29. Wie ihr erster Sohn getauft wurde und starb
Als nun dem Könige der erste Sohn geboren wurde von der Königin Chrodichilde, wollte sie ihn taufen lassen, und sie drang deshalb unaufhörlich in ihren Gemahl und S. 104 sprach1 »Ohnniächtig sind die Götter, denen ihr dienet, denn sie können sich und andern nichts nützen, dieweil siessind ein Gebilde aus Stein, Holz oder Erz. Und die Namen, die ihr ihnen beigelegt, gehörten einst Menschen an, nicht Göttern: wie Saturnus ein Mensch war, der seinem Sohne entronnen sein soll, damit er nicht sein Königreich Verliere, und wie Jupiter selbst, der allerschmutzigste Eheschänder, der Männer schändete, Weiber, die ihm blutsverwandt waren, beschimpfte und mit seiner eigenen Schwester in Blutschande lebte, wie sie selbst sagt, sie sei »das, Gottes, Schwester und Gattin zugleich2« Und Mars und Mercurius, wie weit reichte denn ihre Macht? Zauberkünste mochten ihnen zu Gebot stehen, aber die Macht einer Gottheit hatten sie nimmer. Wie viel mehr muß nicht der verehrt werden, der Himmel und Erde, Meer und alles, was darinnen ist, durch sein Wort aus dem Nichts geschafsen, der die Sonne leuchten ließ und den Himmel mit Sternen schmückte, der das Wasser mit Gewürm, das Land mit Tieren und die Luft mit Vögeln erfüllte, auf dessen Wink die Erde sich schmückt mit Früchten, der Baum mit Obst und der Weinstock mit Trauben, durch dessen Hand das Menschengeschlecht erschaffen, durch dessen Güte alle Kreatur dem S. 105 Menschen, den er nach seinem Bilde geschaffen, dienet und willig ist!« Aber wie oft auch die Königin so sprach, sie konnte doch des Königs Gemüt nicht zum Glauben bekehren. »Auf unserer Götter Geheiß, sagte er, wird alles geschaffen und erzeugt, euer Gott ist augenscheinlich ein ohnmächtiges Wesen und, was noch mehr ist, nicht einmal vom Stamme der Götter« Indessen aber brachte die gläubige Königin ihren Sohn zur Taufe und ließ die Kirche mit Teppichen und Decken schmücken, auf daß er, der durch die Predigt nicht bekehrt werden konnte, durch diese festliche Handlung zum Glauben erweckt werde. Ihr Sohn aber, den man Jngomer nannte, starb, als er getauft, noch in den weißen Kleidern, in denen er das Bad der Wiedergeburt empfangen hatte3 Da schwoll dem Könige die Galle, und er schalt heftig die Königin und sprach: »Wäre der Knabe geweiht im Namen meiner Götter4, gewiß er lebte noch; aber er konnte nicht leben, weil er im Namen eures Gottes getauft ist.« Die Königin erwiderte: »Gott, dem Allmächtigem dem Schöpfer aller Dinge, sage ich Dank, daß er mich nicht für unwert erachtet, die Frucht meines Leibes in sein Reich aufzunehmen. Denn mein Gemüt ist unbekümmert, da ich weiß, daß, die in weißen Gewanden von dieser Welt gerufen sind, vor Gottes Angesicht leben werden« Danach gebar sie einen andern Sohn, den sie in der Taufe Chlodomer nannte, und als er anfing zu erkranken, sprach der König: »Es kann mit ihm nicht anders ergehen, als mit seinem Bruder, daß er getauft im Namen eures Christus S. 106 alsbald sterbe« Aber durch das Gebet der Mutter wurde auf des Herrn Geheiß das Kind wieder gesund.
Die folgende euhemeristisclydämonologische Erklärung, welche in den antiken Gottheiten Menschen sieht, die ihre Anbeter durch Zauberkünste verführt haben, entspricht einer in der Kirche schon früh (so von Tertullian und Laktanz, dann von Augustin, De visit. Dei V11, 18) geübten Methode. Ebenso wendet sie ein Zeitgenosse Gregors, der Bischof Martin von Bracara (dessen Tod Gregor unten V, 37 berichtet) in seiner Schrift De corrections rusticorum an, um den Resten heidnischen Glaubens in Spanien entgegenzutreten; auf ihm fußt mit ähnlichen Ausführungen Pirmin, der in der ersten Hälfte des 8. Jahrh in dem noch halbheidnischen Alemannien wirkte. Auch für eine spätere Zeit wären noch zahlreiche Beispiele anzuführen. Das Christentum hat sich dann wohl auch gefallen lassen müssen, daß seine eigenen Heroen von Gegnern in dem nämlichen Lichte gesehen wurden. Alpert von Sankt Symphorian (um 1022) führt in seinem Buche »Über den Wechsel der Zeiten«« (ll, 23) folgende Stelle aus der Verteidigungsschrift eines zUM JUVEUTUM abgefallenen Klerikers an: »welchen Menschensohn hat El? (2V— Mvfs KEUQ 33s 20) AUsgCFAssEJI 7 Etwa den Petrus, Johannes, Martinus und die anderen Dämonen, welche ihr Heilige nennt-i« ↩
Worte der Juno in Virgils Äneide l, 46, 47. ↩
Die Taufe erhielt das Kind in weißen Kleidern, die es in der Taufwoche behielt. ↩
Mauren AbhandL der Bayr. Akad. d. Wissensch. XII, Z, 231 hat diese Stelle für seine Theorie einer heidnisclygertnanischen »Wasserweihe« des Neugeboretieii verwerten zu dürfen geglaubt. Aber bei Gregor war, wenn er überhaupt eine VorstEUUUS VUVVU VERMdas Bild germanischen Heidentums schon sehr« undeutlich geIVIJVVEUZ E! hat sich wohl selbst einen Akt der Namengebung unter den Llttspizien heidnischer Gottheiten konstruiert, als Gegenstück zu der Namengebnnzx bei der Taufe im Namen Christi. ↩
