48. Von dem Heimgang des heiligen Martinus
S. 45 Jm zweiten Jahre der Herrschaft des Arcadius und Honorius ging der heilige Martinus, Bischof von Tours, reich an großen Taten und voll Heiligkeit, ein großer Wohltäter der Schwachen und Hilflosen, im einundachtzigsten Jahr seines Alters und sechsundzwanzigsten seines bischöflichen Amtes aus der Welt zu Christus heim. Er starb in dem Jahr, da Atticus und Eäsarius Konsuln waren1, zu Eandes2 einem Dorfe in seinem Kirchspiel, Sonntags um Mitternacht Viele aber hörten bei seinem Tode Freudenlieder im Himmel, wie ich im ersten Buche meiner Schrift über die Wunder desselben3 des weiteren berichtet habe.
Es waren jedoch, als der Heilige Gottes zu Eandes, wie ich erzählte, erkrankte, das Volk von Poitiers und auch die von Tours zusammengeströmh um Zeugen seines Todes zu sein. Und als er abgeschieden war, erhob sich ein gewaltiger Streit zwischen ihnen. Denn es sagten die von Poitiers: »Er war bei uns als Mönch, bei uns als Abt, wir haben ihn euch nur geliehen, und fordern ihn uun zurück. Schon genug für euch, daß ihr, so lange er Bischof war und in der Welt lebte, seine Rede gehört, sein Mahl geteilt, von seinem Segen gestärkt, und durch seine Wunder erweckt worden seid. Aber nun habt ihr auch euer Teil dahin, und uns kommt es zu, mindestens seinen Leichnam zu nehmen« Darauf aber antworteten die von Tours: »Jhr behauptet da, wir hätten unsern Teil dahin an seinen Wundertaten, so wisset denn, er tat deren mehr bei euch, als unter uns. Denn vieler anderer Taten nicht zu gedenken, euch hat er zwei Tote erweckt und uns nur einen, und er pflegte ja selbst zu sagen, S. 46 es habe ihm größere Wunderkraft beigewohnt, ehe er Bischof war, als nachher. So muß er denn nach seinem Tode noch ausführen, was er uns im Leben nicht erfüllt hat. Euch ist er nun einmal von Gott genommen und uns gegeben. Soll aber durchaus die alte Sitte bewahrt werden, so muß er nach Gottes Willen dort sein Grab haben, wo er geweiht worden ist. Und wenn ihr seinen Leichnam verlangt, weil das ein Recht seines Klosters sei, so wisset, daß er zu Mailand zuerst im Kloster war« So stritten sie noch miteinander, da sank die Sonne, und die Nacht brach herein. Sie verriegelten die Tore und umstellten die Leiche von beiden Seiten, beide, die von Tours und Poitiers, und die von Poitiers würden leicht in der Frühe mit Gewalt den Leichnam an sich gerissen haben. Aber der allmächtige Gott wollte nicht, daß die Stadt Tours ihren Schutzheiligen verlöre. Denn mitten in der Nacht ward die ganze Schar von Poitiers vom Schlaf überfallen, und keiner blieb wach von einer so großen Menge. Da nun die von Tours sahen, daß sie alle entschlafen, ergriffen sie schnell die irdische Hülle des heiligen Leibes. Einige warfen sie von dem Fenster herab, und andere fingen sie außen auf, dann brachten sie den Leichnam auf ein Schiff und fuhren mit allem Volk die Vienne hinab. Als sie aber in das Bett der Loire gekommen waren, steuerten sie los auf die Stadt Tours unter vielen Psalmen und lauten Lobgesängen. Da erst erwachten von ihren Stimmen die von Poitiers, und der Schatz, den sie bewachten, war ihnen entschwunden. So kehrten sie nach Hause mit großer Scham zurück.
Wenn aber jemand fragt, wie es denn komme, daß vom Tode des Bischofs Catianus bis auf den heiligen Martinus es nur einen Bischof, Litorius nämlich, gegeben habe, so diene ihm zur Antwort, daß wegen des Trotzes der Heiden die Stadt Tours lange des priesterlichen Segens entbehrte. Denn die Christen, die zu der Zeit waren, feierten ihren Gottesdienst nur versteckt
und in Schlupfwinkeln Wurden sie aber ja von den Heiden entdeckt, so wurden sie gegeißelt oder enthauptet.
Von den Leiden des Herrn bis auf den Tod des heiligen Martinus rechnet man 412 Jahre4
Hier endet das erste Buch, das 5597 Jahre umfaßt von Anfang der Welt bis zum Tode des heiligen Martinus.
119081 37 ff.). Dies stimmt indessen nicht mit der Angabe. unten, daß Martinus 412 Jahr: Uach Chkkfti Tod, d. i. 445 nach unserer Zeitrechnung gestorben sein soll.
