Zweiter Artikel. Die Engel können den Willen des Menschen nicht wirksam und genügend beeinflussen.
a) Das Gegenteil scheint zu meinen: I.Die Glosse,die zu Hebr. 1, 7. bemerkt: „Feuer sind die Engel, sie glühen in Liebe und brennen aus unsere Laster.“ Das Laster aber ist im Willen. II. Beda (super Matth. 15.): „Der Teufel giebt nicht die bösen Gedanken unserem Willen ein, aber er kräftigt sie.“ Und Damascenus (2. de orth. fide 4.): „Jegliche Bosheit und alle unreinen Leidenschaften sind von den Dämonen ausgedacht; und es ist ihnen gestattet worden, dieselben den Menschen einzugeben.“ Aus demselben Grunde nun geben die guten Engel gute Gedanken ein und kräftigen sie. Das ist jedoch nicht möglich, wenn sie den Willen direkt zu ändern nicht vermöchten. III. Der Engel erleuchtet die menschliche Vernunft vermittelst der Phantasiegebilde. Wie aber die Phantasiegebilde, die der Vernunft dienen, unter dem direkten Einflusse der Engel geändert werden; so auch das sinnliche Begehren, welches dem Willen dient, da es der Natur nach mit einem körperlichen Organ verbunden ist. Auf dieselbe Weise also wie der Engel die Vernunft erleuchten kann, kann er auch den Willen von einem Verlangen zum andern tragen. Auf der anderen Seite heißt es Prov. 21, 1.: „Das Herz des Königs ist in der Hand des Herrn; wohin Er will, wendet Er es.“
b) Ich antworte, der Wille könne 1. von innen heraus bethätigt oder beeinflußt werden; und zwar ist das Gott allein eigen. Denn die Willensbewegung ist nichts Anderes wie die Hinneigung des Willens zum gewollten Gegenstande. Diese aber kann nur Gott, der Urheber der Natur des Willens, verursachen; wie Gott ja allein auch jedem Wesen seine natürliche Neigung geben kann, weil Er ihm die Natur selber giebt. Der Wille wird 2. vom äußeren Gegenstande her bewegt. Und das geschieht im Engel in einer Weise nur; nämlich er wird bewegt vom Guten, was die Vernunft erfaßt hat. Insofern also jemand Ursache ist, daß etwas erfaßt wird als begehrenswertes Gut, insofern bewegt er den Willen. Nur Gott allein nun kann auf diese Weise den Willen wirtsam bewegen; der Engel und der Mensch aber nur nach Weise eines Überredenden. (Vgl. Kap. 106, Art. 2.) Beim Menschen jedoch ist noch ein anderes Moment in Betracht zu ziehen. Denn in ihm ist auch die Leidenschaft vom sinnlichen Begehren her ein bewegendes Element von seiten des gewollten Gegenstandes; wie z. B. die Begier oder der Zorn den Willen beugt, um etwas zu wollen. Und da nun die Geister solche Leidenschaften erregen können, so vermögen sie auch von dieser Seite her den Willen zu bewegen; nicht aber so, daß dieser notwendig folgen müßte, sondern so, daß der Wille immer frei bleibt, zuzustimmen oder nicht.
c) I. Die Diener Gottes (Engel und Menschen) brennen aus die Laster und entzünden zur Tugend in der Weise von Überredenden. II. Die Dämonen können nicht so Gedanken eingeben, als ob sie innerlich dieselben verursachten; da der Gebrauch der Denkkraft dem Willen unterliegt. Es wird jedoch von ihnen gesagt, daß sie Gedanken eingeben oder entflammen, wie dies Überredende thun oder durch Aufregung sinnlicher Leidenschaft. Was Beda als „Entflammen“ bezeichnet, das nennt Damascenus „eingeben“; weil ein solches Wirken im Innern sich vollzieht. Die guten Gedanken jedoch werden einem höheren Princip zugeschrieben, nämlich Gott; mag sich Gott dabei auch der Dienste der Engel bedienen. III. Die menschliche Vernunft ist in ihrem gegenwärtigen Seinszustande an die Phantasiebilder gebunden. Der Wille aber kann etwas wollen auf Grund des vernünftigen Urteils, indem er dem Sinnesbegehren nicht Folge leistet.
