Vierter Artikel. Die Engel können keine Wunder machen.
a) Dagegen spricht: I.Gregor der Große (34. in Evg.): „Kräfte nennt man jene Geister, durch welche Zeichen und Wunder bisweilen geschehen.“ II. Augustin (83. Qq. 79.): „Die Magier machten Wunder auf Grund geheimer Kontrakte; die guten Christen thun Wunder wegen des öffentlichen Besten; die schlechten Christen unter dem Schein des öffentlichen Besten.“ „Die Magier, aber“ (I. c.) „thun Wunder, weil sie von den Dämonen erhört werden.“Also können die Dämonen Wunder wirken und um so mehr die guten Engel. III.Augustin (l. c.): „Von Allem, was sichtbarerweise geschieht, glaubt man nich tmit Unrecht, es könne von den niederen Gewalten dieser Luft aus geschehen. “Wenn jedoch eine Wirkung, die sonst von den natürlichen Ursachen ausgeht, hervorgebracht wird ohne Beziehung auf diese natürlichen Ursachen, so nennen wir dies Wunder; wie wenn z. B. jemand vom Fieber geheilt wird, ohne daß die natürlichen Mittel gebraucht werden. Also können die Geister Wunder wirken. IV. Die höhere Kraft ist nicht gebunden an die niedere. Die Kraft der Körpernatur aber ist niedriger als die der Engel. Also ist der Engel nicht gebunden an den Lauf der Natur, d. h. er kann Wunder thun. Auf der anderen Seite heißt es Ps. 135,4. von Gott: „Der allein sehr Wunderbares thut.“
b) Ich antworte, allerdings sei das Wunder außerhalb der Ordnung der Natur, aber nicht außerhalb nur einer einzelnen besonderen Naturkraft; sonst würde jeder, welcher einen Stein in die Höhe würfe, ein Wunder thun, da dies doch außerhalb der Natur des Steines ist. Zum Wunder vielmehr gehört es, daß es außerhalb der Ordnung der Gesamtnatur sei. Und das zu thun, ist Gott allein eigen. Denn wenn ein Engel etwas aus eigener Kraft thut, so geschieht dies kraft der Ordnung seiner eigenen geschaffenen Natur; und ist dann kein Wunder.
c) I. Die Engel thun Wunder oder auch heilige Menschen; entweder weil Gott auf ihr Verlangen ein Wunder thut oder weil sie beim Wunder eine Dienstleistung verrichten. II. Nicht alle natürliche Kraft ist uns bekannt. Was somit vermittelst einer uns unbekannten natürlichen Kraft geschieht, das ist für uns wunderbar; aber nicht an sich ist es ein Wunder. Denn da müßte es außerhalb der gesamten Naturordnung geschehen. Wenn somit die Dämonen kraft ihrer Natur, die uns unbekannt ist, etwas thun, so ist dies mit Rücksicht auf uns ein Wunder. „Durch geheime oder private Kontrakte“ machten die Magier Wunder, weil was geschieht vermittelst eines Bündnisses mit dem Dämon, auf Grund eines „geheimen Kontraktes“ gleichsam geschieht; und weil die Kraft einer einzelnen Kreatur ist wie die einer Privatperson im Staate. Die göttliche Gerechtigkeit aber ist im ganzen Universum „das Beste Aller“, wie etwa ein öffentliches Gesetz im Staate. Thun also die guten Christen Wunder, so geschieht dies vermittelst der göttlichen Gerechtigkeit „zum Besten Aller“. Die schlechten Christen aber thun Wunder unter dem Scheine der göttlichen Gerechtigkeit und des allgemeinen Besten, indem sie den Namen Christi anrufen oder sich einiger heiliger Zeichen bedienen. III. Daß die geistigen Substanzen all das thun können, was sichtbar in der Welt geschieht, hat seinen Grund darin, daß sie vermittelst der Ortsbewegung körperlichen Samen, also natürliche Ursachen gebrauchen. IV.Die Engel können nichts thun außerhalb der gesamten natürlichen Ordnung; also kein Wunder.
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