Zweiter Artikel. Gott, das höchste Gut, ist nicht die Ursache des Übels.
a) Dagegen heißt es: I. „Ich der Herr und es ist kein anderer Gott; ich forme das Licht und schaffe die Finsternisse; mache den Frieden und schaffe das Übel.“(Is. 45, 6.) Ebenso: „Wenn ein Übel in der Stadt sein wird, was der Herr nicht gemacht hat.“ (Amos 3, 6.) Also Gott ist die Ursache des Übels. II. Die Wirkungen der Ursachen zweiten Ranges lassen sich immer zurückführen in die erstwirkende Ursache. Das Gute aber ist die Ursache des Übels. Da also Gott von allem Guten die Ursache ist, so ist Er es auch vom Übel. III. „Ebendasselbe,“ sagt Aristoteles (2 Phys.), „ist die Ursache der Rettung des Schiffes und der Gefahr desselben.“ Gott aber ist die Ursache der Rettung und des Heils Aller. Also ist Er auch die Ursache jeglichen Verderbens und des Übels; denn Er könnte alle retten. Auf der anderen Seite sagt Augustin (83. qu. 21.): „Gott ist nicht der Urheber des Übels, weil Er nicht die Ursache ist, daß etwas zum Nichts hinabsinkt.“
b) Ich antworte, daß das Übel, welches im Mangel innerhalb des Thätigseins selber besteht, immer in der Schwäche des Wirkenden seine Ursache hat, wie oben gesagt worden. In Gottes Wirken aber ist nie eine Schwäche. Also kommt dieses Übel in keiner Weise von Gott. Das Übel aber, welches im Verderben und Vergehen einzelner Dinge besteht, wird auf Gott zurückgeführt als auf seine Ursache. Und das ist klar sowohl in denen, die rein kraft der Natur, als auch in denen, die mit freiem Willen wirken. Denn es ist gesagt worden, daß eine wirkende Ursache insoweit durch ihre Kraft den Mangel und das Verderben verursacht als mit der ihr eigensten Wirkung Vergehen und Mangel eines anderen Gutes irgendwie verbunden ist. Nun ist die eigenste Wirkung Gottes das Gesamtbeste, das Wohl des All; und dies beabsichtigt Gott in allem, was Er schafft. Dieses Gesamtbeste aber erfordert es (Kap. 48, Art. 2; Kap. 21, Art. 2, ad 2), daß manche Dinge bestehen, die verderben oder vergehen können und bisweilen thatsächlich verderben oder vergehen. Und so verursacht Gott dadurch eben, daß Er die Ordnung und das Wohl des Ganzen vor Augen hat als Folge davon und unter dieser Bedingung das Verderben der Dinge, wie es I. Reg. 1, 6. heißt: „Der Herr ertötet und macht lebendig.“ Und daß es Sap. 1, 12. heißt: „Gott hat den Tod nicht gemacht;“ das bedeutet, Gott hat nicht an erster Stelle und direkt den Tod gewollt. Und ebenso gehört zur Ordnung des All die Ausführung und Vollstreckung der Gerechtigkeit, die erfordert, daß die Sünder bestraft werden. Danach also ist Gott der Urheber der Strafe; nicht aber der Schuld.
c) I. Jene Stellen sprechen vom Übel der Strafe. II. Die Wirkung der Ursachen zweiten Ranges werden zurückgeführt auf die erste, insoweit darin Sein und Vollendung ist, nicht aber insoweit sie Mangel in sich schließen; wie das, was an Bewegung im Gehen des Lahmen ist, von der bewegenden Kraft, die an erster Stelle wirkt, herrührt; was aber mangelhaft darin ist, das kommt von der Schwäche des Werkzeuges, nämlich des Beines. Und ähnlich was auch immer an Sein und Thätigkeit in der Sünde ist, das kommt von Gott als von seiner Ursache; was an Schwäche und Mangel sich darin findet, das rührt von der Schwäche des geschöpflichen Willens her. III. Das Sinken des Schiffes wird dem Steuermanne zugeschrieben, wenn er nicht gethan hat, was erforderlich war zur Erhaltung des Schiffes. Gott aber unterläßt nie, uns zu geben, was zum Heile notwendig ist.
