Dritter Artikel. Der Mensch bedürfte im Urzustande der Speise.
a) Dem scheint nicht so zu sein. Denn: I. Die Speise wird zu dem Zwecke genommen, daß das Verlorene ersetzt werde. Im Körper Adams aber ging nichts verloren; da er unvergänglich war. Also bedürfte er keiner Speise. II. Die Speise ist notwendig, um zu nähren. Das Genährtwerden aber vollzieht sich nicht, ohne daß der Körper leidet; was bei Adam nicht der Fall war. III. Die Speise erhält das Leben. Adam aber war so wie so unsterblich, falls er nicht sündigte. Also konnte er auch auf andere Weise sein Leben bewahren. IV. Der Nahrung folgt die Entfernung des Überflüssigen; das ist aber etwas Unanständiges, was dem Urzustande und dessen Vollendung nicht zukommen durfte. Auf der anderen Seite heißt es Gen. 2,16.: „Von jedem Baume lm Paradiese sollt ihr essen.“
b) Ich antworte; daß der Mensch im Urzustande der Speise bedürfte, erst nach der Auferstehung wird er ein geistiges Leben haben, zu dessen Erhaltung keine Speise mehr notwendig sein wird. Die vernünftige Seele nämlich ist sowohl Seele als auch Geist. Sie wird Seele genannt gemäß dem, was ihr und den Tieren gemeinsam ist; insoweit sie dem Körper Leben giebt wie die Genesis 2, 7. sagt: „Der Mensch ist geworden zur lebendigen Seele,“ die nämlich dem Körper Leben verleiht. Geist aber wird sie genannt gemäß dem, was ihr allein eigen ist; insoweit sie eine stofflose Vernunftkraft hat. Im Urzustande also theilte die Seele dem Leibe mit, was ihr zukommt als einer Seele; und deshalb heißt dieser Leib: corpus animale, ein seelischer Leib, denn er hat sein Leben von der Seele. Da nun das erste Lebensprincip hier unten im Stoffe die Psianzenseele ist und deren Wirkungen sind: Nahrung nehmen, wachsen, fortpflanzen; so mußte dies auch dem Körper im Stande der Unschuld zukommen. Nach der Auferstehung jedoch, im letzten Zustande des Menschen, wird die Seele gewissermaßen dem Körper mitteilen, was ihr als Geist eigen ist: allen Menschen nämlich die Unsterblichkeit; — Leidensunfähigkeit aber, Kraft und Herrlichkeit den Guten, deren Körper als geistige werden bezeichnet werden. Also nach der Auferstehung werden die Menschen der Speise nicht mehr bedürfen; wohl aber hatten sie selbe notwendig im Urzustande.
c) I. Die Unsterblichkeit des Leibes beim ersten Menschen war kein dem Körper seiner Natur nach innewohnender Zustand; sondern entsprach einer übernatürlichen Kraft, die in der Seele ihren Sitz hatte. Durch den wirksamen Einfluß der Wärme also konnte das notwendige Feuchte im Körper allmählich ganz wohl verloren gehen; und damit es nicht ganz und gar verschwände, war die Nahrung notwendig. II. Im Ernährtwerden ist allerdings ein gewisses Leiden und Anderswerden; insoweit nämlich die Nahrung in die Substanz dessen verwandelt wird, der sich nährt. Diese genommene Nahrung also war dem Leiden ausgesetzt, nicht der Körper des Menschen; obwohl auch dieses „Leiden“ eben der Vollendung der Natur diente. IIl. Dem ersten Menschen ward ebenso geboten, von den anderen Früchten zu essen; wie es ihm verboten war, vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen die Frucht zu nehmen und zu essen. Hätte er also überhaupt nicht essen wollen, so würde er ebenso gesündigt haben, als er sündigte durch den Genuß der verbotenen Frucht. IV. Manche meinen, eine Entfernung des Überflüssigen hätte im Urzustande nicht stattgefunden; weil man nur das Notwendige genommen haben würde. Dies aber ist unvernünftig, daß in der genommenen Speise nicht etwas gewesen wäre, was ungeeignet war, in die Substanz des Menschen verwandelt zu werden; so daß eine Entfernung des Überflüssigen erforderlich gewesen wäre. Gott hätte jedoch dafür gesorgt, daß damit nichts Unschickliches verbunden gewesen sein würde.
