Vierter Irtikel. Der Engel kann in die äußeren Sinne des Menschen einwirken.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Die Thätigkeit der Sinne ist Lebensthätigkeit; Leben aber kommt notwendig von einem inneren Princip. Also kann die Thätigkeit der Sinne nicht von einem äußeren Princip ausgehen. II. Die Sinneskraft steht höher wie die Nährkraft. Auf letztere aber kann der Engel anscheinend nicht verändernd einwirken; da er keine natürliche Formen, d. h. keine Formen im Stoffe unmittelbar hervorbringen kann. III. Der Sinn wird naturgemäß bestimmt vomSichtbaren. Der Engel aber kann den Lauf der Natur nicht ändern. Auf der anderen Seite „schlugen die Engel die Sodomiten mit Blindheit, daß sie die Thüre des Hauses nicht finden konnten“. (Gen. 19, 2.) Und ähnlich 4. Kön. 6.
b) Ich antworte; der Sinn wird in zweifacher Weise bestimmt: von außen, nämlich vom sinnlich wahrnehmbaren Gegenstande; — und von innen. Denn wir sehen, daß infolge der Verwirrung in den inneren „Geistern“ und Eindrücken der Sinne und in den humores auch der Sinn leidet. So empfindet die Zunge, welche voll von Gallenfeuchtigkeit ist, Alles als bitter; und ähnlich geht es mit den anderen Sinnen. In beider Weise nun kann der Engel den Sinn des Menschen umwandeln. Denn der Engel kann dem Sinne einen äußeren sichtbaren Gegenstand entgegentreten lassen, welchen die Natur geformt hat oder den er selbst gebildet; wie z. B. wenn er einen Körper annimmt. (Vgl. Kap. 51, Art. 2.) Und ebenso kann er die inneren „Geister“ und humores bewegen, von denen aus in verschiedener Weise die Sinne umgewandelt werden.
c) I. Das Princip der Thätigkeit der äußeren Sinne kann nicht sich finden ohne das innere Princip, nämlich ohne das Sinnesvermögen. Dieses innere Princip aber gerade kann in vielfacher Weise vom Engel beeinflußt werden. II. Durch die Bewegung der inneren Eindrücke, der Sinnesgeister im Innern und der humores, kann der Engel auch einwirken auf die Thätigleit der Nähr- und der sinnlichen Begehrungskraft und überhaupt jeglichen Vermögens, welches für seine Thätigkeit ein Organ gebraucht. III. Der Engel kann nichts thun außerhalb der gesamten Naturordnung; wohl aber außerhalb einer besonderen einzelnen Natur, da er einer solchen besonderen Natur mit der ihr eigenen Ordnung nicht unterworfen ist. Und so kann er außerhalb des gewöhnlichen Verlaufs der sinnlichen Thätigkeit in ihm allein zustehender Weise den Sinn umwandeln.
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