grunde Jakobus diesen Rat gegeben hat: die Judenchristen, die Eiferer für das Gesetz waren, sollten erkennen, daß unwahr sei, was über ihn berichtet wurde, und nicht auf die Meinung kommen, daß durch die Lehre Christi das von Moses ihren Vätern Überlieferte als gottesräuberisch bezeichnet und dessen göttliche Einsetzung geleugnet werde. Diesen Vorwurf hatten gegen Paulus nicht die erhoben, die verstanden, in welcher Gesinnung die gläubigen Juden jener Zeit diese Dinge beobachten sollten: nämlich aus Ehrfurcht gegen die göttliche Anordnung und wegen der vorbildlichen Heiligkeit jener Heilsmittel, nicht aber, als S. 297 ob man durch sie das Heil erlangen könne, das schon in Christus geoffenbart war und durch das Sakrament der Taufe verliehen wurde. Vielmehr hatten solche dieses Gerücht über Paulus ausgestreut, die auf die Beobachtung jener Dinge in dem Sinne drangen, als ob es ohne sie kein Heil im Evangelium gebe. Sie hatten ihn ja als den kräftigsten Prediger der Gnade und den schärfsten Gegner ihrer Ansicht kennen gelernt; lehrte er doch, daß der Mensch nicht durch jene Dinge, sondern durch die Gnade Jesu Christi gerechtfertigt werde und daß jene Vorbilder im Gesetze nur angeordnet gewesen seien, um sie2 vorher zu verkünden. Darum bestrebten sich jene Leute, Haß und Verfolgung gegen ihn zu erregen, und verleumdeten ihn als Feind des Gesetzes und der Anordnungen Gottes. Und der Gehässigkeit dieser fälschlichen Beschuldigung konnte er nicht besser entgegentreten, als daß er selbst übte, was, wie jene glaubten, er als Gottesraub verdamme; auf diese Weise zeigte er, daß den damaligen Juden diese Dinge keineswegs als unrecht untersagt, daß aber die Heiden nicht dazu gezwungen werden durften, gleich als seien sie notwendig.
