Dritter Artikel. Die Einrichtung des menschlichen Körpers ist eine durchaus zutreffende.
a) Dem steht gegenüber: I. Manche Tiere haben schärfere Sinne und schnellere Bewegung wie der Mensch, der doch unter den sinnbegabten, beweglichen Wesen am höchsten steht. II. Viele Dinge fehlen dem menschlichen Körper von Natur, welche den Körpern von Tieren verliehen worden; wie Bekleidung, Waffen für seine Verteidigung etc. III. Weiter ist der Mensch von den Pflanzen entfernt wie von den Tieren. Die Pflanzen aber haben aufrechte Haltung und die Tiere sind zur Erde hin gekrümmt. Also mußte der Mensch keine aufrechte Haltung haben. Auf der anderen Seite sagt Ekkle. 7.: „Gott machte den Menschen aufrecht.“
b) Ich antworte, daß Gott sich zu den natürlichen Dingen verhält, wie der Künstler zum Kunstwerke. Jeder Künstler aber sucht sein Kunstwerk so einzurichten, daß es dem Zwecke entspricht; sollte auch wirklich damit nach einer anderen Seite hin ein Mangel verbunden sein. So macht z. B. der Schmied die Säge, welche harten Stoff teilen soll, aus Eisen; und nicht aus Glas, mag auch das Glas schöner aussehen; denn solches Glas würde ein Hindernis für den Zweck sein. Nun ist der nächste Zweck des menschlichen Körpers die vernünftige Seele und deren Thätigkeit. Denn der Stoff wird wegen der Form ausgewählt und die Werkzeuge auf Grund der beabsichtigten Thätigkeit. Gott hat also den menschlichen Körper in der Weise passend eingerichtet, daß er einer solchen Wesensform und den entsprechenden Thätigkeiten diene. Und wird in der Einrichtung des Körpers wirklich etwas Mangelhaftes beobachtet; so muß man erwägen, daß ein derartiger Mangel dem Stoffe mit Notwendigkeit folgt, insofern Manches erfordert wird deshalb, damit das gebührende Verhältnis des Stoffes zu der Wesensform und zu den entsprechenden Thätigkeiten bestehe.
c) I. Der Tastsinn ist als die Grundlage der anderen Sinne im Menschen vollkommener wie in jedem Tiere. Und deshalb mußte der Mensch unter allen sinnbegabten Wesen die zarteste Komplexion haben. Ebenso geht der Mensch allen sinnbegabten Wesen voran in den inneren sinnlichen Kräften. (Kap. 78, Art. 4.) Mit Rücksicht auf einzelne äußere Sinne aber trifft es sich infolge einer gewissen Notwendigkeit, daß der Mensch tiefer steht als anderes Sinnbegabte. So hat er unter allen Tieren den schlechtesten Geruch. Denn es war notwendig, daß der Mensch ein größeres Gehirn habe wie alle Tiere: einmal, damit in demselben mit größerer Freiheit die Thätigkeiten der inneren Sinne sich vollziehen, die erfordert sind für das Thätigsein der Vernunft; — dann, damit die Kälte des Gehirns die Wärme des Herzens mäßige, welche der Mensch haben muß, damit seine Haltung eine aufrechte sei. Die Größe des Gehirns aber ist wegen dessen Feuchtigkeit ein Hindernis für den Geruch, welcher Trockenheit erfordert. Und in ähnlicher Weise kann der Grund angegeben werden, warum einige Tiere schärfer sehen und hören wie der Mensch; weil nämlich die betreffenden Organe des Sehens und Hörens an sich betrachtet im Menschen ein Hindernis für das entsprechende hervorragende Thätigsein sind auf Grund der Gleichmäßigkeit in der Zusammensetzung der Elemente, in der Komplexion. Aus demselben Grunde haben einzelne Tiere eine schnellere Bewegung. Denn im Menschen muß Alles gleichmäßig der Vernunft dienen; es darf also kein sinnlicher Teil für sich allein durchaus hervorragen, so daß andere darunter litten. II. Hörner und Krallen, Dichte der Haut, eine Menge von Haaren, und Federn sind ein Zeichen, daß in diesen Tieren das Erdelement als das gröbste im Überflusse vorhanden ist; was der Zartheit in der Komplexion des Menschen geschadet hätte. Anstatt alles dessen aber hat er die Vernunft und die Hände; er kann sich so ohne Ende viele Arten Waffen und Kleider machen. Und dies gebührte der vernünftigen Natur, die da ohne Ende viele Auffassungen hat und danach sich Werkzeuge herzustellen vermag. III. Aus vier Gründen hat der Mensch aufrechte Haltung: 1. Die Sinne sind dem Menschen nicht nur deshalb gegeben, daß er sich Speise und zudem Befriedigung des Fortpflanzungstriebes suche, sondern auch daß er sich ergötze an der Schönheit der sichtbaren Natur. Die Sinne aber haben ihren Platz vorzugsweise im Haupte. Das Tier also schaut auf die Erde, damit es sich Speise suche und Befriedigung des Fortpflanzungs triebes; der Mensch hat sein Haupt aufgerichtet, damit er durch die Sinne und zumal durch das Gesicht, das unter den Sinnen der feinste ist und die meisten Unterschiede zwischen den Dingen aufdeckt, frei von allen Seiten her das Sichtbare, am Himmel und auf Erden, erfassen und aus Allem sich die Wahrheit erschließen kann. 2. Die inneren Kräfte haben um so mehr eine freiere Thätigkeit, als das Gehirn, in welchem sie ihre Vollendung finden, nicht gedrückt ist, sondern erhoben über alle Teile des Körpers. 3. Hätte der Mensch keine aufrechte Haltung, so würde er sich der Hände als Vorderbeine bedienen, und so müßte ihr Nutzen schwinden. 4. Zudem müßte er dann die Speise mit dem Munde ergreifen und festhalten anstatt mit den Händen. Und so müßte er harte Lippen, eine grobe und harte Zunge, ein schiefes Maul haben wie die Tiere, damit er nicht durch die äußeren Dinge verletzt würde; dies aber würde der Sprache hinderlich im Wege stehen, die das eigentlichste Werk der Vernunft ist. Von den Pflanzen aber steht der Mensch in seiner aufrechten Haltung weit ab. Denn der Mensch hat sein hauptsächliches Glied, das Haupt, nach dem höheren Teile der Welt gerichtet und seine niedrigeren Glieder dem niedrigeren Teile der Welt zu; und so entspricht er in passendster Weise der Einrichtung des All. Die Pflanzen aber haben ihren hauptsächlichsten Teil, die Wurzel (womit sie wie wir mit dem Munde Nahrung nehmen), unten und den weniger bedeutenden Teil oben. Die Tiere stehen in der Mitte, denn der hauptsächlichste Teil des Tieres ist jener, vermittelst dessen es Nahrung nimmt; der niedrigere jener, vermittelst dessen das Überflüssige entfernt wird.
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