Dritter Artikel. Das Verhältnis der Liebe Gottes zu den einzelnen Klassen der Geschöpfe.
a) Es scheint, daß Gott alle Kreaturen ganz gleichmäßig liebt. Denn: I. Sap. 6, 8. wird gesagt: „Gleichmäßig sorgt Er für alle Dinge.“ Die Fürsorge, womit Gott die Dinge leitet, kommt aber aus der Liebe. II. Die Liebe Gottes ist sein Wesen, sein Wesen aber läßt kein Mehr oder Minder zu; also auch nicht seine Liebe. Er liebt somit nicht das eine mehr als das andere. III. Die Liebe Gottes erstreckt sich auf die geschaffenen Dinge wie auch das Wissen und Wollen. Gott aber weiß nicht und will nicht das eine mehr als das andere. Also liebt Er auch nicht in dieser Weise. Auf der anderen Seite sagt Augüstin (in Johan. tract. 1l0.): „Alles liebt Gott, was Er gemacht, und darunter liebt Er in höherem Grade die vernünftigen Wesen; und in diesen wieder jene mehr, welche die Glieder am Leibe seines Eingeborenen sind und noch weit mehr den Eingeborenen selbst.“
b) Ich antworte, daß „lieben“ so viel heißt wie jemandem Gutes wollen und demnach kann in doppelter Weise etwas mehr oder minder geliebt werden: Einmal; von seiten des Aktes der Liebe selbst, insoweit derselbe für die einen unter den geliebten Gegenständen einen höheren Grad hat wie für die anderen; — und so ist kein Mehr oder Minder in der Liebe Gottes. Denn mit demselben durchaus einfachen Akte, der immerdar ganz derselbe bleibt, liebt Gott alles. Dann: von seiten des Guten, welches der Liebende dem geliebten Gegenstande will; — und so lieben wir den einen mehr, den.anderen weniger, insoweit wir für den einen ein größeres, für den anderen ein geringeres Gut je nach den Umständen wollen, ohne daß der Liebesakt selber in sich eine Steigerung erführe. In dieser Weise muß gesagt werden, daß Gott das eine mehr, das andere minder liebt. Da nämlich die Liebe Gottes die Ursache der Dinge ist, so würden die einen der Dinge nicht besser sein wie die anderen, wenn Gott nicht für die einen ein größeres Gut wollte wie für die anderen. I. Gott trägt gleichmäßig Sorge für alles, weil Er mit überall gleicher Weisheit und Güte alles regiert; nicht weil Er allen das Gleiche giebt. II. Dieser Einwurf geht vom Mehr oder Minder im Akte selber aus; und da ist kein Mehr oder Minder. Nicht sein Wesen ist es, was Gott den Kreaturen giebt. III. Wollen und Wissen bezeichnen die bloßen Akte; und schließen in ihrer Bezeichnung keinerlei Gegenstände ein, aus deren Verschiedenheit ein Mehr oder Minder im Wissen oder Wollen folgt.
