Zweiter Artikel. Die „Relation“ in Gott ist kein anderes zum Wesen hinzukommende wirkliches Sein, sondern das in thatsächlicher Wirklichkeit bestehende Wesen selbst.
a) Dagegen spricht: I. Augustin, der da sagt (9. de Trin. 5.): „Nicht alles, was man von Gott aussagt, wird gemäß dem substantiellen Wesen ausgesagt; denn es giebt auch in Gott etwas auf das andere Bezogene, wie der Vater Beziehung hat zum Sohne.“ Dieses letztere wird somit nicht dem substantiellen Wesen gemäße ausgesagt. Also die „Relation“ in Gott ist nicht dieselbe Wirklichkeit des Seins wie das Wesen, sondern tritt als wirkliches Sein zum Wesen hinzu. II. Augustin sagt desgleichen (7. de Trin. cap. 1.): „Jegliches Sein, was als in Beziehung stehend bezeichnet wird, ist etwas, auch abgesehen von der Beziehung; wie der Mensch etwas ist, abgesehen davon, daß er Herr, und abgesehen davon, daß er Sklave ist.“ Sollen also die „Relationen“ in Gott etwas sein, so müssen sie es sein, abgesehen von dem anderen Etwas, was Gott selber ist. Dies aber, was Gott selber ist, kann nur das substantielle Wesen sein. Also ist das letztere etwas Anderes dem Sein nach, wie die „Relationen“. III. Dem, was Beziehung hat zu Anderem, ist es eigen, auf dieses Andere hin gerichtet zu sein. Soll also die „Relation“ in Gott das göttliche Wesen selbst sein, so müßte dieses darin bestehen, auf anderes hin gerichtet zu sein. Das aber ist durchaus dem substantiellen Wesen Gottes in seiner Vollkommenheit zuwider; da dasselbe im höchsten Grade ein Insichbestehen und ein vollnuf in sich Abgeschlossenes darstellt. Auf der anderen Seite ist alles, was nicht das göttliche Wesen selber ist, Kreatur. Da nun die „Relation“ in Gott dem wirklichen Sein nach sich vorfindet, so muß sie in dem Falle Kreatur sein, wenn ihr wirkliches Sein mit dem des Wesens nicht zusammenfällt. Dann aber darf den göttlichen Personen keine Anbetung gezollt werden; wie das die Kirche in der Präfation der Messe thut: „Daß in den Personen das, was einer jeden eigentümlich ist und sie von den anderen beiden unterscheidet, und im Wesen die Einheit und in der Majestät die Gleichheit angebetet werde.“
b) Ich antworte; in Bezug auf diesen Punkt hat Gilbertus Porretanus geirrt; aber seinen Irrtum auf dem Konzil von Rheims widerrufen, wie berichtet wird. Er behauptete nämlich, die „Relationen“ seien in Gott als etwas Wirkliches, zum Wesen Gottes von außen her Hinzutretendes zu betrachten. Dabei ist nun zu erwägen, daß in jeder der neun verschiedenen Seinsarten, nach welchen etwas zur bestehenden Substanz hinzutreten kann, ein doppeltes Moment unterschieden werden muß. Das erste Moment ist das Sein, welches einer jeden dieser Seinsarten eigens entspricht, wonach also eine jede etwas der Substanz hinzubringt. Und dieses Sein bei allen Arten ohne Unterschied ist nichts Anderes als ein „In-der-Substanz-sein“. Denn dem, was es wesentlich zu eigen hat, daß es hinzutritt und in dieser Weise vom Subjekte getragen wird, ist es nicht entsprechend, selbst für sich zu bestehen, sondern sein Sein besteht darin, im anderen zu sein. Das zweite Moment in einer jeden dieser Seinsarten ist die eigene Natur, durch welche sie von den anderen unterschieden wird. Und hier muß hervorgehoben werden, daß in allen diesen Seinsarten, ausgenommen die Relation oder Beziehung, die eigene unterscheidende Natur danach bestimmt wird, wie sich die betreffende Seinsart zum bestehenden Subjekte, zu dem sie hinzutritt, verhält; denn der „Umfang“ z. B. wird so genannt auf Grund dessen, daß er die Substanz oder das Subjekt, in welchem er ist, mißt; während die „Beschaffenheit“ so heißt, weil sie die Substanz oder das Subjekt zu einer gewissen Thätigkeit disponiert oder befähigt. Die eigene Natur aber der Relation oder der Beziehung besteht nicht im Verhältnisse, das sie zum Subjekte hat, sondern in jenem, welches sie zu anderem besitzt. Würden also nun, auch in den geschaffenen Dingen, die Relationen — 29 —oder Beziehungen gemäß dem betrachtet, daß sie eigens Relationen oder Beziehungen sind im Unterschiede von den anderen acht diesbezüglichen Seinsarten, also den Accidentien, so treten sie von außen her hinzu und sind nicht mit dem Subjekt oder mit der Substanz selber gegeben. Sie bezeichnen so aufgefaßt das Verhältnis, welches gewissermaßen dem Subjekt „zufällt“ und das da macht, daß dasselbe die Beziehung zu etwas Anderem trägt. Wird aber die Beziehung betrachtet gemäß dem Sein; insoweit nämlich dieses Sein darin besteht, im anderen als in dem Subjekte zu sein und zu selbem etwas hinzuzubringen, so ist sie dem Subjekte innewohnend und hat Sein im Subjekte und kraft des Subjektes und nur weil das Subjekt ist; wie z. B. das Weiße ein Sein hat, nur weil und insoweit die Wand Sein hat, die es trägt; der eigenen Natur aber unterschieden ist vom Großen oder Kleinen oder Süßen u. dgl. Gilbertus Porretanus berücksichtigte nun bloß nach einer Seite hin die Relation; nämlich insofern dieselbe einen eigenen, sie von anderen ähnlichen Seinsarten unterscheidenden Charakter hat. Was aber im Bereiche des Geschaffenen ein solches zum Subjekte oder zur Substanz hinzutretendes, ein accidentelles Sein hat; das gewinnt auf Gott übertragen substantielles Sein. Denn was in Gott ist, das ist Substanz. Von der Seite also her, von welcher die Relation in den Kreaturen Sein im Subjekte, dem Subjekte innewohnendes Sein hat, besitzt die Relation, welche in Gott wirklich existiert, das Sein des göttlichen Wesens und ist durchaus dasselbe mit diesem. Von der anderen Seite aber her, wonach die Relation das Verhältnis zu etwas ausdrückt, wird damit in Gott nicht ein Verhältnis zum subjektiven Wesen Gottes oder zur Substanz selber bezeichnet, sondern vielmehr ein Verhältnis zum Gegenüber. Und so ist es offenbar, daß die als eine wirkliche in Gott bestehende Relation ganz dasselbe ist wie das wirkliche Sein des Wesens und nach dieser Seite hin ein Unterschied nur zu finden ist in der Auffassung der Vernunft; insoweit nämlich in der „Relation“ die Beziehung zum Gegenüber inbegriffen wird, dies aber nichts im Ausdrucke „Wesen“ liegt. In Gott also ist das Wirklichsein der Substanz nichts Anderes, wie das Wirklichsein der Relation; das beiderseitige Wirklichsein ist ein und dasselbe.
c) I. Die Stelle Augustins besagt nicht, daß die Vaterschaft oder eine andere „Relation“, welche in Gott dem göttlichen Sein nach besteht, etwas anderes Wirkliche sei wie d'ie göttliche Substanz, sondern daß dieselbe von Gott nicht ausgesagt wird nach Weise der Substanz; nicht nämlich nach dem Sein, was sie in Gott hat, von dem sie ausgesagt wird, sondern nach dem maßgebenden Charakter, der sie unterscheidet, wonach sie auf das andere, auf ihr Gegenüber gerichtet ist. Und deshalb wird gesagt, nur zwei Seinsarten seien geeignet, von Gott dem wirklichen Sein nach ausgesagt zu werden: die Substanz und die Relation oder Beziehung; denn die anderen acht Seinsarten bezeichnen, wie oben bemerkt, ein Verhältnis zum Subjekte selbst, von dem sie gelten, wie der Umfang, die Beschaffenheit etc. Nichts aber, was in Gott ist, kann ein solches Verhältnis haben zum Subjekte, worin es ist; außer das Verhältnis des immer sich gleich Bleibenden, nämlich der Idendität und zwar wegen der höchsten Einfachheit in Gott. II. Gleichwie in den geschaffenen Dingen außer der Beziehung zu anderem etwas in sich Abgeschlossenes besteht, von dem die Beziehung gilt, so auch bei Gott. Aber die Art und Weise dieses Bestehens ist eine andere in Gott und eine andere in der Kreatur. Denn das was in der Kreatur gefunden wird außerhalb dessen, was in der Bezeichnung des Relativwortes eingeschlossen ist, das ist etwas anderes Wirkliche. In Gott aber ist das Wirklichsein beider, der Substanz und der Relation, nichts von einander Verschiedenes, sondern ein und dasselbe, nur wird dieses Wirklichsein durch das Relativwort, wie „Vater“, „Sohn“, nicht vollkommen ausgedrückt, als ob es unter dieser Bezeichnung im ganzen Umfange einbegriffen sei. Denn es ist oben (Kap. 13), als von den Namen Gottes die Rede war, hervorgehoben worden, wie in der Vollkommenheit des göttlichen Wesens mehr enthalten ist, als irgend ein Name bezeichnen kann. Also folgt nicht, daß in Gott außer den „Relationen“ noch etwas anderes Wirkliche existiert; sondern nur, daß die verschiedenen Ausbrücke das Bezeichnete nicht erschöpfen. III. Wenn in der göttlichen Vollkommenheit nichts mehr enthalten wäre, als was das betreffende Relativwort an sich bezeichnet, so würde allerdings folgen, daß das göttliche Sein unvollkommen wäre, da es eben nur auf Grund der Beziehung zu etwas Anderem bestände; gleichwie wenn da nichts mehr enthalten wäre, als der Name „Weisheit“ ausdrückt, folgen würde, Gott sei nicht für sich selbständig bestehend. Aber dies ist eben nicht der Fall. Das göttliche Wesen ist an der Spitze aller Vollkommenheit; es kann nie durch irgend einen Namen genügend bezeichnet werden. Wenn deshalb ein die Beziehung ausdrückender Name nicht das allseitig Vollkommene bezeichnet, so ist damit nicht gesagt, das göttliche Wesen sei nach irgend einer Seite hin unvollkommen; da dieses göttliche Wesen das, was in allen Seinsarten an Vollkommenheit sich findet, in sich begreist.
