Vierter Artikel. Die Beschreibung, wie sie die Schrift von der Aervorbringung des menschlichen HörperZ giebt, ist durchaus passend.
a) Das scheint nicht so zu sein. Denn: I. Bei den anderen Werken der sechs Tage heißt es: „Es sprach Gott, es werde, und es ward so.“ Der menschliche Leib aber gehört zu den Werken der sechs Tage. Also mußte seine Hervorbringung ebenso erzählt werden. II. Der menschliche Leib ist unmittelbar von Gott gemacht. Also heißt es unpassenderweise: „Wir wollen den Menschen machen.“ III. Die innere Wesensform des menschlichen Körpers ist die Seele selber, die da „Lebenshauch“ genannt wird. In unpassender Weise also wird zuerst gesagt: „Gott bildete den Menschen aus dem Lehm der Erde“ und dann hinzugefügt: „Er hauchte ein den Hauch des Lebens.“ IV. Die Seele ist überall im Körper. Also es durfte nicht heißen: „In sein Antlitz hauchte Er.“ V. Die beiden Geschlechter beziehen sich auf den Unterschied in den Körpern; das „Bild Gottes“ ist in der Seele. Nach Augustin aber (7. sup. Gen. ad litt. c. 24.) ist die Seele vor dem Körper gemacht. Unpassenderweise also heißt es: „Nach seinem Bilde machte Er ihn;“ und darauf: „Als Mann und Weib machte Er sie.“
b) Dem gegenüber steht die Autorität der Schrift.
c) I. „Nicht darin,“ sagt Augustin (6. sup. Gen. ad litt. c. 12.), „ragt der Mensch über die anderen Dinge hervor, daß Gott ihn machte, als ob Er alles Andere nicht selber gemacht hätte; da doch geschrieben steht (Ps. 101, 20.): Die Werke Deiner Hände sind die Himmel; und (Ps. 94, 5.): Das Trockene haben gebildet seine Hände; — vielmehr hat der Mensch seinen Vorrang darin, daß er nach dem Bilde Gottes gemacht ist.“ Die Schrift aber gebraucht für die Hervorbringung des Menschen eine eigene Redeweise, damit sie zeige, wie alle anderen Dinge wegen des Menschen gemacht sind. Denn was wir an erster Stelle beabsichtigen, das pflegen wir mit mehr Überlegung und Sorgfalt zu machen. II. „Wir wollen den Menschen machen;“ das ist nicht an die Engel gerichtet, wie manche verkehrterweise erklären. Vielmehr wird mit diesen Worten hingewiesen auf die Dreiheit der Personen, deren Bild in ausdrücklicher Weise im Menschen gefunden wird. III. Manche meinten, zuerst hätte Gott den Körper gemacht und später erst die Seele. Doch das ist gegen den Charakter der Vollendung, welche Gott den Dingen in ihrer ersten Bildung mitteilte, daß Er die Seele ohne Körper oder den Körper ohne Seele gemacht hätte; denn Beides ist ein Teil der menschlichen Natur. Und noch verkehrter ist es mit Rücksicht auf den Körper, der doch von der Seele im Menschsein abhängt, daß derselbe ohne Seele zuerst gebildet worden sei. Deshalb meinten andere, die Worte: „Gott bildete den Menschen,“ bezeichneten die Hervorbringung des ganzen Menschen, des Körpers zugleich mit der Seele; — was nachher aber kommt: „Und Er hauchte in sein Antlitz den Hauch des Lebens“ sei vom heiligen Geiste zu verstehen; wie auch der Herr (Joh. 20, 22.) seine Apostel anhauchte und sprach: „Empfanget den heiligen Geist.“ Diese Auslegung aber schließen nach Augustin (13. de civ. Dei 24.) die nachfolgenden Worte aus: „Und es ward der Mensch zum lebendigen Wesen,“ welche der Apostel (1. Kor. 13.) auf das sinnliche tierische Leben bezieht. Der „Hauch des Lebens“ also bedeutet die Seele; und der Ausdruck: „Er hauchte etc,“ ist gleichsam die weitere Auseinandersetzung dessen, was vorhergeschickt worden war; denn die Seele ist die Wesensform, also das Leben des Körpers. IV. Die Lebensthätigkeiten sind mehr offenbar im Antlitze wie anders wo, weil da alle Sinne vorzugsweise sich finden; deshalb sagt er: „Er hauchte in das Antlitz.“ V. Nach Augustin sind alle Werke der sechs Tage zu gleicher Zeit geworden. Also nimmt er nicht an, die Seele sei vor dem sechsten Tage gemacht, wenn sie auch zugleich mit den Engeln gemacht worden. Vielmehr meint er, am sechsten Tage sei die Seele des ersten Menschen dem thatsächlichen Sein nach geworden; und der Leib gemäß den in den Stoff versenkten Ursächlichkeiten. Andere heilige Lehrer aber bestimmen; Beides, Leib und Seele sei dem thatsächlichen Sein nach am sechsten Tage gemacht.
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