Erster Artikel. Das All der Kreaturen war nicht immer.
a) Es scheint, daß die Welt von Ewigkeit ist. Denn: I. Was da beginnt zu sein, war vorher in der Möglichkeit zu sein; sonst war es unmöglich, daß es würde. Hat also die Welt einen Beginn, so war vorher es für selbe möglich zu sein. Möglichkeit etwas zu sein oder etwas zu werden aber ist nichts Anderes wie der Urstoff, dessen Natur es ist, etwas Bestimmtes vermittelst der Wesensform sein oder nicht sein zu können. Also war vor der Welt der Urstoff. Dieser konnte aber nie ohne irgend welche Wesensform sein. Nun ist der Stoff für die Welt mit der Form zusammen die Welt. Also war die Welt, ehe sie begann; was unmöglich ist. Also ist die Welt ewig. II. Nichts, was in sich die Kraft hat, immer zu fein, ist einmal und ist dann wieder nicht; denn ein Ding ist so lange, wie lange seine Kraft zu sein reicht. Nun hat einerseits das, was nicht dem Vergehen unterworfen ist, die Kraft, immer zu sein; denn es hat keine Kraft, nur für eine bestimmte Zeit zu sein. Andererseits hat jegliches Ding, was beginnt, einmal Sein; und dann ist es wieder nicht. Also hat dasjenige, was nicht vergänglich ist, keinen Beginn. Solcher Dinge aber, welche nicht dem Vergehen unterworfen sind, giebt es viele, wie z. B. die Himmelskörper, die keinen Grund zu ihrer Auflösung in sich tragen; und ebenso die geistigen Substanzen. Also von dieser Seite her hat die Welt nicht begonnen. III. Nichts, was nicht gezeugt ist, hat begonnen zu sein. Der Urstoff aber ist nicht gezeugt; sondern aus ihm wird vielmehr alles. Also das Weltall als Ganzes kann nicht als einmal angefangen bezeichnet werden. IV. Leere ist da, wo kein Körper thatsächlich ist, wohl aber sein könnte. Wenn aber die Welt angefangen hat, so war, wo jetzt der Weltkörper ist. ein leerer Raum; denn es konnte ein Körper da sich vorfinden, war jedoch thatsächlich nicht da. Also bevor die Welt war, bestand eine Leere; was unmöglich ist. V. Nichts fängt an, von neuem in Bewegung zu sein außer dadurch, daß der Bewegende oder das Bewegliche sich anders nun verhält wie vorher. Was sich aber anders verhält nun wie vorher ist in Bewegung. Also war vor aller neu anfangenden Bewegung eine Bewegung. Also war immer Bewegung und somit immer etwas Bewegliches, ohne das die Bewegung nicht denkbar ist. VI. Jedes Bewegende ist entweder kraft seiner Natur bewegend oder kraft des freien Willens. Keines von beiden aber fängt an zu bewegen, wenn nicht eine Bewegung oder Änderung vorherbesteht. Denn die Natur bewegt fortwährend nach derselben Richtung und in derselben Weise; entweder nämlich nach unten, wie die Natur das Wasser bewegt, oder nach oben, wie die Natur das Feuer oder anderswohin. Soll also da eine neue Bewegung beginnen, die früher nicht war, so muß eine Änderung vorhergehen, entweder in der Natur des Bewegenden oder in der des Beweglichen. Der freie Wille aber zögert, wenn kein Wechsel in ihm eintritt, zu thun, was er sich vornimmt; wie z. B. derjenige, welcher ein Geschenk morgen machen will und nicht heute, auf den zukünftigen morgigen Tag wartet und somit mindestens zögert, bis der heutige Tag vergangen ist, bis also dieser Wechsel in der Zeit geschehen, damit er das ausführe, was er sich neu vorgenommen. Ehe somit eine Bewegung von neuem beginnt, war ein Wechsel oder eine Änderung, von dem die neue Bewegung bedingt wurde. Und sonach war immer eine Bewegungen. VII. Was immerdar im Anfange ist und immerdar im Ende; das kann weder anfangen noch enden. Denn was anfängt, das ist mcht am Ende; und was endet, das ist nicht am Anfange. Die Zeit aber ist immer im Anfange und immer im Ende. Denn nichts besteht von der Zeit thatsächlich wie das Nun des gegenwärtigen Augenblickes, welches das Ende des Vergangenen ist und der Anfang des Zukünftigen. Die Zeit also kann weder anfangen noch enden; und folgegemäß ist dies auch mit der Bewegung der Fall, da die Zeit nichts ist wie die Zahl der Bewegungen. VIII. Gott ist eher als die Welt, entweder nur der Natur nach als wirkender Grund oder auch der Dauer nach. Ist das erste der Fall, so ist, da Gott ewig ist, auch die Welt von Ewigkeit. Ist das zweite der Fall, so war vor der Welt die Zeit; denn das Vorher und Nachher in der Dauer sind eben die Elemente der Zeit. Daß aber, bevor die Welt bestand, die Zeit war, ist unmöglich. IX. Ist die hinreichende Ursache da, so folgt die Wirkung. Denn jene Ursache, auf welche die Wirkung nicht folgt, ist eine unvollendete Ursache, die noch etwas bedarf, damit ihr die Wirkung folgen könne. Gott aber ist die vollendete Ursache der Welt: als Zweckursache wegen seiner Güte; als Exemplarursache wegen seiner Weisheit; als wirkende Ursache wegen seiner Macht. Da also Gott von Ewigkeit ist, so ist dies auch die Welt. X. Dessen Thätigsein ewig ist, von dem geht auch in Ewigkeit die Wirkung aus. Gottes Thätigsein aber ist seine Substanz. Also ist auch die Welt ewig. Auf der anderen Seite sagt der Herr (Joh. 17.): „Verherrliche mich, Vater, bei Dir selbst mit jener Herrlichkeit, die ich hatte, bevor die Welt war;“ und außerdem heißt es Prov. 8, 22.: „Der Herr hat mich besessen im Anfange seiner Wege; ehe Er irgend etwas machte, von Anfang an.“
b) Ich antworte, daß ohne und außer Gott Nichts von Ewigkeit gewesen sein kann. Denn es ist oben gezeigt worden, daß der Wille Gottes die Ursache der Dinge ist. In der Weise also muß etwas notwendig sein, wie notwendig Gott es gewollt hat, daß es sei; da die Notwendigkeit, welche die Wirkung begleitet von der Notwendigkeit abhängt, welche die Wirkung in der Ursache hat. Gott aber hat (Kap. 19, Art. 3) nicht notwendig, etwas zu wollen außer Sich selbst. Es ist also nicht notwendig, daß Gott das immerwährende Sein der Welt will. Vielmehr ist die Welt insoweit, als Gott will, daß sie sei; da das Sein der Welt vom Willen Gottes wie von seiner Ursache abhängt. Das ist also nicht notwendig, daß die Welt immer sei. Somit kann letzteres auch nicht mit sicheren Beweisgründen dargethan werden. So sind auch die Beweisgründe des Aristoteles für die Ewigkeit der Welt nicht an sich zuverlässig; sondern sie haben nur insofern Beweiskraft, als sie sich gegen einige alte Philosophen wenden, die annahmen, die Welt habe auf eine Weise begonnen, welche in Wahrheit unmöglich war. Und dies erhellt aus drei Umständen. Erstens schickt er sowohl 8 Phys. als auch I. de caelo die Meinungen des Anaxagoras, Empedokles und Plato voraus und zeigt, daß diese Meinungen über die Art des Anfanges der Welt falsch seien. Ferner stützt er sich überall, wo er diesen Stoff behandelt, auf Stellen der Alten; was nur jemand thut, der nicht aus sachlichen Gründen heraus beweisen, sondern eine Wahrscheinlichkeit vielmehr begründen will. Endlich sagt Aristoteles offen I. Top. cap. 9, es gäbe manche Sätze, die man nicht beweisen, sondern an denen sich die Dialektik nur üben könne; und zu diesen rechnet er den Satz von der Ewigkeit der Welt.
c) I. Bevor die Welt war, war sie möglich; nicht weil eine Möglichkeit existierte wie der Stoff, aus dem sie hätte werden können, sondern gemäß der wirkenden Macht Gottes; und ebenso weil der Ausdruck „Welt“ mit dem Ausdruck „Sein“ in keinem Gegensatze steht, also eine absolute Möglichkeit, abgesehen von aller wirkenden und empfangenden Macht, vorhanden ist. II. Jenes, was die Kraft hat immer zu sein, das ist nicht einmal und dann wieder nicht; sondern es hat ununterbrochenes Sein, seit es diese Kraft besitzt. Bevor es aber diese Kraft hatte, war es nicht. Deshalb schließt (I. de coelo) Aristoteles aus diesem Grundsatze nicht, daß die dem Vergehen nicht ausgesetzten Wesen keinen Anfang gehabt, sondern nur daß sie nicht so angefangen haben, wie das was hier auf Erden entsteht und vergeht. III. Aristoteles beweist (I. Phys.), der Stoff sei unerzeugt, weil er als Urstoff kein Subjekt habe, aus dem er geworden; da vielmehr alles Stoffliche aus ihm geworden. Und I. de coelo beweist er, die Himmelskörper seien nicht durch Zeugung entstanden, weil sie keinen Gegensatz haben, aus dem sie hätten erzeugt werden können; wie das Feuer aus seinem Gegensatze, dem Wasser, den Dampf erzeugt. Also will Aristoteles bloß beweisen, daß der Urstoff und die Himmelskörper nicht durch Zeugung begonnen haben, wie einige zumal von den Himmelskörpern es annahmen. Wir aber sagen, daß beides durch Erschaffung zum Dasein gelangte. IV. Zur Natur des Leeren ist es nicht genügend zu sagen, daß in demselben nichts thatsächlich sei; sondern es wird dazu erfordert, daß ein Raum bestehe, der einen Körper fassen könne, obwohl thatsächlich keiner darin ist. Wir aber sagen, es habe vor der Welt weder Raum noch Ort bestanden. V. Der Erstbewegende war immer auf dieselbe Weise. Das erste und maßgebende Bewegliche aber war nicht immer auf dieselbe Weise, denn es begann zu sein, da es vorher nicht war. Dies aber kam nicht von irgend welcher Änderung in ihm her, sondern von der Erschaffung. Daraus geht hervor, daß Aristoteles diesen Grund gegen Anaxagoras und Empedokles anführt, welche ewig bewegliche Körper annahmen, aber nicht eine ewige Bewegung. Wir jedoch sagen, daß Bewegung immer war, seit Bewegliches existiert. VI. Der Erstwirkende wirkt aus freiem Willen. Und wenn Er auch von Ewigkeit her den Willen hatte, eine Wirkung hervorzubringen, so hat Er doch keine ewige Wirkung hervorgebracht; und zwar nicht etwa weil in Ihm eine Änderung vorgegangen, als Er nun die zeitliche Wirkung gründete, und auch nicht weil Er habe eine Zeit lang warten wollen. Denn anders muß hier geurteilt werden, wenn es sich um eine besondere beschränkte wirkende Ursächlichkeit oder wenn es um die erste allwirkende handelt, von welcher die ganze Wirkung ausgeht. Die erstere nämlich setzt bei ihrem Wirken den Stoff als vorhanden voraus; und deshalb darf sie nur nach dem geziemenden Verhältnisse zum Stoff die Form einführen. Deshalb wird bei ihr ganz vernünftigerweise erwogen, daß sie in diesen und nicht in jenen Stoff, unter diesen und nicht unter jenen Zeit- und Ortsverhältnissen die Form einführt; weil sie die Verschiedenheit des einen Stoffes zum anderen berücksichtigen muß. Dies alles würde aber unvernünftigerweise erwogen werden bei jener Ursächlichkeit, welche nichts voraussetzt, sondern Stoff und Form hervorbringt. In ihr wird vernünftigerweise nur erwogen, daß sie gemäß dem Zwecke und gemäß der gewollten Form einen entsprechenden Stoff herstelle. So berücksichtigt die beschränkte, wirkende Ursächlichkeit auch die Zeit gleich wie den Stoff; sie handelt demgemäß vernünftigerweise oft erst in einer späteren Zeit und nicht vorher. Die erstwirkende Ursache aber, die da den Stoff und die Zeit hervorbringt, berücksichtigt nicht, daß eine spätere Zeit mehr zusagen würde ihrer Wirkung, wie eine frühere, als ob sie die Zeit als eine Voraussetzung betrachtete, unter welcher erst sie wirken könnte. Vielmehr giebt sie ihrer Wirkung Zeit, so viel und wann sie will und wie es sich gebührt, damit ihre Macht offenbar werde. Denn die Welt führt in mehr offenbarer Weise zur Kenntnis der schaffenden Kraft, da sie nicht von Ewigkeit ist, als wenn sie von Ewigkeit wäre; da das, was nicht immer war, offenbar eine Ursache haben muß; was aber immer war, das zeigt dies nicht so deutlich. VII. Vor und Nach wird in der Zeit ausgesagt wie in der Bewegung. Anfang und Ende also gilt von der Zeit wie von der Bewegung. Wird nun die Ewigkeit der Bewegung vorausgesetzt, so ist jegliches Moment in der Bewegung Anfang (vom Folgenden) und Ende (vom Vorangegangenen). Das hat aber nicht statt, wenn die Bewegung einen Anfang hatte. Da ist das erste Moment in der Bewegung bloß Anfang. Dasselbe also gilt von jedem Nun der Zeit, das Anfang (der folgenden) ist und Ende (der vergangenen), jedoch unter der Voraussetzung, daß die Zeit ewig sei. Also gebrauchte Aristoteles diesen Grund gegen jene, welche eine ewige Zeit annahmen und eine ewige Bewegung leugneten. (8 ?k?s.) VIII. Gott ist eher als die Welt der Dauer nach. Aber dieses „eher“ bezeichnet die Ewigkeit, nicht eine voraufgehende Zeit. IX. Aus der kraft ihrer Natur wirkenden Ursächlichkeit folgt die Wirkung nach Maßgabe dieser Natur. Aus der nach freiem Willen wirkenden Ursache folgt die Wirkung gemäß der vorher aufgefaßten und bestimmten Erkenntnisform. Gott also ist von Ewigkeit die hinreichende Ur sache der Welt, aber diese Wirkung folgt, wie Er und wann Er will; also in unserem Falle so, daß sie Sein hat, nachdem sie Nichtsein gehabt, damit sie offenbarer den Urheber verkünde. X. Die Thätigkeit Gottes ist sein Wille. Also folgt die Wirkung, wie Er will. Es ist bei Gott von keiner naturnotwendigen Wirkung nach außen hin die Rede.
