Zweiter Irtikel. Gott erhält die Kreaturen vermittelst anderer Ursachen.
a) Gott scheint unmittelbar die Dinge im Sein zu erhalten. Denn: I. Durch dieselbe Thätigkeit erhält Er, durch welche Er schafft. Er ist aber unmittelbar von allem Sein der Schöpfer. II. Eine jede Sache ist näher sich selber wie der anderen. Es kann ihr aber nicht mitgeteilt werden, daß sie sich selber erhält. Also kann ihr um so weniger mitgeteilt werden, daß sie andere Wesen erhält. III. Die Wirkung wird im Sein erhalten von dem, der für sie die Ursache ist; nicht nur dafür, daß sie ein Werden hat, sondern daß sie ist. Alle Kreaturen aber sind, wie es scheint, nur Ursache für ihre Wirkungen, insofern dieselben ein Werden haben; denn nur vermöge des Bewegens verursachen sie. Also sind sie keine das Sein erhaltende Ursachen. Auf der anderen Seite wird ein Ding auf demselben Wege im Sein erhalten, auf welchem ihm das Sein gegeben worden. Gott aber giebt den Dingen das Sein vermittelst einzelner Mittelursachen. Also werden sie auch in dieser Weise im Sein erhalten.
b) Ich antworte, daß etwas im Sein erhalten wird: entweder indirekt und mittelbar durch Entfernung der verderbenden Einflüsse oder direkt und unmittelbar, weil sein Sein vom Sein des anderen wie die Wirkung von der Ursache abhängt. Auf beide Weisen wird das eine geschöpfliche Wesen erfunden als erhaltend gegenüber dem anderen. Denn offenbar hindern viele Dinge das Verderben anderer; wie das Salz die Fäulnis des Fleisches hindert. Und ebenso hängt das Sein mancher Kreatur direkt vom Sein einer anderen ab. Wo nämlich viele Ursachen zu einander in geordneter Beziehung stehen, muß die letzte Wirkung zuvörderst von der ersten Ursache abhängen und dann von den vorhergehenden Zwischenursachen und zwar immer desto mehr, je höher eine steht und je näher sie der ersten ist. Und so wird den höheren Ursachen im Bereiche des Körperlichen es zugeschrieben, daß die niedrigen Dinge Dauer haben; wie z. B. (12 Metaph.) Aristoteles sagt, die erste Bewegung, wodurch der Tag entsteht, sei die Ursache der Beständigkeit in der Zeugung und im Entstehen der Dinge; die zweite Bewegung aber, die am Zodiacus, sei die Ursache für die Verschiedenheit, welche im Entstehen und Vergehen der Dinge sich geltend macht. Und ähnlich schreiben die Astronomen dem Einflüsse des Lichtes vom Saturn aus die Dauer und Ständigkeit in den Dingen zu. So also bewahrt Gott die Dinge im Sein durch Mittelursachen.
c) I. In der Erschaffung hat Gott es so eingerichtet, daß die einen unter den Dingen von den anderen im Bewahren des Seins abhingen; immer vorausgesetzt seine eigene Alles in erster Linie bewahrende Kraft. II. Da die eigens entsprechende Ursache jene Wirkung im Sein ebenso erhält, wie sie von ihr ausgeht, so kann wohl keiner Wirkung es gegeben werden, daß sie die Ursache ihres eigenen Seins, also zugleich vorher und nachher sei; wohl aber kann es ihr mitgeteilt werden, daß sie die Ursache eines anderen Seins sei und demnach diese Wirkung im Sein erhalte, trotzdem sie sich selber nicht in dem Sein erhalten kann, was sie sich selber nicht gegeben. III. Keine Kreatur kann so die Ursache einer anderen sein, daß diese eine neue Form oder Eigenschaft erlange, außer auf dem Wege der Veränderung; nämlich insoweit ein Subjekt vorausgesetzt wird, auf welches sie einwirkt. Nachdem sie aber die neue Form oder Eigenschaft dem Gewirkten eingeprägt hat, bewahrt sie, die Ursache, selbige im Sein ohne weitere Veränderung weder von sich aus noch von der Wirkung aus. So wird die Luft nicht ohne Veränderung von neuem erleuchtet; das Bewahren des Lichtes aber ist ohne die geringste Veränderung der Luft allein abhängig von der Gegenwart der Sonne.
