Zweiter Artikel. Daß die Welt begonnen habe ist Glaubensartikel und nicht Crgebnis wissenschaftlicher Beweisgründe.
a) Dagegen spricht: I. Alles, was geworden, hat einen Beginn seiner Dauer. Es wird jedoch mit Beweisgründen dargethan, daß die Welt auf Grund der wirkenden Kraft Gottes geworden ist. Also hat sie gemäß der Wissenschaft einen Anfang und nicht nur gemäß dem Glauben; wie dies auch die bedeutenderen Philosophen annahmen. II. Die Welt ist entweder aus Nichts gemacht oder aus etwas. Nicht aus etwas; denn da hätte der Stoff vor der Welt existiert. Also aus Nichts; und somit hat die Welt Sein, nachdem sie nicht war. Demnach hat sie begonnen zu sein. III. Wer gemäß der Vernunft wirkt, beginnt von einem Princip aus zu wirken. Gott aber wirkt gemäß der Vernunft. Also von einem Princip aus wirkt Er. Also hat die Welt, welche sein Werk ist, ein Princip, d. h. einen Anfang. IV. Die Künste haben, wie wir wissen, angefangen zu bestimmten Zeiten; und ebenso verhält es sich mit den Ländern, die zu gewissen Zeiten anfingen, bewohnt zu werden. Dies könnte aber nicht der Fall sein, wenn die Welt immer gewesen wäre. V. Mit Gott kann nichts verglichen werden. Wäre aber die Welt von Ewigkeit, so könnte ihre Dauer mit der Gottes verglichen werden. VI. Wäre die Welt ewig, so wären Tage ohne Zahl und ohne Ende dem heutigen vorangegangen. Eine Zahl ohne Ende aber kann nicht durchmessen werden. Also wäre man nie bis zum heutigen Tage gekommen. VII. Wäre die Welt ewig, so wäre auch die Zeugung von Ewigkeit. Also der eine Mensch wäre gezeugt vom anderen und dieser wieder weiter von einem anderen ohne Ende. Nun ist aber der Vater die wirkende Ursache des Sohnes. Also würde man in der Reihe der wirkenden Ursachen, respektive in der Abhängigkeit der einen wirkenden Ursachen von der anderen, kein Ende finden; und somit wäre gar nichts gewirkt, da die eine Ursache ohne Ende sich auf die andere berufen müßte. (2 Metaph.) Vgl. Kap. 2, Art. 3 und „Natur, Vernunft, Gott“. (Kap. 1, §§ 2 und 4, Nr. 28.) VIII. Zudem würden unsterbliche menschliche Seelen ohne Zahl thatsächlich existieren, was unmöglich ist; da eine endlose Zahl der thatsächlichen Existenz nach nicht bestehen kann. Also wird die Notwendigkeit des Anfanges. der Welt wissenschaftlich dargethan und nicht bloß durch den Glauben ein solcher Beginn festgestellt. Auf der anderen Seite werden Glaubensartikel nicht bewiesen; denn der Glaube berücksichtigt das Nicht-Erscheinende. (Hebr. 11.) Daß aber die Welt begonnen, ist Glaubensartikel; denn wir sagen: „Ich glaube an einen Gott“ etc. Und Gregor der Große (hom. 1. iu Ezech.) sagt: „Moses hat geweissagt von der Vergangenheit, da er sagte: Im Anfange schuf Gott.“ Also daß die Welt begonnen, ist durch die Offenbarung uns bekannt geworden.
b) Ich antworte, daß der Satz, die Welt habe einen Anfang, nur kraft des Glaubens festgehalten wird und nicht bewiesen werden kann; ebensowenig wie das Geheimnis der Dreieinigkeit. Und der Grund davon ist: Daß die Welt einen Anfang gehabt habe, kann nicht bewiesen werden, wenn die Natur der Welt in Betracht gezogen wird. Denn die Grundlage und das Princip für einen wissenschaftlichen Beweis ist das Wesen oder die Natur des fraglichen Dinges. Nun sieht jedes Wesen und jede Natur ab von Zeit und Ort; weshalb gesagt wird, daß die allgemeinen Wesensbegriffe immer und überall sind. Es kann also von dieser Seite her nicht dargethan werden, daß der Mensch, daß der Himmelskörper, daß der Stein nicht immer war. Alle diese Dinge besagen ihrem Wesen nach, — und das kann doch allein zu einem Beweise benutzt werden, — gar nichts von Zeit und Ort. Aber auch von der wirkenden Ursache her kann dies nicht bewiesen werden. Denn diese wirkende Ursache ist der Wille Gottes. Der Wille Gottes aber kann von der menschlichen Vernunft aus nicht in seinem Innern, insoweit er etwas will oder nicht will, durchforscht werden; außer in dem, was allseitig notwendig ist, daß Gott es wolle. Dazu gehört aber nichts von dem, was Gott rücksichtlich der Kreaturen will. (Kap. 19, Art. 3.) Der Wille Gottes kann nun offenbar werden durch die Offenbarung; auf diese stützt sich jedoch der Glaube. Daß also die Welt angefangen hat, das ist ein Glaubenssatz; und nicht wissenschaftlich beweisbar. Und dies wird mit Nutzen erwogen, damit nicht jemand in der Absicht etwas zu beweisen, was in das Gebiet des Glaubens gehört, nur Schein- oder Wahrscheinlichkeitsgründe vorbringe und damit den Ungläubigen Veranlassung gebe, über uns zu spotten, indem sie uns vorwerfen, wir glaubten auf Grund solcher Wahrscheinlichkeiten und solchen bloßen Scheines.
c) I. Zweifach war die Meinung der Philosophen, die da annahmen, die Welt sei ewig, wie Augustin berichtet (11. de civ. Dei c. 4.). Die einen unter denselben meinten, daß die Substanz der Welt nicht von Gott sei; — dies ist ein unerträglicher Irrtum und wird mit notwendig beweisenden Gründen zurückgewiesen. Andere aber hielten die Welt für ein Werk Gottes, trotzdem aber als ewig bestehend. „Wie sie dies aber verstanden wissen wollten,“ so Augustin (10. de Civ. 31.), „das zeigten sie durch ein Beispiel an. Denn wie wenn ein Fuß von Ewigkeit her dem Staube eingedrückt gewesen wäre, immer die Spur davon bestände und doch sie unzweifelhaft vom Fuße des Hineintretenden herrührte, so sei die Welt von Ewigkeit, da jener von Ewigkeit sei, der sie gemacht.“ Dabei muß berücksichtigt werden, daß bei jenen Ursachen, welche vermittelst der Bewegung ihre Wirkung hervorbringen, die Wirkung notwendigerweise der Zeit nach folgt; denn die Wirkung ist am Ende der Bewegung, der Anstoß aber im Beginne. Ist jedoch das Wirken mit keiner Bewegung, also mit keiner Aufeinanderfolge von sich aus verknüpft; vollzieht es sich vielmehr im Augenblicke, wie das beim Lichte und dessen Leuchten zu sehen ist, so ist das Gewirkte nicht notwendigerweise später der Dauer nach wie der Wirkende. Sie sagen also, daß dies nicht mit Notwendigkeit folgt, Gott fei früher als die Welt der Dauer nach, weil Er sie gewirkt. Denn das Erschaffen, wodurch Gott die Welt hervorbrachte, sei keine mit Aufeinanderfolge wesentlich verbundene Thätigkeit, sondern vollziehe sich im Augenblicke. II. Daß die Welt aus nichts sei, wird nicht notwendig so verstanden, daß sie nach dem nichts sei, also vor ihr nichts war; sondern dies kann auch so verstanden werden, daß sie nicht aus einem vorliegenden Stoffe gemacht ist. Und deshalb nennt auch Avicenna (9 Metaph. c. 4.) die Welt „geschaffen“, trotzdem sie ewig sei. III. Dies ist der Grund des Anaxagoras für den notwendigen Anfang der Welt. Aristoteles führt ihn an. (8 Phys.) Er gilt aber nur, wenn es sich um eine Vernunft handelt wie die menschliche, die von einem Princip im Erkennen ausgeht und dann nach und nach weiter erkennt, was zu thun sei; ein solches Vorgehen ist ähnlich der Bewegung. So aber erkennt Gott nicht. Er erkennt und umfaßt alles in einem Blicke. IV. Die für die Ewigkeit der Welt sind, nehmen an, die Künste seien unzählige Male blühend gewesen und dann wieder verfallen; ebenso die verschiedenen Länder seien von unbewohnten bewohnte, von bewohnten wieder unbewohnte geworden in stetem Wechsel. Deshalb nennt es Aristoteles (I. Meteor. cap. u!t.) lächerlich, von solchen einzelnen Veränderungen auf einen Beginn der Welt zu schließen. V. Die Welt würde auch als ewige nicht Gott in der Dauer gleich sein; denn das göttliche Sein ist ganz zugleich, ohne Träger einer Aufeinanderfolge im Sein, was bei der Welt nicht statthat. VI. Ein Durchschreiten fordert immer einen feststehenden Punkt, von dem ausgegangen wird und einen anderen festen Punkt, bis zu dem man gelangt. Welcher Tag aber auch immer in der Vergangenheit als Ausgangspunkt genommen würde, so wäre die Zahl der Tage bis auf heute eine begrenzte und könnte somit durchschritten werden. Der Einwurf aber spricht so, als ob zwischen zwei Punkten endlose Mittelpunkte wären. VII. In den wirkenden Ursachen ist eine endlose Reihe unmöglich, wenn dieselben an sich genommen werden, so nämlich, daß die eine in ihrem Wirken wesentlich abhängig ist von der anderen und nicht wirken könnte, wenn nicht die vorhergehende wirkt; wie wenn also der Stein in Bewegung gesetzt würde durch die Schleuder, die Schleuder durch die Hand und so in endloser Abhängigkeit weiter. Ist aber keine solche direkte Ordnung in den wirkenden Ursachen untereinander, so wird ein „ohne Ende“ nicht für unmöglich gehalten; wie wenn der Künstler z. B., nachdem ein Hammer zerbrochen, einen anderen nimmt und so endlos weiter. Denn es ist für diesen einen Hammer rein zufällig, daß er mitwirkt, nachdem der andere zerbrochen ist; er hängt von dem zerbrochenen im Wirten nicht ab. Und ähnlich ist es zufällig für einen Menschen, insofern er zeugt, daß er von einem anderen gezeugt ist; denn er zeugt, insoweit er Mensch ist und nicht insoweit er Sohn eines anderen ist. Das also ist nicht unmöglich, daß der Mensch vom Menschen in endloser Reihe gezeugt werde. Nur dann wäre eine Unmöglichkeit vorhanden, wenn die Zeugung des einen abhängen würde von diesem bestimmten Menschen; und dieser bestimmte Mensch im Zeugen abhängig wäre von einem Elementarkörper, dieser von der Sonne in seinem Einwirken und so ins Endlose. VIII. Manche meinen, um diesem Einwürfe zu entfliehen, es sei nichts Unmögliches, daß ohne Zahl viele Seelen zusammenbeständen, wie Algazel in der Metaphysik sagt; denn hier sei das „ohne Ende“ rein zufällig. Das wurde aber bereits oben verworfen. (Kap. 7, Art. 4.) Andere meinen, die Seele gehe zu Grunde mit dem Körper. Andere, es bleibe nur eine übrig von allen. Andere nahmen, wie Augustin berichtet (12. de civ. Dei c. 13.; serm. 14. de tempore; de haeres. 49.), ein Wandern der Seelen an, daß dieselben Seelen wieder zurückkehrten, um andere Körper zu beleben. Doch darüber später. Für den vorliegenden Punkt genügt es zu sagen, daß dieser Einwurf einem besonderen Seinskreise angehört; so daß wohl die Welt oder ein Engel von Ewigkeit sein kann, nicht aber der Mensch. Wir aber fragen nicht danach, ob jede Kreatur von Ewigkeit war, sondern ob überhaupt eine Kreatur von Ewigkeit sein könne.
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