Vierter Artikel. Nicht alle von der zweiten Hierarchie werden gesandt.
a) Dagegen wird geltend gemacht: I. Daniel unterscheidet unter den Engeln: Dienende und Assistierende. Nun assistieren nicht die Engel der zweiten Hierarchie; sie werden vielmehr erleuchtet durch die Engel der ersten Hierarchie, wie Dionysius (8. coel. hier.) sagt; die also allein unmittelbar von Gott erleuchtet werden und somit allein „assistieren“ oder vor dem Throne Gottes stehen. Von den Engeln der zweiten Hierarchie werden somit alle in den Dienst nach außen gesandt. II. Gregor der Große sagt (17. moral. 9.): „Mehrere sind, die da dienen, wie jene, die assistieren.“ Das würde aber nicht sein, wenn die Engel der zweiten Hierarchie nicht gesandt würden. Auf der anderen Seite sagt Dionysius (8. de coel. hier.): „Die Herrschaften sind viel zu groß, um zu dienen.“
b) Ich antworte, Gesendetwerden komme im eigentlichen Sinne dem Engel zu, insoweit er göttlichem Befehle zufolge etwas im Bereiche des Körperlichen wirkt; und das gehört zur Ausführung des göttlichen Dienstes. Die Eigenheiten der Engel aber werden offenbar aus ihren Namen, wie Dionysius (7. et 8. coel. hier.) sagt. Somit werden die Engel jener Chöre zum Dienste nach außen gesandt, deren Namen auf die ausführende Thätigkeit im Dienste Gottes hindeutet. Im Namen „Herrschaften“ aber liegt kein ausführendes Moment, sondern allein ein Befehlen oder ein Bestimmen ist darin eingeschlossen; während die Namen der anderen Chöre auf die Ausführung hinweisen. Denn Engel und Erzengel werden so benannt vom Verkünden; Kräfte und Gewalten heißen so mit Rücksicht auf eine ausführende Thätigkeit; dem Fürsten zudem gehört es nach Gregor zu, „unter anderen, die da thätig sind, der erste zu sein.“ Diesen fünf Chören also kommt es zu, gesandt zu werden, nicht den vier anderen.
c) I. Die Herrschaften zählen unter den dienenden Engeln; nicht aber wie solche, die den Dienst ausführen, sondern wie solche, die befehlen, was durch andere zu geschehen hat; wie etwa die Baumeister nichts mit ihren Händen am Baue thun, wohl aber vorschreiben, was andere thun sollen. II. Über das Verhältnis der Zahl zwischen den dienenden und assistierenden Engeln kann man einer von den zwei bestehenden Meinungen folgen. Gregor nimmt das: „Tausende Tausender“ Daniels so, daß nicht Tausend mit Tausend multipliziert werden soll, sondern als ob gesagt würde: Tausende von der Zahl Tausender, so daß also an der Stelle von den Einheiten in der Zahl Tausend immer Tausend gesetzt werden müßten und so die Zahl unbestimmbar groß wäre. Die Zahl aber zehntausendmal Hunderttausende nimmt Gregor als eine bestimmte Zahl. Und dies ist nach der Meinung der Platoniker, die da sagen, daß, je näher ein Seinskreis dem ersten Princip komme, desto geringer an Zahl die darin enthaltenen Einzelwesen seien. Diese Meinung bleibt jedenfalls gewahrt in der Zahl der Chöre, da von selben sechs „dienen“ und drei „assistieren“. Dionysius aber (14. de coel. hier.) behauptet, je höher ein Engelchor sei, desto zahlreicher seien die Engel darin; und wie die Himmelskörper bis ins Ungeheuere alle irdischen Körper an Größe überragten, so überragten die höheren Wesen, die nämlich mit stoffloser Natur, alle irdische Menge an Zahl. Was nämlich besser ist, darauf richte sich in höherem Grade die Absicht Gottes; und das sei danach auch vervielfältigt. Da nun die Engel, welche vor dem Throne Gottes stehen, höher in der Natur sind wie die dienenden Engel, so sind sie auch unberechenbar zahlreicher wie die letztgenannten. Und danach wird dann das „Tausende Tausender“ als multipliziert verstanden, als ob gesagt würde: Tausendmal Tausende. Und weil zehnmal hundert — Tausend ist und somit, wenn es hieße zehnmal hundert (d. h. ═ tausend) Tausende, darunter verstanden werden könnte, es seien ebenso viele assistierende wie dienende Engel; deshalb sagt der Prophet: Zehnmal Tausend Hunderttausende und giebt damit zu verstehen, es seien bei weitem mehr assistierende wie dienende. Diese Zahlen sind aber nur hingestellt, um die unberechenbar große Zahl der Engel anzudeuten, welche alle denkbare Menge übersteigt; nicht, um zu sagen, daß eben nur so viele Engel wären wie diese Zahlen ausdrückten. Deshalb werden die größten Zahlen, zehn, hundert, tausend mit sich selbst multipliziert, wie Dionysius l. c. sagt.
