Dritter Artikel. Die Engel üben vermittelst der angenommenen Leiber keine Lebensthätigkeit aus.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Den Engeln der Wahrheit geziemt es nicht, zu täuschen. Es wäre aber nicht Anderes als täuschen, wenn sie Körper hätten, die zu leben schienen, jedoch keine Lebensthätigkeit ausübten. II. In den von den Engeln angenommenen Körpern sind Augen, Nasen und andere Sinne. Diese Organe würden aber ganz vergebens und nutzlos sein, wenn dadurch keine Lebensthätigkeit ausgeübt würde. III. Sich bewegen in der Weise des Körpers ist eine Lebensfähigkeit. Offenbar schreiten aber die Engel voran in ihren angenommenen Leibern. So heißt es Gen. 18, 6.: „Abraham schritt zugleich voran und geleitete den Engel hinab.“ Und bei Tobias 5, 7.: „Alle diese Wege habe ich häufig durchwandelt.“ Also ist wirkliche Lebensthätigkeit in den von Engeln angenommenen Körpern.IV. Reden ist Thätigkeit des Lebenden; denn die Stimme ist ein vom sinnbegabten Wesen hervorgebrachter Schall (2. de anima Arist.). Die Engel aber sprechen in ihren angenommenen Körpern. V. Essen ist das Werk eines Lebenden; deshalb hat auch der Herr nach der Auferstehung, um zu beweisen, daß er seinen wirklichen lebenden menschlichen Leib wieder habe, mit den Aposteln gegessen (Luc. ult.). Die Engel aber aßen bisweilen in den angenommenen Leibern; wie z. B. Abraham ihnen (Gen. 18.) Speisen brachte. VI. Einen Menschen erzeugen ist ein Lebensakt. Das aber kommt den Engeln zu in den angenommenen Leibern; wie es Gen. 6, 4. heißt: „Als die Söhne Gottes hineingegangen waren zu den Töchtern der Menschen, gebaren die letzteren; und das sind in der Welt die großen Männer.“ Auf der anderen Seite leben die von den Engeln angenommenen Leiber nicht, wie Art. 3 ad 2 gesagt worden. Also vollzieht sich durch sie auch keine Lebensthätigleit
b) Ich antworte, daß manche unter den Lebensthätigkeiten etwas Gemeinsames haben mit anderen Thätigkeiten. So ist die Stimme, die als Lebensthätigkeit gilt, dasselbe wie die Töne, die von leblosen Dingen kommen, insoweit damit ein Schall verbunden ist; und das Voranschreiten in der Bewegung des Lebenden findet auch bei anderen Bewegungen statt, insoweit diese als Bewegungen betrachtet werden. Insoweit also eine solche Thätigkeit mit der ähnlichen des leblosen Dinges übereinstimmt, kann sie auch von den Engeln aus geschehen durch die angenommenen Körper; nicht aber insoweit sie dem lebenden Dinge als lebenden eigen ist. Denn „wem das Vermögen zugehört,“ so Aristoteles (de somno et vigil. c. 1.), „von dem wird auch das Thätigsein ausgesagt.“ Was also kein Leben, d. h. kein Vermögen in sich hat als das Princip der Thätigkeit, das kann auch keine Lebensthätigkeit entwickeln.
c) I. Das ist nicht gegen die Wahrheit, daß z. B. die Schrift Unsichtbares beschreibt mit Hilfe von sinnlich wahrnehmbaren Bildern und Figuren; denn damit sagt sie nicht, das Unsichtbare, also das rein Vernünftige sei an sich sinnlich wahrnehmbar. Vielmehr will sie das rein Vernünftige vermittelst solcher Bilder unserm Verständnisse kraft der Ähnlichkeit nahe bringen. Ebenso ist es nicht gegen die Wahrheit, daß die Engel Körper annehmen, die nicht leben und es doch scheinen. Denn durch die Eigentümlichkeiten und die Werke des Menschen verdeutlichen die Engel rein geistige Eigentümlichkeiten und ihre eigenen geistigen Werte. Und dies würde nicht so zutreffend geschehen, wenn sie wirkliche Menschen annähmen; denn deren Eigentümlichleiten würden zu ihnen selbst, zu den Menschen nämlich leiten, nicht zu den Engeln. II. Die Engel haben keine sinnliche Wahrnehmung; denn sinnlich wahrnehmen ist Lebensthätigkeit. Trotzdem sind Augen, Nasen etc. bei ihren Körpern nicht zwecklos, denn durch solche Organe wird auf geistige Thätigkeit hingewiesen; wie z. B. durch die Augen auf ihre Erkenntnistraft, wozu zu vergleichen Dionysius ult. cap. de coel. hiarch. III. Ist der Bewegende kraft seiner Natur im Bewegten und mit demselben zu einer natürlichen Einheit verbunden, so ist diese Bewegung eine Lebensthätigleit. So also werden die von den Engeln angenommenen Körper nicht bewegt. Es ist aber auch der Engel, obgleich nicht an und für sich, als ob er nämlich in seiner Natur selber etwas der Bewegung Unterliegendes hätte, in der Weise in Bewegung, als er seine wirkende und bewegende Kraft anderswohin lenkt, wenn das Bewegliche nicht mehr an derselben Stelle wie vorher sich findet; also auf Grund dessen daß dem, worauf er hinwirkt, wirkliche Bewegung zukommt und somit sein, des Engels, Wirken danach seine Richtung wechselt. Das ist aber nicht an sich beweglich sein, sondern auf Grund eines äußeren Umstandes; nämlich auf Grund der Natur dessen, was zufällig unter der bewegenden Kraft steht, was also an sich beweglich ist. Und so wird von den Engeln gesagt per accidens, sie seien so hier, daß sie nicht anderswo seien. Gott aber kommt auch dieses Beweglichsein nicht zu; weil Er überall ist und wirkt. Und auch den Engeln kommt diese letztere Art zufälligen Beweglichseins nicht zu, insoweit ihre Verstandeskraft die Himmelskörper in Bewegung setzt; denn die Himmelskörper werden zugleich in ihrer ganzen Substanz bewegt, nicht also daß der eine Teil des einen Himmelskörpers der bewegenden Kraft des einen bewegenden Engels unterliege und der andere Teil unter der bewegenden Kraft eines anderen sei. Zudem werden die Himmelskörper immer von derselben Stelle aus bewegt und immer in bestimmter Richtung, so daß sich da die bewegende Kraft immer durchaus auf ein und dasselbe richtet. „Immer ist im Osten,“ sagt Aristoteles 8 Phys. „die bewegende Kraft.“IV. Die Engel sprechen nicht eigentlich, sondern formieren die Luft zu Tönen vermittelst ihrer bewegenden Kraft, ähnlich wie wir sie formieren durch unsere Organe. V. Essen kommt den Engeln nicht zu; denn damit ist verbunden die Verwandlung der Speisen in die Substanz des Essenden. Christus hat wirklich gegessen nach der Auferstehung, wenn auch die Speise den verklärten Körper nicht nährte, sondern sich in ihre Elemente wieder auflöste; weil Er einen solchen Körper besaß, in dessen Substanz gemäß seiner Natur die Speise verwandelt werden konnte; — und sonach war dies ein wahres Essen. Die Speise, welche die Engel nahmen, wurde aber weder in ihre Substanz verwandelt, noch ist ihre Substanz von einer derartigen Natur, daß in sie die Speise verwandelt werden könnte. Also war dies bloß eine äußere Form des Essens, ein Bild, eine Figur davon. Deshalb sagte der Engel zu Tobias: „Ich schien zu essen und zu trinken; ich habe aber unsichtbare Nahrung.“ Abraham trug Speisen herbei, weil er meinte, es seien Menschen, in denen Gottes Autorität zu verehren sei, wie dies bei den Propheten der Fall ist. (16. de Civ. c. 29.) VI. Unter den „Söhnen Gottes“ werden an dieser Stelle die Kinder Seths verstanden und unter den „Töchtern der Menschen“ jene, welche aus dem Geschlechte Kains waren. Und es ist das nicht wunderbar, daß daraus Riesen geboren werden konnten; es waren nämlich nicht alles Riesen. Es existierten deren aber vor der Sündflut weit mehr wie nachher. Damit kann jedoch bestehen bleiben, daß nicht sowohl die Engel als vielmehr die Dämonen über den Samen irgend welche Gewalt haben; wie sie ja auch Gewalt besitzen über die Erzeugung anderer Dinge. Dann bleibt aber der so geborene Mensch immer der Sohn jenes Menschen, von dem er gezeugt worden; und ist nicht ein Sohn des Dämon. (Vgl. 15. de Civ. Dei c. 13. et 3. de Trin. c. 8. et 9.)
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