13.
Man schämt sich, darüber zu sprechen, wie viele Jungfrauen täglich dem Verderben anheimfallen, welch große Zahl der Mutter Kirche entgleitet, über wie vielen Sternen der stolze Feind seinen Thron aufrichtet, wie viele Felsen er aushöhlt, um dann als Schlange in ihren Spalten zu wohnen. Man kann manche sehen, die früher Witwen waren als Gattinnen, die ihr unglückliches Gewissen hinter einem täuschenden Gewande verbergen. S. 75 Erhobenen Hauptes und mit trippelnden Schritten stelzen sie einher, aber der schwangere Leib und das Geschrei der Kinder offenbaren den wahren Zustand. Andere nehmen einen Trank ein, um sich unfruchtbar zu machen, und werden so zum Mörder am Ungeborenen. Es gibt auch solche, welche darauf sinnen, wie sie mit giftigen Mitteln eine Fehlgeburt herbeiführen, sobald sie nach der Sünde ihren veränderten Zustand wahrnehmen. Nicht selten kostet dieser Versuch das eigene Leben, und mit dreifacher Schuld beladen, dem Selbstmord, dem Ehebruch gegen Christus und der Tötung des noch nicht geborenen Kindes, fahren sie hinab in den Abgrund der Hölle. Das sind die, welche zu sagen pflegen: „Dem Reinen ist alles rein. 1 Mir genügt mein Gewissen. 2 Gott will ein reines Herz. Warum soll ich mich von Speisen enthalten, die Gott geschaffen hat, damit wir uns ihrer bedienen?“ Haben sie sich gelegentlich am Weine gütlich getan, dann wollen sie sich witzig und vergnüglich zeigen, und zu der Trunkenheit gesellt sich auch noch die Gotteslästerung. Sie sagen: „Fern sei von mir, daß ich mich des Blutes Christi enthalte.“ 3 Bemerken sie aber eine Frau, die bleiche Wangen hat und ein trauriges Gesicht macht, dann nennt man sie gleich eine Elende, eine Einsiedlerin, eine Manichäerin, 4 von ihrem Standpunkt aus ganz berechtigt; denn bei solcher Einstellung ist Fasten eine Ketzerei. Das sind die Frauen, die in der Öffentlichkeit auffallen wollen und durch ihre heimlichen schmachtenden Blicke ganze Scharen junger Männer hinter sich herziehen. Sie machen immer wieder das Wort des Propheten wahr: „Dein Antlitz ist das einer Dirne, schamlos bist du geworden. 5 An ihrem Kleide tragen sie nur einen schmalen S. 76 Purpurstreifen; 6 das Haupt ist ziemlich lose gebunden damit die Haare herabfallen; die Schuhe sind einfach, und um die Schultern flattert die Maforte. 7 Die Ärmel sind kurz und festanliegend, der Gang ist schlotterig. Dies sind die ganzen Merkmale ihrer Jungfrauschaft. Auch sie finden ihre Bewunderer, um trotz des jungfräulichen Getues, das ihnen nur allzu feil ist. 8 zugrunde zu gehen. Wenn ich diesen Leuten mißfalle, so kann es mir nur recht sein.
Tit. 1, 15. ↩
Cicero, Ep. ad Att. XII 28, 2. ↩
So nennen sie den Wein, unter dessen Gestalt das Blut Christi dargestellt wird ↩
Die Manichäer enthielten sich des Weines. ↩
Jer. 3, 3 (nach LXX). ↩
An der Tunika der Senatoren lief ein breiter Purpurstreif vom Hals bis zum unteren Saum (clavus latus), während er bei den Rittern schmal war (clavus angustus). Hieronymus hat also Frauen aus vornehmem Stande im Auge. ↩
Die Maforte ist eine Art Kapuze, die Kopf und Schultern bedeckte und zurückgeschlagen werden konnte. Sie war Trauerkleid der römischen Frauen und wurde auch von den Jungfrauen getragen, die sich Gott geweiht hatten. Cassian erwähnt sie bereits als ein Kleidungsstück der Mönche. (De coenobiorum institutis I 6, CSEL XVII 1, 13 [Petschenig]). ↩
„ut sub virginali nomine lucrosius pereant“ zu übersetzen mit „daß sie um so vollständiger zugrunde gehen“ (Leipelt, Ausgewählte Schriften des hl. Hieronymus I. Kempten 1872, 213), verbietet die Parallele „ut sub nomine virginali vendibilius pereant“ (ep 130, 18 ad Demetriadem). ↩
