Achtunddreißigtes Kapitel. Der heilige Geist als Geschenk. Überleitung.
„Einmal hat der Herr gesprochen: Dieses Zweisache habe ich gehört, daß dem Herrn die Macht ist und Ihm die Barmherzigkeit; denn Er wird einem Jeden vergelten nach seinen Werken.“ Der hellige Thomas geht manchmal auf Fragen ein, die äußerlich betrachtet, wenig Nutzen zu haben scheinen. Wer aber besser zuschaut, der sieht, wie der heilige Kirchenlehrer durch die Beantwortung derselben immer inniger und immer fester die Kreatur an die einzige Quelle ihrer Macht und Thätigkeit und ihrer ewigen Seligkeit ketten will. Scheint es doch geradezu unnütz, sich mit Fragen abzugeben, ob Vater und Sohn sich lieben durch den heiligen Geist; wo allein die Partikel „durch“ oder ein Kasus den Ausschlag giebt. Aber wie erhellt es hier bei der Beantwortung so recht, daß der Zweck unserer Untersuchungen über Gott nicht etwa der is, Gottes Wesen zu enthüllen; wohl aber das Licht zu zeigen, welches von der Offenbarung her über die Krektur verbreitet worden ist. „Vater und Sohn lieben Sich durch den heiligen Geist,“ weil die Wirkungen Gottes nach außen ebensogut wie das Ausgehen nach innen im Verständnisse der Liebe des heiligen Geistes, in der Natur der Liebe gegeben ist. Sie lieben Sich durch den heiligen Geist, wie wenn ich sagen wollte: Das Feuer wärmt durch das gewärmte Zimmer. Wie nahe stehen wir Gott! Eine reine Wirkung der Liebe Gottes sind wir selbst und alles, was wir haben. „Der Vater und Sohn lieben sich durch die aus ihnen hervorgehende Liebe, insofern die Liebe das Princip ist für alle Kreatur.“ Alles, was in uns ist, das tritt gleichsam als im Verständnisse der Liebe gegeben, als Wirkung, welche so recht aus ihrem Wesen heraus auf den heiligen Geist weist, in die Dreieinigkeit ein und erscheint da als Band der heiligen drei göttlichen Personen. Immer tiefer tritt uns das Verständnis der Worte entgegen: „In Ihm leben wir, sind wir und bewegen wir uns.“ Das geringste Sein zeigt von seiner Natur aus auf die göttliche Liebe. Im Verständnisse dieses Seins ist es gegeben, daß es eine Wirkung der Liebe ist; und kraft dieser Liebe lieben sich Vater und Sohn durch den heiligen Geist. Das Geschöpf geht aus von der Liebe Gottes, aber es kehrt auch wieder dahin zurück; oder vielmehr es entfernt sich nie von dieser Liebe. Für die Zeit und für den Ort, wo es sein soll, war es immer in der göttlichen Liebe; und mit ihm, mit diesem in sich so geringen Geschöpfe, ist die Liebe als Band in Gott zwischen Vater und Sohn. Ohne diese Liebe ist nur das Nichts. Und wie offenbart sich diese Liebe erst so recht in der einzelnen Art und Weise, wie das Geschöpf geworden! „Dieses Zweifache habe ich gehört: Macht hat Gott und Barmherzigkeit ist sein eigen.“ Im einmaligen Sprechen Gottes ist alles Vermögen der Kreatur, all ihre Thätigkeit, all ihre endliche Vollendung enthalten; denn dieses Sprechen schließt in sich ein das ganze allwaltende Sein Gottes. Der Liebe Gottes verdanken wir zuerst als reinstes Geschenk unser ganzes Wesen, das innerste Grundvermögen unseres Seins. Sie ist sie stark und dabei so zartfühlend diese Liebe! „Von Zweck zu Zweck reicht sie mit Kraft und alles lenkt sie mit äußerster Zartheit.“ Ehe sie eine kreatürliche Thätigkeit aus ihrem Innern her schenkt, will sie erst die Möglichkeit schaffen, daß diese Thätigkeit der Kreatur eigen zugehört. Sie schafft das kreatürliche Wesen, vermöge dessen die Kreatur selbständig sagen kann: Ich vermag zu steigen; ich vermag zu fallen; ich vermag zu erkennen; ich vermag zu wollen. Kein Zwang kann ja von der Liebe kommen. Sowie es der Liebe eigen ist, rein aus sich selbst zu handeln, ohne von außen her gebunden zu sein; so macht sie auch, wo sie unmittelbar wirkt, daß das Geschöpf aus sich heraus thätig ist, gern wirkt, mit eigenen Kräften der Vollendung zustrebt. So im eigensten Sinne des Wortes kann nur die Liebe wirklich schenken, daß nämlich das Geschenk ganz Eigentum wird. Und dies thut die ewige Liebe, indem sie zuerst dem Geschöpfe das Wesen und mit dem Wesen die Vermögen nach allen Seiten hin verleiht, kraft deren das Geschöpf die Thätigkeit als seine eigene betrachten kann und als eine ihm zur Vollendung gereichende. Aber die Liebe giebt nicht zugleich mit dem Vermögen die Thätigkeit. Sie weiß wohl, wie das Geschöpf einzig und allein insoweit vollendet ist, als es sich von sich selber losreißt, von seinem bloßen Können nämlich, und zu ihr sich hinwendet. Verlangen soll das Geschöpf selber nach der Liebe und zwar getrieben durch die Liebe; damit so die Liebe auch im Thätigsein sein Eigentum werde. Die Liebe schenkt wieder, schenkt dem Geschöpfe lebendige Wirksamkeit und Thätigkeit. Von ihr kommt der zur schließlichen Vollendung führende Anstoß zu bestimmtem Wirken. Und das Thätigsein vermehrt nun wieder seinerseits die Kraft der Vermögen. Stärker wird, immer gestützt durch die Liebe, das Verlangen des Geschöpfes nach Liebe. Die Liebe erhebt es über das Können der eigenen geschöpflichen Natur. Sie verleiht die Kraft der Gnade. Immer näher tritt das Geschöpf auch in seinem Vermögen dem Dreieinigen. Wie herrlich! Vater und Sohn lieben sich durch den heiligen Geist, wie der Baum blüht durch die Blüten.“ Die Liebe, die sich in den Auserwählten offenbart, ist im Dreieinigen. Durch sie als Liebe und als natürlichste Wirkung der Liebe wird das Band zwischen Vater und Sohn mitgeschlungen. Das Verständnis der Natur und der Gnade bringt es mit sich, daß beides auf die Liebe als auf die erste Ursache zurückgeführt wird, daß beides erscheint als reinstes Geschenk. Die Liebe schenkt Vermögen, damit das Geschöpf selber wirke, selber nach oben schaue und verlange. Sie schenkt Thätigkeit, damit durch die eigene Thätigkeit das Können des Geschöpfes, erhöht werde. „Macht,“ Vermögen ist in den Geschöpfen — und dies gehört der Liebe Gottes. Thätigkeit, lebendige Wirksamkeit ist in den Geschöpfen — und dies gehört wieder der barmherzigen Liebe Gottes an; die selber das bethätigt, was von sich aus nicht thätig sein kann, sondern nur das Vermögen dazu hat. „Sie vergilt endlich einem jeden nach seinen Werken;“ — denn die Liebe Gottes krönt in der Ewigkeit, was sie selbst auf Erden gegeben; sie krönt nach einem schönen Ausdrucke Augustins „ihre eigenen Gaben“.
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