Vierter Artikel. Es wird nichts thatsächlich zu nichte werden.
a) Dagegen spricht: I. Das Ende entspricht immer dem Anfange. Im Anfange aber war nichts. Also wird auch das Ende aller Dinge das Nichts sein. II. Jegliche Kreatur hat ein begrenztes Vermögen. Kein begrenztes Vermögen aber erstreckt sich auf ein „ohne Ende“, auf ein Unendliches; woraus Aristoteles (8 Physic.) es ableitet, daß keine begrenzte Kraft sich in unbegrenzter Zeit bewegen kann. Also keine Kreatur kann ohne Ende dauern. III. Die Eigenschaften und Formen im Stoffe hören bisweilen auf, zu sein; also fangen sie dann an, nicht zu sein. Auf der anderen Seite sagt Ekkle. 3, 14.: „Ich habe gelernt, daß alle Werke, welche von Gott kommen, in Ewigkeit dauern.“
b) Ich antworte, daß von dem, was von seiten Gottes im Bereiche des Geschöpflichen geschieht, manches gemäß dem natürlichen Verlaufe der Dinge sich vollzieht und manches außerhalb des natürlichen Verlaufes der Dinge mit Hilfe von Wundern. 1. Nach der ersten Seite hin zeigen die Naturen der Geschöpfe, daß von diesen nichts zu nichte wird. Denn entweder sind sie stofflos; dann ist in ihnen kein Vermögen für das Nicht sein; — oder sie sind stofflich; dann bleiben sie immer wenigstens dem Vermögen des Stoffes nach, der als reines Vermögen unvergänglich ist, nämlich als Träger des Entstehens und Vergehens. 2. Nach der zweiten Seite hin dient das, was vermittelst eines Wunders geschieht, zur Offenbarung der Gnade nach 1. Kor. 12, 7.: „Einem jeden wird die Offenbarung des Geistes verliehen zum Nutzen für andere.“ Etwas zu nichte machen aber dient nicht zur Offenbarung der Gnade; weil die Macht und Güte Gottes mehr sich darin zeigt, daß die Dinge im Sein verbleiben. Da also weder die Natur noch die Gnade einen Grund an die Hand giebt, daß etwas zu nichte werde, so muß man einfach sagen, Gott mache nichts zu nichte.
c) I. Die Dinge sind hervorgebracht worden, nachdem sie nicht waren; das thut die Macht des Hervorbringenden dar. Wenn sie aber zu nichte würden, wäre dies vielmehr ein Hindernis für ein derartiges Offenbarwerden. Denn Gottes Macht tritt darin besonders klar hervor, daß Er die Dinge im Sein erhält, nach Hebr. 1, 3.: „Der da Alles trägt durch das Wort seiner Macht.“ II. Das Vermögen der Kreatur für das Wirklichsein ist ein rein empfangendes. Daß also die Dinge ins unendliche dauern, das hängt von der einwirkenden Macht Gottes ab, die unendlich ist. Manchen Dingen aber ist eine Kraft gegeben, um nur eine bestimmte Zeit lang zu bleiben; insofern sie durch eine ihnen entgegenstehende Kraft gehindert werden, den Einfluß des- Seins zu empfangen, der ihnen vermittelst anderer beschränkter Ursachen zukommen sollte. Da nun eine begrenzte Kraft einer gegenüberstehenden nicht eine unbegrenzte Zeit hindurch widerstehen kann, so dauern sie nur eine gewisse Zeit. Jene Wesen also, denen keine sie verderbende Kraft gegenüber steht, dauern von sich aus in Ewigkeit. III. Solche Eigenschaften und Formen haben kein für sich selbständig bestehendes Sein; sondern sie sind etwas in einem Sein, ein Teil oder ein Element nämlich im betreffenden Dinge, wodurch dieses ist. Und trotzdem werden sie gemäß der Seinsweise, die ihnen zukommt, keineswegs zu nichte; denn sie bleiben im Vermögen des Stoffes, der durch sie geformt werden kann oder im allgemeinen des Subjekts, das sie tragen kann.
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