Dritter Artikel. Die Bewegung des Engels vollzieht sich nicht in einem Augenblicke.
a) Dies scheint nicht so. Denn: I. Je stärker die Kraft des Bewegenden ist und das Bewegliche weniger Widerstand leistet, desto schneller ist die Bewegung. Die Kraft des Engels aber, vermittelst deren er sich selbst bewegt und demnach von sich aus in Bewegung sich befindet, ist unverhältnismäßig größer als die Kraft, welche dazu gehört, einen bloßen Körper zu bewegen. Also ist auch die Zeit, in welcher die Bewegung sich vollzieht, unverhältnismäßig geringer. Zwischen einer Zeit zur anderen giebt es aber immer ein Verhältnis. Also bewegt sich der Engel innerhalb keiner Zeit, sondern im unteilbaren Augenblicke. II. Bereits eine gewisse stoffliche Veränderung vollzieht sich in einem Augenblicke; nämlich das Erleuchtetwerden. Denn es wird nicht etwas nach und nach, ein Teil nach dem anderen vom Lichte getroffen und leuchtet demgemäß; wie ein Körper nach und nach warm wird; — und der Lichtstrahl erreicht nicht eher das Nahe wie das Ferne. Also ist dies um so mehr beim Engel der Fall, dessen Bewegung noch einfacher ist. III. Ist der Engel in einer Bewegung von Ort zu Ort während einer gewissen Zeit, so muß er im letzten Äugenblicke dieser Zeit am Schlußpunkte des Ortes sein. Vorher ist er dann entweder ganz im vorhergehenden Orte, dem Ausgangspunkte; oder er ist teilweise da und teilweise im Abschlüsse. Letzteres aber kann nicht angenommen werden, weil der Engel nicht teilbar ist. In der ganzen vorhergehenden Zeit also ist er im Ausgangspunkte der Bewegung. Da ruht er also; insofern ruhen nichts Anderes ist als da jetzt sein, wo man vorher war. Und so folgt, daß der Engel nur im letzten Augenblicke der angenommenen Zeit in Bewegung ist, um zum Schlußpunkte zu gelangen. Auf der anderen Seite ist in jeder Veränderung ein Vor und Nach. Das Vor und Nach in der Bewegung wird aber gemessen gemäß der Zeit. Also vollzieht sich jede Bewegung während einer gewissen Zeit.
b) Ich antworte, daß manche gesagt haben, die Bewegung des Engels vollziehe sich im Augenblicke. Nach ihnen ist der Engel die ganze Zeit vorher im Ausgangspunkte der Bewegung; und nur im letzten Augenblicke ist er im Schlußpunkte. Und es ist auch nach eben denselben nicht erforderlich, daß ein Vermittelndes bestehe zwischen zwei begrenzenden Punkten; wie z. B. zwischen der Zeit und ihrem Ende kein Mittleres besteht. Nur zwischen zwei Nun der Zeit, zwischen zwei Augenblicken ist eine vermittelnde, verbindende Zeit. Somit sagen sie, es gebe keinen äußersten Augenblick, in welchem der Engel als in dem Ausgangspunkte seiner Bewegung befindlich gewesen wäre; wie ja auch in der Erhellung und in der Erzeugung des Feuers es keinen äußersten unteilbaren Augenblick giebt, in welchem gesagt werden könnte, die Luft sei finster, der Stoff wäre noch nicht Feuer; es giebt da keinen Augenblick, kein Nun als Ausgangspunkt. Vielmehr besteht nur ein Augenblick als Schlußpunkt, in welchem die Luft erhellt, der Stoff Feuer ist; vorher war die ganze Zeit Finsternis. In dieser Weise seien die Erhellung und Erzeugung der Substanzen der Dinge als „augenblickliche“ Bewegungen bezeichnet. Das findet aber hier nicht statt. Und wir zeigen das folgendermaßen. Zur Natur der Ruhe gehört es, daß das Ruhende sich nicht anders verhält nun und vorher; und somit ist in jedem Nun der betreffenden Zeit, welche das Maß für die Ruhe ist, das Ruhende in ein und demselben „Wo“; nämlich im ersten und im letzten Nun und in der Zwischenzeit ist es am selben Orte. Zur Natur der Bewegung gehört es aber, daß etwas sich anders verhält nun und vorher. Und deshalb ist in jedem Nun der Zeit, welche als Maß für die Bewegung erscheint, das Bewegliche in einer anderen und wieder anderen Lage. Somit muß es im letzten Nun eine Form haben, die es vorher nicht hatte. Ruhen also in etwas, z. B. in der weißen Farbe, während der ganzen Zeit heißt: darin sein in jedem Nun dieser Zeit. Also kann nicht etwas die ganze Zeit hindurch ruhen in einem Ausgangspunkte; und dann im letzten Nun oder Augenblicke jener Zeit plötzlich in einem verschiedenen Schlußpunkte sein. Dazu muß etwas in Bewegung sich befinden; denn in Bewegung sein während einer Zeit heißt: nicht in derselben Lage sein in jedem Augenblicke. Alle solche Veränderungen also, welche sich im Augenblicke zu vollziehen scheinen, sind Abschlußpunkte einer in sich zusammenhängenden Bewegung; wie z. B. die Erzeugung der Abschluß ist für eine Reihe Veränderungen im Stoffe und die Erhellung der Abschluß ist für die örtliche Bewegung des erhellenden Körpers. Die Bewegung des Engels aber von Ort zu Ort ist nicht der Abschluß einer anderen in sich zusammenhängenden Bewegung; sondern besteht für sich selber unabhängig von jeder anderen Bewegung. Demgemäß ist es unmöglich zu sagen, daß er während einer ganzen Zeit in einem Orte gewesen sei; und im letzten Nun dieser Zeit sei er in einem anderen. Vielmehr muß ein Nun angezeigt werden, in welchem der Engel zuletzt war in dem vorhergehenden Orte. Wo aber viele Nun oder Augenblicke sind, die aufeinander folgen; da besteht Zeit, die ja nichts Anderes ist wie die Zählung des Vor und Nach in der Bewegung. Also vollzieht sich die Bewegung des Engels innerhalb einer gewissen Zeit. Diese Zeit aber, mag sie etwas in sich Zusammenhängendes sein oder nicht, je nach der Art der Bewegung des Engels, fällt jedenfalls nicht zusammen mit unserer Zeit, welche durch die Bewegung der Himmelskörper gemessen und geregelt wird; und welche ihrerseits alle körperliche Entwicklung mißt; denn die Bewegung des Engels hängt nicht ab von der Bewegung der Himmelskörper.
c) I. Ist die Zeit der Bewegung des Engels nichts in sich Zusammenhängendes, sondern bloß die Reihenfolge der Augenblicke, der Nun; so besteht von vornherein kein Vergleich mit der Zeit als dem Maße der körperlichen Vergänglichkeit. Ist aber die Zeit der Bewegung des Engels etwas in sich Zusammenhängendes; so besteht zwar ein Verhältnis; — aber nicht wie das des Bewegenden zum Beweglichen, sondern nur auf Grund des Umfanges oder der Größe, in welcher die Bewegung ist und auf welche sich die einwirkende Kraft des Engels erstreckt. Und deshalb ist die Schnelligkeit der Bewegung im Engel nicht gemäß der Aufwendung seiner Kraft, sondern gemäß der Bestimmung seines Willens. II. Die Erhellung ist der Abschluß einer Bewegung. Sie ist ein Anderswerden auf Grund vorhergehender Bewegung von Ort zu Ort; und nicht ist sie in sich Bewegung von Ort zu Ort, als ob das Licht bewegt werde zuerst zu dem, was nahe und dann zu dem, was fern ist. Die Bewegung des Engels aber ist von Ort zu Ort. Da ist kein Vergleich. III. Jener Einwurf geht von der in sich zusammenhängenden Zeit aus. Die Zeit des Engels aber kann auch nicht zusammenhängend sein. Und so kann der Engel in dem einen Augenblicke in einem Orte sein und in dem anderen in einem anderen Orte; während keine Zeit dazwischen zu liegen braucht. Ist aber die Zeit der Bewegung des Engels in sich zusammenhängend, so ist während der ganzen Zeit, die dem schließenden Nun vorangeht, der Engel durch endlose Orte hin, was die Zahl betrifft, in Bewegung, wie im vorigen Artikel gesagt worden. Er ist dabei teilweise in einem der Orte und teilweise in einem anderen; nicht als ob seine Substanz eine teilbare sei, sondern weil seine Kraft gerichtet ist auf einen Teil des ersten Ortes und zugleich auf einen Teil des zweiten. (Vgl. Art. 1.)
