Dritter Artikel. Gottes ldeen beziehen sich auf alle von Gott erkannten Dinge als die eigenen Seinsgründe und die Richtschnur derselben.
a) I. Das muß schon deshalb falsch sein, weil in Gott keine leitende Idee für das übel ist; sonst würde in Gott ein Übel sein. Das übel wird aber von Gott erkannt. Also nicht von allem, was Er erkennt, hat Er eine entsprechende Idee. II. Gott kennt die Dinge, welche weder waren noch sind noch sein werden. Von solchen Dingen giebt es aber keine Idee; wie Dionysius (de div. nom. cap. 4.) sagt: „Die göttlichen Willensdekrete, welche die bestimmenden und bewirkenden Ursachen der Dinge sind, bilden das Exemplar für die geschaffenen Dinge.“ Also von dem, was nicht ist, war und sein wird, was also nicht bestimmt und bewirkt wird, giebt es keine Exemplaridee; und doch kennt Gott dies alles. III. Gott erkennt den Urstoff, von dem als etwas rein Formlosem auch keine Exemplaridee existieren kann. IV. Gott erkennt nicht nur die Gattungen, sondern auch die „Arten“ und die Einzeldinge als solche und ebenso die Eigenschaften und Zustände der Dinge, welche zum Gattungswesen hinzutreten. Von diesem allem aber besteht nach Plato, welcher, wie Augustin (l. c.) sagt, zuerst die Ideen erfunden hat, gar keine besondere Idee. Also erkennt Gott vieles, ohne davon eine eigene Idee zu haben. Auf der anderen Seite aber sind die Ideen in Gott nichts anderes als Gründe für jegliches geschaffene Sein. Jedes geschaffene Sein aber ist von Gott nach einem eigenen Grunde geschaffen, der es trennt vom Übrigen und zu einem besonderen Gliede des Alls macht. Also.hat Gott entsprechende Ideen von allen Dingen, die Er erkennt.
b) Ich antworte, daß Plato Ideen annahm sowohl als Principien, um die Dinge zu erkennen, als auch für die Entstehung der Dinge. Also nach beiden Seiten hin hält sich die Idee; nur daß wir dieselbe als in der göttlichen Vernunft befindlich ansehen. Und zwar gehört sie, insofern sie Princip für das Werden der Dinge ist, der praktischen Kenntnis an; und kann somit als Muster, Exemplar betrachtet werden. Insofern sie aber Erkenntnisprincip ist, muß man sie so recht eigentlich als maßgebenden Seinsgrund betrachten und kann sie so auch zur spekulativen Kenntnis gehören. Als Muster oder Exemplar also steht sie in Beziehung zu allen Dingen, die Gott für irgend eine Zeit wirkt. AIs Erkenntnisprincip steht sie in Beziehung zu allem, was Gott erkennt, mag auch vieles davon niemals in die Wirklichkeit übergehen; und zwar steht sie zu all diesem in Beziehung, soweit es erkannt wird, ein jedes nach seinem eigensten Seinsgrund und als Gegenstand der Spekulation oder bloßer Anschauung. I. Das Übel wird erkannt vermittelst des Guten, dessen es beraubt; denn der Mangel ist sein Seinsgrund. Also durch das, was wegen der Sünde mangelt, wird es erkannt. Deshalb besteht vom Übel keine eigene Idee, weder als Exemplar oder Muster noch als Seingrund. II. Rücksichtlich dessen, was weder ist noch war noch sein wird, hat Gott kein praktisches Wissen; Er weiß nur, daß Er es wirken kann. Nach dieser Seite hin also besteht keine eigene entsprechende Idee, insofern diese Exemplar oder Muster ist, sondern nur insofern sie den Charakter eines Seinsgrundes hat; also nur als Princip des Erkennens, ode genauer des Erkanntseins; nicht des Wirkens. IIl. Plato nahm nach einigen einen ungeschaffenen Ulstoff an; und demgemäß wollte er nicht, daß diesem Urstoffe eine „Idee“ zukäme, gemäß deren erst er Sein empfinge; die „Idee“ war für ihn vielmehr Ursache für das Wirkliche zusammen mit dem Urstoffe. Wir aber nehmen an, daß der Ulstoff von Gott geschaffen ist. Da jedoch der Urstoff, obwohl von sich aus unfähig, sich die Form, um wirklich zu bestehen, selber zu geben, niemals ohne irgend welche Form wirkliches Sein hat, so entspricht ihm ganz die nämliche Idee, welche dem aus Stoff und Form Zusammengesetzten als Richtschnur dient. Denn aus sich heraus hat der Urstoff weder Sein noch Erkennbarkeit. IV. Die „Arten“ können keine andere Idee haben wie die Gattung, gemäß dem daß die Idee als Muster oder Exemplar betrachtet wird. Denn keine „Art“, wie z. B. sinnbegabt, existiert, ohne einer bestimmten Gattung zuzugehören, wie Mensch oder Tier. Von den Eigenschaften und Zuständen, welche die Gattung dem Wesen nach immer begleiten, wie das Vernunft- oder das Willensvermögen den Menschen oder der Umfang die Körper, gilt naturgemäß die gleiche Idee wie vom Subjekte also von der Gattung, zu der sie hinzutreten, denn diese findet sich niemals ohne diese Eigenschaften oder Zustände. Solchen Eigenschaften aber, welche mit der Gattung nicht gegeben sind, sondern bald hinzutreten bald nicht, wie „weiß“ oder „schwarz“ beim Menschen, müssen eigene Ideen entsprechen. So bewirkt auch der Baumeister vermittelst der Form des Hauses all jenes Übrige, was von Anfang an das Haus begleitet, wie Treppe, Thüre, je nachdem das Haus für etwas bestimmt ist. Was aber noch hinzukommt, wenn das Haus bereits fertig dasteht, wie Gemälde, Standbilder u. dgl., davon besteht eine andere mit dem Hause selber nicht gegebene Idee. Die Einzeldinge als solche aber hatten nach Plato keine andere Idee als leitende Vertreterin ihres Seins wie die Idee der Gattung: einerseits weil das Princip des Einzelseins der Stoff ist, dem nach Plato keine Idee entsprach und der ungeschaffen war oder vielmehr zugleich mit der Idee als Ursache für das Sein der Gattung galt; andererseits, weil die Absicht der Natur auf die Gattung sich richtet, und das Einzelne aus keinem anderen Grunde hervorbringt, als damit vermittelst dessen die Gattungen erhalten würden. Doch die göttliche Vorsehung erstreckt sich nicht nur auf die Gattungen, sondern auch auf die Einzelnwesen; darüber jedoch unten Kap. 22, Art. 3.
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