Dritter Artikel. Nicht alle 5ünden gehen aus von der Versuchung des Teufels.
a) Dagegen sagt: I. Dionysius (4. de div. nom.): „Die Menge der Dämonen ist die Ursache von allen Übeln;“ und Damascenus (2. de orth. fide 4.): „Alle Bosheit und Unreinheit ist vom Teufel ausgedacht.“ II. „Ihr habt den Teufel zum Vater“ (Joh. 8, 4.) kann zu jedem Sünder gesagt werden. Das will aber heißen daß man infolge des Einsprechens des Teufels sündigt. Also kommt jede Sünde aus dieser Quelle. III. Wie die Engel gesandt sind zum Schutze der Menschen, so dienen die Dämonen dazu, um den Menschen anzufechten. Alles Gute aber, was wir thun, geht aus den Einsprechungen der guten Engel hervor; denn vermittelst der Engel wird uns Göttliches zu teil. Also alle Sünden kommen von der Einsprechung des Teufels. Auf der anderen Seite heißt es in lib. de eccl. dogm. cap. 82.: „Nicht alle bösen Gedanken in uns werden durch den Teufel erregt, sondern sie stehen manchmal im Herzen auf, weil wir so wollen.“
b) Ich antworte, daß jemand mittelbar oder unmittelbar etwas verursachen kann. Mittelbar verursacht er, wenn er etwas dazu vorbereitet oder geeignet macht, die betreffende Wirkung zu tragen; wie jemand, der Holz trocknet, die Ursache ist, daß das Holz verbrennt. Und so ist der Teufel die Ursache aller Sünden, weil er den Menschen zur ersten Sünde reizte, aus der eine gewisse Hinneigung, ein Geeignetsein für alle Sünden in der menschlichen Natur folgte. Danach ist zu verstehen Dionysius und Damascenus. Unmittelbar aber ist jemand deshalb Ursache der Sünde, weil er ohne weitere Vermittlung daraufhin wirkt. Und so ist der Teufel nicht die Ursache jeder Sünde, daß er nämlich zu jeder Sünde reizte. Denn viele Sünden geschehen, weil man eben so will und auf Anreizung des Fleisches; wie Origenes (3 Periarchon cap. 2.) sagt: „Auch wenn der Teufel nicht wäre, hätten die Menschen die Begierde nach Speise und nach sinnlicher Lust.“ Der Vernunft des Menschen und seinem freien Willen aber gehört es zu, solches Begehren zu zügeln. Dem Menschen also allein gehört die Sünde zu, wenn er dies nicht thut und sein sinnliches Begehren nicht einem guten Zwecke unterordnet.
c) I. Ist damit beantwortet. II. Auch wenn Sünden geschehen, wozu der Teufel nicht die Anreizung gegeben hat, werden darum die Menschen doch Kinder des Teufels; denn sie ahmen diesen ersten Sünder nach. III. Der Mensch stürzt von sich selber in Sünde; aber er kann nicht mit eigenen Kräften Verdienstliches thun. Seinen Beistand nun leiht Gott vermittelst des Dienstes der Engel; und somit wirken die Engel mit zu allen unseren guten Werken. Nicht alle Sünden aber in uns kommen von der Anreizung des Teufels; wenn auch keine Art Sünde es giebt, wozu er nicht bisweilen reizte.
