Dritter Artikel. Die Dreiheit Gottes und ihr Verhältnis zur Zahl.
a) Es scheint, daß die Zahlen, welche von Gott ausgesagt werden, etwas Positives in Gott bedeuten. Denn: I. Die göttliche Einheit ist das Wesen Gottes. Jede Zahl aber ist die Wiederholung der Einheit. Jede Zahl somit, welche von Gott gelten soll, bezeichnet das göttliche Wesen. Also entspricht der über Göttliches ausgesagten Zahl etwas Positives in dem Wesen Gottes. II. Was von Gott und den Kreaturen gilt, das findet sich in hervorragender Weise in Gott. Den Zahlen aber entspricht in den Kreaturen etwas Positives. Also ist dies auch in Gott der Fall. III. Sollen die Zahlen rücksichtlich Gottes nur etwas von Ihm entfernen, so würde durch die Einheit, welche von Gott ausgesagt wird, die Mehrheit entfernt werden und durch die Mehrheit die Einheit. Das wäre aber ein unzukömmliches Sich-Umdrehen im Kreise. Auf der anderen Seite sagt Hilarius (4. de Trin.): „Das Bekenntnis der Mehrheit in Gott hat aufgehoben die Erkenntnis von der Vereinsamung Gottes.“ Und Ambrosius (I. de fide c. 5.): „Wenn wir den einen Gott bekennen, so schließt die Einheit die Mehrheit der Götter aus; stellt aber in Gott nicht einen Umfang auf.“ Daraus geht hervor, daß derartige Zahlenausdrücke von Gott nur einfach etwas entfernen; nichts aber positiv in Gott finden, was ihnen entfpräche.
b) Ich antworte, daß der Magister der Sentenzen, Petrus Lombardus, (I. dist. 24.) annahm, alle solche von Göttlichem gebrauchte Zahlen entfernten bloß etwas von Gott, ohne daß sie irgend etwas Positives hineinsetzten. Andere meinen anders. Es ist hierbei zu erwägen, daß jegliche Mehrheit die Folge irgend einer Trennung oder Geteiltheit bildet. Ein solches Geteiltsein ist aber ein doppeltes: Einmal ein dem Stoffe angemessenes Geteiltsein, was der Teilung des zusammenhängendem Stoffes entspricht; — und diesem Geteiltsein entspricht die Zahl, welche eine Gattung in der Quantität ist. Eine solche Zahl gilt also nur von stofflichen Dingen, welche Umfang haben. Dann giebt es ein Geteilt- oder ein Unterschiedensein, was der bestimmenden Form angemessen ist, insoweit es sich vollzieht vermittelst einander entgegengesetzter Formen; — und diesem Geteilt- oder Unterschiedensein entspricht die Mehrheit, welche in keiner der Seinsarten eingeschlossen ist, sondern zu jenen auf alles Sein insgesamt sich erstreckenden (transcendentalen) Größen gehört, denen gemäß das Sein an sich durch die Einheit oder Mehrheit geteilt wird. Eine solche Mehrheit allein kann sich in den stofflosen Dingen finden. Manche beachteten nun bloß die Zahlen, welche eine bestimmte Gattung der Quantität bilden; und da sie sahen, daß von Gott keinerlei Quantität gelte, sei es die dem zusammenhängenden Stoffe entsprechende sei es die voneinander durchaus getrennter Dinge, welche gezählt werden, so nahmen sie an, die Zahlen, welche über Gott ausgesagt würden, entfernten von Ihm nur etwas. Andere wieder, welche diese selbe Mehrheit berücksichtigten, meinten, daß, wie in Gott Wissen angenommen werde gemäß dem eigentlichen Wesen des Wissens, nicht aber insofern das Wissen in einer Seinsart enthalten ist, nämlich in der des Zustandes oder der Eigenschaft, was ja Gott nicht zukommt; — daß so auch die Zahl in Gott angenommen werde nach dem eigentlichen Wesen der Zahl, nicht aber insofern sie in der Seinsart der Quantität eingeschlossen ist. Wir nun sagen, daß die Zahlen, welche von Gott gelten sollen, in keiner Weise von jener Art „Zahl“ her abgeleitet werden, welche zur Seinsart der Quantität gehört. Denn in diesem Falle würde die Zahl in derselben Weise und im figürlichen Sinne von Gott gelten wie die Breite, Länge und ähnliches. Die Zahlen, welche rücksichtlich Gottes gebraucht werden, sind vielmehr von jener Art „Zahl“, welche sich auf alles Sein erstreckt und nicht bloß auf eine besondere Seinsart. Die Mehrheit aber, welche in dieser Weise betrachtet wird, verhält sich so zum Vielen; wie die Einheit, welche dasselbe ist wie das entsprechende Sein, zum Sein. Eine solche Einheit nun (cf. Kap. 11, Art. 1) fügt zum Sein nichts hinzu wie die Leugnung des Geteiltseins: denn „eins sein“ heißt da nichts Anderes wie „ungeteilt sein“. Wenn also von einem Menschen gesagt wird, er sei ein einiger, so bezeichnet das nur seine ungeteilte, in sich einige Substanz; und so gilt das Eine dann von allem Sein, soweit es ungeteilt ist, und drückt dieses Sein selber aus ohne Rücksicht auf eine bestimmte Seinsart. Und in derselben Weise wird die Mehrheit ausgesagt, nicht als Entfernung und Leugnung der Einheit; sondern um zu bezeichnen, daß jedes in dieser Mehrheit begriffene Ding für sich betrachtet ungeteilt ist. Die Zahl aber, welche zur Seinsart der Quantität gehört, setzt ein zum Wesen und Sein des Dinges von außen hinzutretendes Wirkliche voraus; und ähnlich die Einheit, welche das Princip oder der Ausgangspunkt der Zahlen ist. Die Zahlen, welche von Gott gellen sollen, bezeichnen also nur das, wovon sie ausgesagt werden; und fügen nichts als die entsprechende Verneinung (l. c.) hinzu; und rücksichtlich darauf hat Lombardus recht. So also sagen wir: Das Wesen Gottes ist eines; — und bezeichnen damit das ungeteilte Wesen. Und wenn wir sagen: die Person ist eine; — so bezeichnen wir damit die ungeteilte Person. Und sagen wir: der Personen sind mehrere; — so werden damit jene Personen bezeichnet und das Ungeteiltsein rücksichtlich einer jeden derselben; denn zum Wesen der Mehrheit gehört es, daß sie aus Einheiten hervorgeht.
c) I. Das Eine, was von allem Sein ohne Unterschied gilt, ist umfassender als „Substanz“ und als „Relation“; und ebenso die Mehrheit, deshalb kann das Eine und das Mehrere ebensogut in Gott der Bezeichnung der Substanz dienen wie der Relation; insofern eben einer jeden von beiden es zukommt, daß „eins“ oder „mehreres“ von ihr ausgesagt wird. Und doch wird zugleich durch solche Namen, welche zur Substanz oder zu der Relation hinzutreten, infolge der Natur ihrer Bezeichnungskraft ausgedrückt irgend welche Leugnung des Geteiltseins. II. Die Mehrheit, welcher an sich als einer Mehrheit nämlich etwas Positives in den geschöpflichen Dingen entspricht, ist zur Seinsart der Quantität gehörig; und diese Mehrheit wird nicht von Gott ausgesagt. Dies ist vielmehr die Mehrheit, welche in transcendentaler Weise auf alles Sein sich erstreckt; diese bringt mit sich nur den Aussdruck für das Ungeteiltsein. III. Das Eine entfernt nicht die Mehrheit, sondern es entfernt das Geteiltsein; und dieses Geteiltsein ist der Auffassung nach früher als das positive Eine oder die positive Mehrheit. Die Mehrheit ihrerseits entfernt nicht die Einheit, sondern entfernt das Geteiltsein von einem jeden der Dinge, welche die Mehrheit bilden. IV. Die Vereinsamung wird allerdings ausgeschlossen durch die Mehrheit, und durch die Einheit wird die Mehrheit der Götter ausgeschlossen; aber damit ist nicht gesagt, daß mit diesen Namen nur dies bezeichnet sei. Durch das Weiße wird z.B. auch das Schwarze ausgeschlossen; aber daraus folgt nicht, daß das Weiße nur im Ausschlusse des Schwarzen bestehe. Jene Stellen also beweisen nicht genügend, was man daraus beweisen will.
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