Nr. 38
Wir wollen aber einstweilen, euern Meinungen die Hand reichend, zugeben, Christus sey einer aus uns gewesen, an Geist, Seele, Körper, Hinfälligkeit und Geburt: war es nicht unser würdig, Ihn um so großer Gaben Gunst zum Gott zu erheben und für einen Gott zu halten? Habt ihr nämlich den Liber als Erfinder des Weinbaues, die Ceres als Erfinderin des Landbaues, den Äskulap als Entdecker der Kräuter, die Minerva als Anpflanzerin des Oelbaums, den Triptolemus als Anfertiger des Pfluges, den Herkules endlich als Ueberwinder und Bezähmer wilder Thiere, Räuber und vielköpfiger Drachen in die Versammlung der Gottheiten aufgenommen; welche Ehre müssen wir dann dem erweisen, der uns von so großen Irrthümern zur offenbarten Wahrheit hinführte; der die ohne Unterschied gleichsam blinden und jeden Führers ermangelnden Wanderer von Abgründen, von ungangbaren Wegen auf ebenen Boden zurückbrachte; der, was zuerst fruchtbringend und dem Menschengeschlecht heilbringend, bekannt machte, was Gott sey, wer, wie groß, welcher Beschaffenheit; der gestaltete und lehrte, desselben Tiefe und unsägliche Höhe, so weit unser Unvermögen kann, zu erfahren und einzusehen; der auf's gütigste zu wissen that, welcher Meister, welcher Vater dieses Weltgebäude beschlossen und gefertigt habe; der die Entstehungsweise und die ehedem durch seine Erkenntniß zu vermuthende Natur desselben entdeckte. Von welchem Feuer der Sonne zeugende Schwüle entnommen werde. Warum man glaubt, der in seiner Bewegung stets unversehrte Mond wechsle zufolge seelischer Einwirkungen Licht und Finsterniß. Wie der beseelten Wesen Entstehung vor sich gehe und welche Ursachen die Fortpflanzung habe. Wer den Menschen selbst gebildet, wer gestaltet oder aus welcher S. 41 Materie er der Körperbau gefertigt? Was die Empfindung, was die Seele sey; ob sie uns von selbst zueile, oder mit dem Fleische gezeugt und geboren werde; ob sie des Todes theilhaftig dauere oder mit Unsterblichkeit begabt sey. Welcher Zustand uns bevorstehe, wenn wir nach aufgelöstem Körper davongehen. Ob wir dann noch empfinden, oder ob alles Bewußtseyn der Empfindung und Erinnerung aufhören werde. - Der unsre Vermessenheit fesselte und den vom Stolz hoch erhobenen Nacken seiner Gebrechlichkeit Maaß anerkennen machte. Der kund that, daß wir ungebildete Wesen seyen, eiteln Meinungen vertrauen, nichts wahrnehmen, nichts wissen, und das vor den Augen daliegende nicht sehen (Matth. 13,15). Der, was Alles übertrifft und jede Gabe überragt, uns von den falschen Götzendiensten zum wahren Gottesdienst herüberführte. Der von nichtigen Bildern, aus dem verächtlichen Kothe geformt, zu den Gestirnen und zum Himmel hinanhob und verursachte, daß mit Gott dem Herrn aller Dinge Worte des Flehens und Unterredungen des Gebetes sich einigen.
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