Vierter Artikel. Gott liebt unter dem Geschaffenen im höheren Grade das, was besser ist.
a) Das scheint offenbar gegen die Schrift zu sein. Denn: I. Paulus sagt. (Röm. 8.): „Des eigenen Sohnes hat Gott nicht geschont, sondern Ihn dahingegeben für uns alle.“ Also Gott liebte mehr das Menschengeschlecht, wie seinen eingeborenen Sohn; der doch als Gott und Mensch zugleich jedenfalls besser ist als das ganze Menschengeschlecht.. II. Ebenso ist der Engel eine bessere Kreatur wie der Mensch; denn so heißt es Psalm 8 vom Menschen: „Minder hast Du ihn gemacht wie die Engel.“ Gott aber hat die Menschen mehr geliebt wie die Engel; wie Paulus hervorhebt (Hebr. 2, 16.): Nirgendwo hat Er die Engel erfaßt, um sie zu erlösen, aber den Samen Abrahams hat Er erfaßt“ Gott also liebt nicht in höherem Grade das Bessere. III. Petrus war besser als Johannes; denn er liebte Christum mehr. Deshalb fragte ihn der Herr, der dies wußte: „Petrus, liebst Du mich mehr als diese?“ Christus aber liebte mehr den Johannes; denn so schreibt Augustinus (in Joan. tract. ult.): „Durch dieses Zeichen selber (daß er als derjenige bezeichnet wurde, „den Jesus liebte“) ward Johannes von allen übrigen Jüngern unterschieden; nicht nur, daß Jesus ihn liebte; sondern daß Er ihn mehr liebte als die übrigen Jünger.“ IV. Besser ist der Unschuldige wie der Büßende; da die Buße die zweite Planke ist nach dem Schiffbruche, wie Hieronymus sagt (in Isai. cap 3. „Peccatum suum ut Sodoma praedicaverunt.) Gott aber Iiebt den Büßenden mehr als den Unschuldigen. Denn: „mehr ist Freude im Himmel über einen Sünder, der Buße thut, wie über 99 Gerechte, welche der Buße nicht bedürfen“. (Luk. 15, 7.) Also liebt Gott nicht in höherem Grade das, was besser ist. V. Besser ist der bloß vorhergewußte Gerechte (der namlich später fallen wird) wie der vorherbestimmte Sünder (der sich nämlich später bekehrt). Gott aber Iiebt den letzteren mehr, denn Er will ihm ein größeres Gut zuwenden; nämlich das ewige Leben. Also liebt Gott nicht immer mehr die Kreaturen, welche besser sind. Auf der anderen Seite liebt ein jedes Wesen das, was ihm ähnlich ist; wie es Ekkl. 13 heißt: „Jedes Tier liebt das ihm ähnlich seiende.“ Insoweit aber ist etwas Gott ähnlicher als es besser ist. Also liebt Gott in höherem Grade das Bessere im Geschaffenen.
b) Ich antworte, daß „lieben//,.nichts Mderes^ist, als-Hinin» Wesen Gutes wollen.. Das Wollen Gottes aber ist die^Ursache alleS dessen, was gut ist in den Dingen. Deshalb ist etwas darum besser, »eil Gott .ihm mehr Gutes will. Also folgt, daß Er das Bessere in höherem Grade Nebt.
c) I. Gott liebt Christum nicht nur in höherem Grade wie das ganze Menschengeschlecht, sondern Er liebt Ihn auch mehr wie die Gesamtheit aller Kreaturen. Denn Er wollte Ihm das höchste Gute; „Er gab Ihm einen Namen, der da ist über alle Namen, daß Er wahrer Gott sei und so genannt würde im Himmel und auf Erden.“ Daß Er Ihn aber in den Tod dahingegeben hat für die Menschen, das vermindert nichts an der Erhabenheit Christi. Im Gegenteil ist Er dadurch um so glorreicher geworden: „Herrschaft hat Er getragen auf seinen Schultern“ (Isaias 9, :6.)> sagt der Prophet. ll. Die menschliche Natur in Christo liebt Gott mehr als Er alle Engel liebt; und sie ist auf Grund der persönlichen Einigung besser wie alle Engel. Was aber unsere Natur anbelangt, soweit in uns, als reinen Menschen sie sich findet, so steht sie in Anbetracht der Gnade und der Herrlichkeit mit den Engeln auf gleicher Stufe; denn ein und dasselbe Maß ist, wie Apok. 20. gesagt wird, für Engel und Menschen, so zwar, daß in der Gnade und dementsprechend in der Herrlichkeit einzelne Menschen über emzelne Engel hervorragen und auch einzelne Engel über einzelne Menschen. Was aber die bloße Natur anbetrifft, so ist der Engel besser wie der Mensch. Und nicht deshalb hat Gott die menschliche Natur .angenommen, weil Er dieselbe an sich betrachtet mehr geliebt hätte, sondern weil sie bedürfnisreicher war; wie der gute Familienvater etwas Kosthareres giebt dem kranken Knechte, wie dem gesunden Sohne. III. Der rücksichtlich des heiligen Petrus und des heiligen Johannes vorgetragene Zweifel wird vielfach gelöst. Augustinus bezieht alles (I. c.) auf das Mysterium, indem er darthut, wie das thätige Leben, wie es der heilige Petrus ausdrückt, mehr Liebe zu Gott hat, als das in Johannes dargestellte beschauliche Leben. Denn das erstere fühlt mehr die Drangsale der Gegenwart und sehnt sich eifriger danach, von selben befreit zu werden und zu Gott zu gehen. Das rein beschauliche Leben aber wird seinerseits von Gott mehr geliebt, denn Er ist dem Beschauenden näher und ist mehr mit Ihm vereint; es wird auch nicht beendet mit dem Tode des Leibes, sondern es bleibt in Ewigkeit. Andere aber sagen, Petrus habe Christum mehr geliebt in Christi mystischen Gliedern, den menschlichen Seelen; und unter dieser Rücksicht sei auch er wieder mehr geliebt worden von Christus, so zwar, daß Christus ihm die Kirche anvertraute. Johannes aber habe den Herrn, in seiner Person betrachtet, mehr geliebt; und nach dieser Seite hin sei er wieder mehr vom Herrn geliebt worden, so zwar, daß ihm der Herr seine Mutter anvertraute. Wieder andere meinen; es sei ungewiß, wer von beiden mehr von heiliger innerlicher Liebe für Christus erfüllt gewesen sei; und, welchen somit Gott mehr geliebt hat, um ihm einen höheren Grad der Herrlichkeit zu geben. Es werde jedoch von Petrus gesagt, er habe Christum mehr geliebt in Anbetracht eines gewissen äußerlichen Eifers und der bei jeder Gelegenheit geoffenbarten Bereitwilligkeit für seinen Dienst. Johannes aber sei mehr von Christo geliebt worden wegen mancher äußerer Zeichen von Vertraulichkeit, welche der Herr ihm gegenüber offenbarte auf Grund der Jugend und der jungfräulichen Reinheit des heiligen Johannes. Endlich sagen noch andere, daß Christus den Petrus mehr liebte, weil Er ihm in höherem Grade die Gabe der Nächstenliebe verliehen; den Johannes aber, weil derselbe in höherem Grade die. Gabe des geistigen Verständnisses besaß. Danach wäre ohne weitere Beschränkung Petrus besser gewesen und demzufolge mehr geliebt; Johannes aber nur nach einer Seite hin, – mit Rücksicht nämlich auf die Erleuchtung des Verstandes. Jedoch wäre es gewagt, hier ein Urteil zu fällen; denn Prov. 16 heißt es: „Der Herr wägt ab die Geister“ und kein anderer. IV. Die Büßenden und die Unschuldigen verhalten sich wie das über das gewöhnliche Maß Hinausgehende zum Gewöhnlichen. Denn ob Büßer ob Unschuldiger, jener ist besser und mehr geliebt, welcher mehr an Gnade hat. Sind aber die sonstigen Verhältnisse gleich, so ist die Unschuld würdiger und mehr geliebt wie die Buße. Gott aber „freut sich mehr am Büßenden etc.“, weil meistenteils die Büßenden vorsichtiger, demütiger und eifriger sind. Deshalb sagt Gregor der Große (34. in Evgl.): „Der Feldherr liebt in der Schlacht jenen Soldaten mehr, der wohl einmal floh, nun aber um so eifriger kämpft, nie jenen, der wohl nie geflohen, aber auch nie tapfer gewesen ist.“ Zudem ist aber die gleiche Gnade größer mit Rücksicht auf den Büßenden, der Strafe verdient hat, als mit Rücksicht auf den Unschuldigen, der keine Strafe verdient hat; sowie hundert Mark ein größeres Geschenk ist, wenn ich sie einem Bettler, als wenn ich sie einem Könjge gebe. V. Da der Wille Gottes die Ursache alles Guten in den Dingen ist, so muß in demjenigen, der von Gott geliebt wird, das Gute gemäß jener Zeit gewogen werden, in weIcher irgend welches Gute ihm durch die göttliche Güte gegeben werden soll. Nach jener Zeit also, in welcher dem vorherbestimmten Sünder (der sich bekehren wird) das größere Gut aus freier göttlicher Güte gegeben werden soll, ist derselbe besser, mag er auch nach einer anderen Zeit schlechter sein; denn wieder nach einer anderen irgend welchen Zeit ist er weder gut noch schlecht (nämlich, fügt Nikolai hinzu, da er noch nicht geboren ist!).
